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Rinder verenden, Saatgut verzehrt

Rinder sind verendet, die Vorräte verzehrt, die Brunnen versiegt. Millionen Äthiopier hungern. Die Vereinten Nationen schlagen Alarm. Doch die Regierung verschweigt das Problem lieber. 80 Prozent der Bevölkerung lebt von der Landwirtschaft.

 

 

Rinder sind verendet, die Vorräte verzehrt, die Brunnen versiegt. Millionen Äthiopier hungern. Die Vereinten Nationen schlagen Alarm. Doch die Regierung verschweigt das Problem lieber. 80 Prozent der Bevölkerung lebt von der Landwirtschaft.

In grünen Plastiksandalen steigt Chekol Ayalew morgens zwei Stunden durch eine karge, felsige Landschaft hinab bis zur nächsten Trinkwasserquelle. Dort steht sie eine Stunde an, bevor sie ihren gelben 20-Liter Kanister füllen kann. Sie schnallt sich den Kanister auf den Rücken und beginnt in der Hitze Nordäthiopiens den schweisstreibenden Aufstieg zurück.

Seit fast 2 Jahren nicht mehr geregnet

An vielen Tagen schickt die Mutter von neun Kindern eine ihrer kleinen Töchter. Die 20 Liter Trinkwasser müssen für die ganze Familie reichen. «Wer Wasser hat, ist ein glücklicher Mensch», sagt Ayalew. In der schlimmsten Dürre seit drei Jahrzehnten fehlt Millionen Menschen in Äthiopien derzeit das Allernötigste: Essen und Trinkwasser, das nicht krank macht.

In Teilen des ostafrikanischen Landes hat es seit fast zwei Jahren nicht mehr richtig geregnet: Brunnen und Bäche sind versiegt, Rinder und Esel verendet, die Menschen haben alle Reserven aufgebraucht. Der Hunger ist zum Alltag geworden. «Ohne Hilfe können wir nicht mehr überleben», sagt Ayalew.

Zehn Millionen brauchen Hilfe

Bei einer Fahrt durch die besonders betroffene nördliche Amhara-Region sieht man über Stunden nur brachliegende steinige Äcker. Der Wind wirbelt Staub und Erde auf, Frauen und Mädchen schleppen Wasserkanister nach Hause, Kinder treiben mit Holzstecken abgemagerte Rinder und Ziegen über die Felder.

 

1,5 Milliarden Dollar nötig

In diesem Jahr werden zur Bekämpfung der Dürrekrise laut UNO mindestens 1,5 Milliarden Dollar benötigt. Bis Mitte Mai wurden jedoch von Äthiopien und internationalen Gebern - allen voran die USA, die EU und Grossbritannien - erst 830 Millionen Dollar bereitgestellt. Es fehlen also noch rund 45 Prozent.

 

Allein in Amhara sind den Vereinten Nationen zufolge 2,3 Millionen Menschen zum Überleben auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen, im ganzen Land sind es mehr als zehn Millionen Menschen. Am schlimmsten trifft es Babys und Kinder. Die kleine Saleegzer Amare zum Beispiel brachte mit drei Monaten nur 2,2 Kilogramm auf die Waage. Ein normal ernährtes gleichaltes Baby wiegt bis zu sechs Kilogramm.

Kühe verkauft, Saatgut verzehrt

«Bei unseren anderen Kindern hatten wir keine Ernährungsprobleme. Das Land war gut und wir hatten Regen», erzählt Ehitye Ashagre. Die 28-Jährige ist Mutter von vier Kindern. Sie ist gross, aber sie wirkt ausgemergelt; sie bringt wohl selbst nur 40 Kilogramm auf die Waage. Die Familie isst nur eine volle Mahlzeit am Tag.

«Unsere Kühe haben wir schon verkauft, um unsere Kinder durchzubringen», sagt Ashagre. «Auch das Saatgut für dieses Jahr haben wir aus Verzweiflung schon gegessen.» Die kleine Saleegzer brachte sie schliesslich zur Gesundheitsstation im Dorf Galesod, wo das akut mangelernährte Kind eine Woche lang wieder aufgepäppelt wird.

