Esther Siegenthaler ist ausgebildete Lehrerin. Doch auch nach ihrem dreimonatigen Aufenthalt in Neuseeland, aus welchem sie ebenfalls bloggte, kehrt sie nicht zur Schule zurück. Die Bauerntochter geht auf der Alp Meienfall im Diemtigtal BE als Zusennin z‘Bärg.
Es ist Montagmorgen, beim Aufstehen ist kein Nebel zu sehen, dies ist schon fast eine kleine Sensation. Heute kann ich das letzte Mal im unteren Meienfall melken, denn wir werden in die obere Hütte auf 1785 Meter über Meer zügeln.
Beim Frühstück ist schon ein wenig blauer Himmel zu erkennen und nach dem Beladen des Mulis, ein Transporter, und den Geländewagen, denn die Strasse ist steil und „holprig“, scheint sogar die Sonne. Die Kühe kennen den Weg und wir müssen und beeilen, dass wir ihnen folgen können. Die Kälber sind noch etwas zaghafter, doch mit viel Geduld und gutem Zureden erreichen auch sie rund 45 Minuten später den oberen Meienfall. Am Nachmittag erledigen wir Einrichtungsarbeiten in Hütte und Stall. Es ist ein „zfridniger“ Tag und die aufziehenden Wolken beim Nachtessen stören uns wenig.
Ein Beinahe-Wintereinbruch
Die Wettervorhersage hat ein Tief gemeldet, doch dass es so eintrifft, hätte ich nicht erwartet. Beim Eintreiben der Kühe schlägt mir am Dienstagmorgen eiskalter Wind und Regen ins Gesicht. Zum ersten Mal in diesem Sommer behalte ich meinen Pullover beim Melken an, und dennoch habe ich kalt. Normalerweise gehen die Kühe nach dem Melken direkt wieder auf die Weide. Heute gönnen wir ihnen das trockene „Läger“ im Stall, auch nach dem Frühstück schieben wir den Zeitpunkt zum „Uslah“, also die Tiere nach draussen treiben, weiter in den Vormittag.
Einbruch und Ausbruch
Marcel, welcher ausnahmsweise auch auf der Alp ist, und ich gehen zur unteren Hütte und wollen die letzten Dinge wie Geranien, Bettwäsche und das Brot für die Schweine einpacken. Obwohl der Regen nicht nachgelassen hat, brechen wir auf, um die Rinder zu kontrollieren. Ganz unten in der Weide erkennen wir eine Einbrecherin. Eine braune Mutterkuh von der Nachbaralp bespringt gerade ein brünstiges Rind. Marcel kennt glücklicherweise den Zaun gut und weiss, wo man den Stacheldraht auseinander nehmen kann. Gegen allen Erwartungen können wir die Kuh problemlos nach unten in ihre Weide treiben.
Doch wir haben uns zu früh gefreut. Die beiden gehen dem Zaun entlang und einige Meter später spring das Rind über den kaputten Stacheldraht zur Kuh. Ich folge ihnen und kann sie noch kurz aufhalten, doch nur wenige Minuten später sind sie den steilen Hang hinunter bis zur Hütte der Nachbaralp gerannt.
Hilfe von der Nachbarin
Uns bleibt nichts anderes übrig, als den Zaun notdürftig zu flicken und den beiden zu folgen. Der Versuch, das Rind hochzutreiben misslingt und wir müssen Hilfe bei der Nachbarin holen. Von ihr können wir ein Halfter ausleihen. Widererwarten ist das Rind gewohnt, an einem Halfter zu gehen und wir sind schnell den Steilhang hinaufgekraxelt. Die Nachbarin kommt gleich mit uns und flickt den Stacheldraht fachmännisch. Für diesen Abschnitt des Marchzaunes ist sie verantwortlich, Familie Stocker errichtet einen anderen Teil. Übrigens, der Regen hat noch immer nicht nachgelassen. Mit viel Verspätung, tropfnass und hungrig treffen wir um ein Uhr im oberen Meienfall ein. Wir sind froh, dass der Nachmittag ruhiger verläuft.
Bodenfrost zum Sommeranfang
Nicht nur der Dienstagnachmittag war ruhig, sondern auch das Wetter hat sich beruhigt und zeigt sich nun von der besten Seite. Jedoch am Mittwochmorgen ist dies noch nicht so. Beim Aufstehen bin ich froh, dass es nicht regnet und auch der Wind nicht um die Hüttenecken pfeift. Doch die Temperaturen sind tief gesunken, Bodenfrost ist zu sehen. Beim Holen der Kühe werden meine Füsse schnell kalt. Den Kühen scheint dies egal zu sein, sie trotten gemütlich in den Stall, als wäre dies völlig normal.
Anders ist dies am Nachmittag. Ich bin froh, dass die Temperaturen endlich gestiegen sind und wir die Sonne beim Zäunen geniessen können. Die Kühe sehen dies wohl nicht so, denn sie werden von Bremsen geplagt. Glücklicherweise können sie sich mit ihren Kuhschwänzen gegen die Blutsauger wehren und das Wetter bleibt weiterhin beständig.