Das Gehirn von männlichen Stichlingen ist um ein Viertel grösser als jenes von Weibchen - und das bei gleicher Körpergrösse. Das hat ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der ETH Zürich bei Fisch-populationen in einem See in Island herausgefunden.
Es sei der grösste bislang entdeckte Unterschied in der Hirngrösse zwischen den Geschlechtern einer Art, schreiben die Forscher um Alexander Kotrschal von der Universität Uppsala im Fachblatt «PLoS ONE». Kotrschal hatte seine Doktorarbeit an der Universität Bern verfasst und arbeitete für die Studie mit Forschern der ETH Zürich zusammen.
Die Wissenschaftler fingen im Myvatn-See im Nordosten Islands rund 120 Stichlinge (Gasterosteus aculeatus). Die Tiere wurden seziert und ihre Gehirn- und Körpermasse bestimmt. Es zeigte sich, dass die Hirnmasse der Männchen - bei gleicher Körpergrösse - rund 23 Prozent grösser war als jene der Weibchen.
Kunstvolle Stichlingsnester
Bis jetzt habe es kaum Studien gegeben, die geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen der Hirngrösse fanden, schreiben die Forscher. Eine Ausnahme ist der Mensch, bei dem eine Untersuchung ein sieben Prozent grösseres Hirn beim Mann fand. Allerdings wird diese Studie oft als fehlerhaft kritisiert und heute eher abgelehnt.
Dass Daten über Geschlechtsdifferenzen in der Hirngrösse faktisch fehlten, sei allerdings überraschend, schreiben Kotrschal und seine Kollegen. Denn eigentlich müssten sie im Lauf der Evolution genauso entstanden sein wie andere Unterschiede zwischen den Geschlechtern, zumal das Hirn äusserst veränderbar ist, wie Unterschiede zwischen Arten zeigen.
Hirngrössen könnten sich zum Beispiel unterschiedlich entwickeln, wenn die beiden Geschlechter vor unterschiedlichen kognitiven Anforderungen stehen. Genau das ist bei den Stichlingen der Fall: Bei diesen kleinen Fischen bauen die Männchen kunstvolle Nester und ziehen den Nachwuchs alleine auf.
Hirn wächst mit Anforderungen
Die Forscher vermuten, dass diese komplizierte Brutbiologie zu den vergrösserten Gehirnen der Stichlingmännchen führte. Dass diese Hypothese stimmen könnte, zeigen frühere Studien, zum Beispiel bei so genannten Laubenvögeln, die vor allem auf Neuguinea und in Australien leben.
Um die Weibchen zu beeindrucken, bauen die Vogelmännchen zum Teil prachtvolle Lauben als Balzplätze. Laubenvögel, die kompliziertere Lauben bauen, haben ein grösseres Gehirn als Vögel mit einfachen Lauben. Auf diese Weise könnten auch die Geschlechtsunterschiede bei den Stichlingen zu erklären sein.