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«Vorzeitige Abalpung betrifft viele»

Auf der Alp Bodenhütten in der Region Sörenberg LU von Sabrina Stadelmann und ihrem Mann Marco kam es zu einem Wolfsriss. Im zweiten Jahr in Folge wurden die Schafe auf der Alp Bodenhütten frühzeitig abgealpt. Nun sind die Schafe zuhause, und die Weidefläche ist ungenutzt. Wie geht es weiter?

Sabrina Stadelmann kennt man vielleicht noch von der «Landfrauenküche», bei der sie vor 2 Jahren mitgemacht hat. In einem Interview mit  Anja Tschannen, Redaktorin des «Schweizer Bauer», erzählt sie wieso sie verunsichert ist und dass sie sich wünscht, dass die Städter die Arbeit der Älplerinnen und Älpler mehr wertschätzen würden.   

Interview mit Sabrina Stadelmann

«Schweizer Bauer»: Wie sieht die Situation bei Ihnen auf der Alp aus?

Sabrina Stadelmann: Ein Wanderer hat letzte Woche ein totes Schaf aus unserer Sömmerungsherde gefunden. Der Wolf hat es gerissen. Die Schafbesitzer haben dann beschlossen, dass sie ihre Tiere lieber wieder nach Hause holen wollen.

Sie haben am Wochenende die übrigen 45 Schafe nach vier Wochen Alpzeit wieder bei uns abgeholt und abgealpt. Die Zuchtschafe stammen von fünf verschiedenen Besitzern, es sind Liebhabertiere. Mein Mann bewirtschaftet die Alp in der siebten Generation, und es hat immer Schafe hier oben gehabt.

Ist es das erste Mal, dass Sie Probleme mit dem Wolf hatten?

Nein. Bei uns hat es letztes Jahr angefangen. Es wurden 60 Schafe aufgealpt, und es gab 6 bestätigte Risse. Nebst dem Wolf kam auch der Gänsegeier, davon habe ich auch ein Video. Es ist sehr schwierig, dann noch DNA-Proben nehmen zu können und Beweismaterial zu sammeln, weil sie die Schafe bis auf die Knochen auffressen.

Was für Herdenschutzmassnahmen wurden ergriffen?

Die Alp wurde von der Topografie her als nicht schützbar eingestuft. Dort, wo es geht, wurden Zäune erstellt. Auf den Nachbaralpen, also links und rechts von uns, hat es Herdenschutzhunde. Nach den Rissen letztes Jahr haben wir dieses Jahr ein Warnsystem installiert – das soll mit verschiedenen Tönen und Lichtsignalen den Wolf vergrämen. Wir haben ausserdem unsere Präsenz erhöht, es ist quasi jeden Tag einer der Schafbesitzer oben bei den Tieren – bei jedem Wetter. Aber eigentlich hat es auf unserer Alp auch so immer eine grosse Anzahl an Menschen. Wir sind von acht Wanderwegen umgeben, und trotzdem wurde der Wolf auch schon am Tag gesichtet.

Was denken Sie über den Herdenschutz?

Ich vergleiche gerne mit dem Bündnerland. Sie haben mittlerweile viel Erfahrung im Umgang mit dem Wolf, und sie probieren so viele Sachen aus, und der Herdenschutz funktioniert trotz allen Bemühungen nicht. Wenn man in einen Naturpark oder in den Zoo geht und sich dort die Wolfsgehege anschaut, wird klar, dass es nicht gehen kann. Der Wolf ist nicht dumm, er lernt mit, und er lernt schneller, als wir denken.

Wir müssen zusammenstehen, wir müssen etwas machen und zusammensitzen und eine Lösung finden.

Sabrina Stadelmann

Wie wird die Wolfsproblematik von aussen wahrgenommen?

Ich komme selbst auch aus der Stadt und bin in der Agglomeration aufgewachsen, und ich weiss, dass es Leute gibt, die sagen: «Es ist ja nur ein Schaf, das später sowieso geschlachtet wird und: Macht nicht so ein Drama.» Aber es steht viel mehr dahinter als «nur» ein Schaf, viel mehr, als die Leute sehen.