Kinder besonders gefährdet

Erst dann kann der kleine Körper wieder normale Nahrung verarbeiten. «Ohne eine Gesundheitsstation wie diese wäre mein Baby tot», sagt Ashagre. Wie die kleine Saleegzer werden dieses Jahr im ganzen Land UNO-Zahlen zufolge 450'000 Kinder an schwerer akuter Mangelernährung leiden. Rund 2,2 Millionen Kindern und stillenden Müttern mit leichteren Symptomen kann mit spezialisierter Zusatznahrung geholfen werden.

 

El Niño brachte Afrika extreme Dürre

Das globale Klimaphänomen El Niño hat in den Staaten Afrikas südlich der Sahara zu extremen Wetterbedingungen geführt. In einigen Ländern im Süden und im Osten des Kontinents kam es zu einer Dürreperiode mit schweren Ernteausfällen. In anderen Ländern wie Kenia oder Uganda hat El Niño indes durch heftige Regenfälle Überflutungen verursacht.

Die Folgen des Klimaphänomens sind besonders schwerwiegend für Länder, in denen die Mehrheit der Bevölkerung von der Landwirtschaft lebt. In Äthiopien, Somalia, Simbabwe und Mosambik beispielsweise sind nun Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Den Vereinten Nationen zufolge sind am Horn von Afrika und im Süden des Kontinents wegen der klimatischen Schwankungen insgesamt mehr als 50 Millionen Menschen von Hunger bedroht.

Das alle paar Jahre auftretende Klimaphänomen El Niño wird von wärmeren Wassertemperaturen im tropischen Pazifik ausgelöst. In der Folge verschieben sich aufgrund von veränderten Luft- und Meeresströmungen weltweit Wetterbedingungen. Nach über einem Jahr wurde El Niño im Mai für beendet erklärt. Die Folgen in Form von Dürren und Überschwemmungen wirken jedoch nach.

 

Wenn Mangelernährung bei Kleinkindern nicht bekämpft wird, bleibt ihr Immunsystem schwach, sie bleiben körperlich und geistig zurück. Die Schäden sind irreversibel. Den Vereinten Nationen zufolge werden dieses Jahr etwa 2,2 Millionen Kinder unter fünf Jahren mangelernährt sein, 450'000 äthiopische Kinder brauchen deswegen medizinische Behandlung. Etwa 10,2 Millionen Menschen sind demnach in diesem Jahr zum Überleben auf internationale Hilfe angewiesen. Die äthiopische Regierung versorgt zudem bereits acht Millionen Bürger mit Nahrungsmitteln.

Hoffen auf Regen

Experten zufolge wurde die Dürre vom globalen Klimaphänomen El Niño ausgelöst. Mehr als 80 Prozent der rund 95 Millionen Äthiopier leben von der Landwirtschaft, die meisten Familien bewirtschaften weniger als einen Hektar Land. Nach knapp zwei trockenen Jahren richtet sich die Hoffnung der Menschen nun auf die ab Juli beginnende Sommer-Regenzeit «Kiremt».

Weil die meisten Familien ihr Saatgut bereits verzehrt haben, geben Hilfsorganisationen nun Getreide aus. Sollte der Regen wieder ausfallen, droht Äthiopien eine verheerende Hungersnot. Sollte es wie erhofft regnen, wird der Hunger trotzdem noch mindestens bis zur ersten Ernte im September anhalten.

 

Image «Hungerland» abschütteln

Äthiopien wurde Mitte der 1980er Jahre zum Synonym für Hungersnöte. Schätzungen zufolge kamen damals Hunderttausende ums Leben. Fotos von ausgemergelten, apathischen Menschen und Kindern mit Hungerbäuchen gingen um die Welt.

Die damals in Äthiopien regierende kommunistische Militärdiktatur wurde 1991 gestürzt. Seither bemüht sich die autokratische Regierung des Landes darum, das Image als «Hungerland» abzuschütteln. Der Staat hat seitdem grosse Fortschritte gemacht, doch Äthiopien gehört einem UNO-Index zufolge immer noch zu den 15 ärmsten Ländern der Welt.

Die Regierung spricht jedoch lieber vom starken Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre - Hunger passt da nicht ins Bild. Die Berichterstattung über die Krise wird nach Kräften unterdrückt. Bereits versorgt die Regierung acht Millionen Menschen mit Nahrungsmittelhilfe, doch jetzt sind laut UNO weitere zehn Millionen Menschen hungrig. Die Regierung ist überfordert. sda

 

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