Sepp Häcki mit den letzten der 58 Lehrlinge, Florian Ming von Sachseln (links) und Jeremia Schiesser von Linthal.
Marianne Voss
«Ich kann mich an alle erinnern und habe zu jeder und jedem eine Geschichte», sagt Sepp Häcki. Er sitzt mit seiner Frau Emma am Küchentisch. Gemeinsam berichten sie von den 35 Jahren, während deren sie mit 58 Lernenden – davon eine junge Frau – das tägliche private und berufliche Leben teilten. Die Episoden sind erheiternd, berührend und stimmen auch nachdenklich.
Schnitt lange Haare ab
Zusammenfassend betonen sie: «Es braucht schon eine soziale Ader, um das über so viele Jahre durchzuziehen.» Man leiste einerseits einen Dienst an der Gesellschaft und der Landwirtschaft. «Andererseits öffnest du deine Tür und schränkst dein Privatleben ein.» Es habe wenige Tage gegeben ohne fremde Personen am Familientisch.
An den ersten Lehrling erinnert sich Sepp Häcki gut. Der Beginn sei nicht einfach gewesen. «Doch der junge Mann machte seinen Weg und schnitt nach einigen Monaten sogar seine langen Haare ab.» Einzelne fühlten sich bei Häckis wohler als zu Hause und wollten auch Weihnachten dort in der Familie verbringen. «Besonders herausfordernd war es auch mit jenem, der von einem völlig abgelegenen Bergbetrieb auf das Schlossgut kam. «Wir zogen das Lehrjahr mit ihm aber durch.»
Gesellschaftlicher Wandel
Nach 20 Jahren habe er Emma und Sepp einen Brief geschrieben und sich bedankt. Die beiden berichten auch von einem Lernenden, der 30 Kilogramm abnahm und sich danach viel wohler fühlte. Mit einem anderen brauchten sie drei Monate Geduld, bis er lernte, sich nach der Arbeit die Hände zu waschen. Emma Häcki erzählt von einem Geburtstag. «Der Lehrling durfte sich sein Lieblingsessen wünschen, und das war ein Sauschwänzli, so gross wie möglich.»
Emma und Sepp Häcki engagierten sich während 35 Jahren für die Ausbildung junger Menschen.
Marianne Voss
Sie habe ihm den Wunsch erfüllt. «Er war völlig glücklich und begeistert.» Dass sich das Essverhalten in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat, haben Häckis miterlebt. «Früher wurde gegessen, was auf den Tisch kam. Heute gehen die Jugendlichen abends einfach noch in den McDonald’s, wenn sie lieber Pommes oder Pizza wollen.» Auch die gesellschaftlichen und digitalen Wandlungen musste das Lehrmeisterpaar mitmachen. «Die Jugendlichen hatten schon ein Handy, wir noch keines. Zu Beginn war es eine Plage, bald jedoch ein erleichterndes Hilfsmittel.»
Gut gehört Kloster
1987 begann Sepp Häcki auf dem Schlossgut in Pfäffikon zu arbeiten, zwei Jahre später wurde er Betriebsleiter. Das Gut gehört dem Kloster Einsiedeln, die Gebäude haben Häckis im Baurecht übernommen. 200 Stück Vieh, davon 90 Milchkühe, gehören zum Betrieb, der 89 Hektaren Land umfasst.
Die Böden werden für Mais, Wiesen und Weiden genutzt, einige Hektaren sind Riedflächen, die an den Zürichsee grenzen. Anfang dieses Jahres hat Sepp Häcki die Betriebsleitung und auch die Ausbildungstradition an die Tochter Karin übergeben. Sie hat Agronomie studiert und die letzten beiden der 58 Lernenden während des Lehrjahrs quasi geerbt.
Prüfungen bestanden
Häckis mussten sich nie auf die Suche nach Lernenden machen. «Wir hatten immer genügend Anfragen.» Gründe dafür: der grosse abwechslungsreiche Betrieb, wo alle Arbeiten für junge Lernende geeignet sind, und ein konstant anwesender Lehrmeister. Mit ehrlichem Stolz erklärt Sepp Häcki: «Wir haben mit keinem Lernenden abgebrochen, auch wenn es schwierig war. Und alle, die nach der Zeit bei uns an die Prüfung gingen, haben sie bestanden.»
Viele der ehemaligen Lernenden führen heute erfolgreich einen eigenen Betrieb, und einige sind begeisterte Viehzüchter oder sogar Jungrichter geworden. Zu mehreren besteht der Kontakt bis heute. «Es ist für uns immer eine grosse Freude und Befriedigung, wenn wir bei einem Besuch sehen, wie der ehemalige Lehrling heute einen blühenden Betrieb führt.»
Jetzt haben Emma und Sepp ein Kapitel abgeschlossen. «Die Lehrlinge der Tochter essen zwar immer noch oft bei uns am Tisch, aber wir erleben wesentlich mehr privaten Freiraum.» Auf dem Betrieb seien sie beide aber immer noch aktiv. «Wir sind dankbar, dass wir noch mitarbeiten und uns einbringen können.»
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