Was meinen Sie damit?

Die Leute vom Unterland kommen am Wochenende und in ihrer Freizeit in die Berge, um sich in der schönen Natur zu erholen und sie zu geniessen. Sie vergessen dabei, dass wir Landwirte, Älplerinnen und Hirten durch unsere tägliche Arbeit dafür sorgen, dass die Natur hier so schön ist. Das ist unsere Leistung, und dahinter steckt eine Riesenarbeit.

Tagelang bekämpfen wir Unkräuter. Durch die Beweidung mit unseren Tieren schaffen wir Lebensräume und Artenvielfalt. Machen wir das nicht mehr, sieht die Natur bei uns nicht mehr so aus. Wir schauen, dass die Biodiversität mit all den Blumen und Insekten in den Alpen erhalten bleibt, das macht die Natur nicht selbst.

Können Sie das erklären?

Bei uns ist es nun das zweite Jahr in Folge, dass die Weiden von den Schafen nur drei beziehungsweise vier Wochen bestossen wurden und dass nicht lange geweidet wurde. Obwohl es mehr als genug Gras hätte. Diese Bestossungszeit ist natürlich viel zu kurz.

Es geht sehr schnell, bis die Flächen wieder verbuschen und zuwachsen, und damit verschwinden auch die Blumen und die Insekten und die Biodiversität. Wenn alles zugewachsen ist, werden auch die vielen Wanderer nicht mehr hier hochkommen. Was machen sie stattdessen? Sie sitzen in den Flieger und geniessen die Natur irgendwo anders.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Schafe sind nun den zweiten Sommer nicht da. Wir wissen nicht, ob wir mit den Rindern nun dort rauf sollen. Eigentlich müsste man, aber wir haben ein schlechtes Gefühl. Eigentlich wissen wir noch nicht, was wir machen sollen und was das Beste ist.

Nach dem Abalpen haben Sie auf den sozialen Medien einen Post gemacht. Wie kam es dazu?

Viele resignieren, geben sich mit der Situation ab, getrauen sich nichts mehr zu sagen, weil sie Angst vor den Konsequenzen haben. Aber es kann doch nicht sein. Wir sind ja nicht die Einzigen, die betroffen sind, wir sind viele.

Wenn man immer wieder darüber spricht und präsent bleibt, dann begreifen vielleicht auch die, die aktuell noch nicht von der Raubtierproblematik betroffen sind, dass vielleicht trotzdem etwas gehen muss. Wir müssen zusammenstehen, wir müssen etwas machen und zusammensitzen und eine Lösung finden. In der Schweiz ist der Wolf ja schon lange, und die Wolfsproblematik ist schon lange bekannt. Viele müssen schon lange mit dem Wolf leben und sich tagtäglich damit auseinandersetzen. Nun fängt die Problematik bei uns auch an, und der Wolf kommt immer näher und näher. Ich meine, von uns bis in die Stadt ist es nicht mehr weit.

Was wünschen Sie sich?

Dass wir so schnell wie möglich eine Lösung im Umgang mit dem Wolf hinbekommen. Ich bin nicht für das Ausrotten des Wolfes, aber für die konsequente Regulierung. Das andere Wild wird auch reguliert, und das funktioniert auch. Wir sind auch Teil des Kreislaufes, oder sollen wir nun einfach zusammenpacken und gehen?

Ich wünsche mir, dass unsere Alpen nicht kaputt gehen. Die Alpen und die Alpwirtschaft sind ein Stück Kultur und Heimat für uns Schweizer. Die Tradition des Auffahrens und das Alpleben sind etwas für sich, etwas Besonderes. Ich wünsche mir, dass die nächste Generation das auch machen kann, wenn sie das will.

Beenden Sie die Sätze…

Alpwirtschaft ist …leben.

