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In den Jahren vor der Einführung der Gauchobeizung waren die Produzenten immer wieder mit dem Auftreten von Blattläusen in Zuckerrüben konfrontiert. Mittels eines Überwachungsnetzes wurde ein Warndienst betrieben. Das wird ab dem nächsten Jahr wiederum nötig werden.
Klimawandel und starker Blattlausbefall stellen den Zuckerrübenanbau vor grosse Herausforderungen. So kam es in diesem Jahr zu einer regelrechten Blattlausepidemie mit dramatischen Ertragsverlusten von bis zu 50 Prozent. Der Grund: die Läuse konnten nicht ausreichend kontrolliert werden, die effiziente Saatgutbeizung mit Neonikotinoiden (Gaucho) zum Schutz vor saugenden Schädlingen ist seit nunmehr zwei Jahren verboten.
Gelb seit Juli
Die Auswirkungen sind frappant: Die gesamte Anbaufläche westlich von Solothurn bis zum Genfersee ist davon betroffen, die Zuckerrübenfelder sind seit Juli gelb gefärbt. Durch den Klimawandel bleiben die Blattläuse rund um das Jahr aktiv und überleben mittlerweile in hoher Zahl den warmen Winter. Sie tragen verschiedene gefährlichen Vergilbungsviren von Pflanze zu Pflanze. Zur Überwinterung dienen den Läusen Wirtspflanzen wie Raps, Senf, Obstbäume und verschiedene Unkräuter. Diese Wirtspflanzen wurden in den letzten warmen Septemberwochen bereits von den vielen mit Viren beladenen Läusen angeflogen und infiziert, riesige Virusreservoire sind angelegt, die nächste Epidemie steht in den Startlöchern. Wenn es um die direkte Blattlausbekämpfung ohne Chemie geht, so stehen Blühstreifen zur Förderung der verschiedenen Nützlinge im Vordergrund. Diese können die Lausanzahl dezimieren, das gilt vor allem für die schwarze Bohnenlaus. Die grüne Pfirsichlaus, welche als die häufigste Virusüberträgerin gilt, können Nützlinge wie Marienkäfer bei kühler Witterung im Frühling nicht ausreichend rasch stoppen und so die Epidemie bereits im Anfangsstadium unterbinden.
Zehn Jahre Züchtung
Als «effizienteste» Bekämpfungsmethode von Schädlingen und Krankheiten gilt immer noch der Anbau von resistenten Sorten. Plötzlich und neu auftretenden Schädlingen oder Krankheiten kann mit einer resistenten Sorte nicht sofort begegnet werden. Die viröse Vergilbung ist keine neue Krankheit, vor der Zulassung der Saatgutbeizung traten bereits Epidemien auf. Damals durften zur Bekämpfung aber noch hochwirksame Insektizidgranulate wie auch die längst verbotenen Phosphorsäureester ausgebracht werden. Die Züchter arbeiteten bereits damals an der Virusresistenz. Die Entwicklung einer resistenten Zuckerrübensorte dauert etwa zehn Jahre, danach folgt noch eine dreijährige offizielle Sortenzulassung. Die Züchtungsprogramme wurden mit dem Verbot von Neonikotinoiden in blühenden Kulturen zwar 2014 wieder reaktiviert, die Landwirte können aber nicht vor 2025 mit resistenten Sorten rechnen. Sie benötigen darum als rasch verfügbare, befristete Übergangslösung den gezielten Einsatz von chemischen Hilfsstoffen. Europaweit haben Experten das Risiko als gering eingestuft, dass Bestäuberinsekten auf Zuckerrübenpflanzen der Saatgutbeizung ausgesetzt sind und geschädigt werden. Weshalb ist das so? Die Zuckerrübenpflanze blüht im Anbaujahr nicht und ist somit nicht attraktiv für Bienen und andere Bestäuber. Dem EU-weiten Verbot 2018 schloss sich auch die Schweiz über Nacht an. Mittlerweile wurde aber in vielen EU-Nachbarstaaten die Saatgutbeize als Notzulassung wieder zugelassen, nur die Schweiz und Italien haben immer noch kein wirksames Pflanzenschutzmittel zur Eindämmung der Blattlausepidemie verfügbar.
Neue Blattlausmittel
Dies befeuert eine folgenreiche Abwärtsspirale: abgesehen vom Ertragsausfall, der sich bis heute auf bis zu 50 Prozent schätzen lässt, sind die betroffenen Landwirte unter diesen Bedingungen im nächsten Jahr nicht mehr bereit Zuckerrüben anzubauen. Durch die fehlende Anbaufläche im Jahr 2021 sinkt die Auslastung der Fabrik, es droht die Schliessung. Zucker gehört zu den krisenfesten Nahrungsmitteln, er liefert nicht nur Energie, sondern versüsst Krisen und erhält die Moral, die Nachfrage während des Corona-Lockdowns war riesig. Wenn die Schweizer Zuckerfabrik ihre Tore schliesst, wird Zucker aus dem Ausland importiert. Dieser sieht genau gleich aus, wird aber mit den in der Schweiz verbotenen Wirkstoffen hergestellt. Damit es nicht soweit kommt, hat die Branche einen Massnahmenplan ausgearbeitet. Wirksamere Blattlausmittel als das heutige Pirimicarb sollen, wie in anderen Kulturen auch, im nächsten Jahr zur Epidemiebekämpfung eingesetzt werden können. Gleichzeitig soll ein Prognosesystem und ein Sortenprüfsystem etabliert werden sowie biologische Schädlingsbekämpfungsmethoden getestet werden. Mit diesen Massnahmen soll die Zeit überbrückt werden, bis resistente Sorten dem Anbau zur Verfügung stehen.
*Die Autorin arbeitet bei der Schweizerischen Fachstelle für Zuckerrübenbau.
Warum wurde das relativ unschädliche Gaucho verboten, bevor eine gleichwertige Alternative verfügbar war? Antwort: blinde Ideologie und Panikmache, wie beim Klimawandel und Covid-19.