Herdenschutz… kann man versuchen, aber es ist fast unmöglich. Herdenschutz kann für einen kurzen Moment gut sein, aber der Wolf ist nicht blöd und lernt schneller, als wir meinen.

Der Wolf ist… ein Raubtier und bleibt ein Raubtier.

Zur Alp

Die Fläche der Alp Bodenhütten in der Region Sörenberg LU beträgt 207 Hektaren. Nebst Schafen werden auch Kühe, Rinder und Kälber gesömmert. Es wird Milchwirtschaft betrieben. 

Kommentare (17)

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  • Manuel | 02.08.2023
    Vegetarier werden, und das Problem löst sich schon fast von selbst!
  • Franz Emmenegger | 25.07.2023
    Wir leben in der Schweiz nicht in Kanada nicht in Rumãnien auch nicht in der Tschechei . Der Wolf kommt eines Tages auch in die Stadt und vieleicht wird dann der Wolf anderst betrachtet
  • Anonymus | 24.07.2023
    Nein ich bin kein Städter, bin aber sehr der Ansicht, dass der Wolf wenn möglich nicht bejagt werden soll. Wir (oder ihr Älpler) sind zu Gast auf der Alp. Man kann nicht einfach weiterhin Schafe und andere Nutztiere auf eine nicht schützbare Alp tun. Entweder kann man den Aufwand betreiben um sie schützbar zu machen, oder man muss eine andere Alp suchen. Ich sage auch nichts gegen einzelne Wolfsentnahmen. Aber es sollten die Ausnahmen bleiben. Es ist gut dass Sie reagiert haben und die Schafe wieder abtrieben. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei den kommenden Sömmerungen mit neuer Energie und neuen Plänen.
    • P. Wittwer | 24.07.2023
      An Anonymus

      die Aelpler sind sind nicht Gast auf der Alp, sondern Bewirtschafter ihres Eigentums, oder das einer Alpgenossenschaft; das sollte ein Nichtstädter wissen !

      Die Zeit wird kommen, da das Wolfsproblem anonym gelöst werden muss !
    • Dani | 25.07.2023
      Ä fertigä träumer bist Du! Weisst Du eigentlich was die Bauern tag ein Tag aus leisten damit Du dein stück Fleisch, Gemüse etc, auf dem Teller hast! Dem sagt man existenz! Braucht es Dich in deinem Job? Du bist auch nur geduldet! Die Wölfe gehören nicht hier her! Sonst nimm sie zu Dir nach Hause, und behüte sie!
    • Anonymus | 26.07.2023
      Beim Thema Wolf werden die Wolfsgegner immer so gehässig. Eine differenzierte Meinung dazu wird heruntergemetzelt. Man könnte eine andere Meinung auch für sich entgegennehmen und überlegen ob nicht doch etwas wahres darin sein könnte. Ich kam mit meiner Meinung euch auch entgegen und sage dass Problemwölfe entnommen werden können. Danke
    • Bäuerin | 27.07.2023
      @anonymus: differenziert ist Ihre Meinung leider nicht. Wie geschrieben steht, gehören die Alpen einer Eigentümerin. Was, wenn Sie nicht mehr in Ihren Garten können, weil sich dort ein Wolfsrudel breit gemacht hat? Immer noch weniger schlimm, als auf der Alp. Da Sie von Ihrem Garten nicht leben müssen. Wenn man von einem Einkommen lebt, das im Schnitt 12.--/ h unterschreitet, sind solche Eingriffe eben massiv und man hat nicht so schnell eine Einkommensalternative. Zudem wurde ebenso schön beschrieben im Artikel, was mit den Alpen passiert, die nicht mehr bewirtschaftet werden. Sie glauben es nicht? Gehen Sie ins Tessin und schauen Sie sich dort die vergandeten ehemaligen Alpweiden an...
    • Anonymus | 27.07.2023
      Ich wünschte mir dass ihr für eure harten Arbeit besser entschädigt werdet. Es ist sicher ein wichtiger Teil Ihrer schon seit langem gefestigten Meinungsbildung. Ich wünsche mir dass wir uns annähern können. Das Thema Wolf ist so Emotional aufgeladen. Vielleicht ist ja tatsächlich kein Platz für Wolf und Alpwirtschaft, aber ich möchte das persönliche Anliegen den Wolf mehr Schutz zuzugestehen nicht so schnell aufgeben. Ich denke einfach man sollte den Wolf Nutztiere zu Jagen so schwierig machen dass er lieber Rotwild jagd. Was aber auch bedeuten kann dass ihr Älpler euch stärker zusammen schließen müsst um Schafhaltung mit möglichst wenig Aufwand machen zu können. Möge meine Idee gelingen, dann könnt ihr glücklich sein. Danke
    • Daneli | 30.05.2025
      Wenn dir etwas gehört Anonymus dann gibst du es nicht einfach auf..Du hast Rechte und du kämpfst dafür! Du hast keine Ahnung was es bedeutet in der Landwirtschaft zu wirtschaften mit all den Auflagen vom Gesetz her und den "Wünschen" der Konsumenten die heute den Bezug zur produzierenden Lebensmittelproduktiin verlohren hat. Die Milchtüten wachsen ja an den Bäumen und im Grossverteiler kann man sie kaufen! Die Unwissenheit ist gross - zu gross! Kinder wissen nicht mehr wie ihr essen entsteht, kennen die Kreisläufe nicht! Das ist ein ernstes Problem und der Wolf gehört auch in diese Kategorie!
    • Peter | 03.06.2025
      Anonymes. Wissen Sie von was sie sprechen .Waren sie schon einmal auf einer Alp? Eine Alp kann und darf von Gesetzes wegen nicht mit festen Zäunen ein gezählt werden. Mit dem einzelnen rufen Sie den Naturschutz auf den Platz. Dann geht nichts mehr. Eine Alp kann nicht einfach von Heute auf Morgen gewechselt werden. Ich mache den Vorschlag den Wolf e in die Stadt Umsiedlung.
  • Eli Thornber | 24.07.2023
    Ist der Gänsegeier mit ein Aasfresser?
    Er ist zwar gross, aber er erlegt glaube ich keine Tiere selber....?
    • Bäuerin | 27.07.2023
      Ja, Aasfresser. Der Wolf erlegt ein Tier und der Gänsegeier frisst danach die Resten. Sie können also keine Wolfs-DNA mehr finden und entsprechend wird der Riss nicht entschädigt.
  • D. Furrer | 24.07.2023
    Auf den Alpen links und rechts hat es Herdenschutzhunde, logisch, wo der Wolf dann frisst. Aber es ist und bleibt ein schwieriges Thema...
  • Gesunder Menschenverstand | 24.07.2023
    Dank dem Wohlstand verblöden die Stattmenschen immer mehr, darum sind sie Wolfsfreunde.
  • Gionin Caduff | 24.07.2023
    Herdenschutz gegen den Wolf in Frankreich / Bruno Lecomte
    https://www.youtube.com/watch?v=Jwod0j6kAj4
  • Bombardinelo | 24.07.2023
    Ich habe in meinem Umfeld einen Hirten der seit 4 Jahren, dank seinen zwei Hirtenschutzhunden keinen einzigen Wolfsriss mehr zu verzeichnen hat. Im Unteralptal bei Andermatt sind die Erfahrungen mit den Alpakas als Herdenschutz im Ganzen auch positiv.
    • Jonny | 24.07.2023
      Opfert doch die Lamas u Alpakas ,den einzelnen Wolf jönnen die eventuell abwehren aber beim Rudel keine Chance.Die Wölfe haben ja schon Mutterkühe gerissen,von hinten ausgehöhlt und die Kuh musste erbährmlich verrecken ! Ich würde auch Aligatoren im Zürichsee aussetzen und dann noch die Wolfsfreunde reinwerfen ! Gut schwumm
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