Esther Siegenthaler, gebürtige Bauerntochter und ausgebildete Lehrerin aus Schangnau BE, lebt und arbeitet momentan als Praktikantin auf mehreren Milchviehfarmen in Neuseeland. In ihrem Blog berichtet sie regelmässig über das, was sie dort erlebt.
Auch auf der dritten Farm erlebe ich täglich viel Neues. So zum Beispiel das Verladen von Rindern in den Lastwagen oder der Transport mit dem Silowagen.
940 Kühe Kiwi-Cross
Um vom Süden nach Methven, (bei Christchurch, Canterburry) zu reisen, nahm ich mir zwei Tage Zeit und reiste im zickzack landaufwärts bis in die Mitte der Südinsel. Bei Familie Scott bleibe ich zwei Wochen. Sie haben 940 Kühe der Rasse Kiwi-Cross, also Jersey mal Holstein. Es sind kleine massige Kühe, wohl am ersten vergleichbar mit unseren Swiss Fleckvieh Kühen. Für mich ist es die dritte Farm und dennoch erlebe ich viel Neues. Die riesigen Kuhherden und das Melken mit dem Karussell beeindrucken mich zwar immer noch, aber ich habe mich mittlerweilen daran gewohnt. Nicht aber an die riesigen Weiden.
Hier ist die ganze Farm topfeben, die grösste Weide ist mehr als zwölf Hektar, die kleinste vier. Sie werden mit zusätzlichen Zäunen in Breaks unterteilt, wobei die Kühe zweimal täglich ein neues Stück erhalten. Beim Wegräumen eines Zaunes muss man sehr schnell sein, die Kühe drängen, um in die neue Break zu kommen und es besteht die Gefahr, dass sie über den Zaun springen, der aufgerollt werden sollte. Beim ersten Mal hatte ich fast ein bisschen Angst, als 450 Kühe direkt hinter meinem Rücken vorbeirasten.
Die Grösse der Weiden wird mir beim Disteln aushaken immer wieder bewusst. Auf der Farm ist kaum Unkraut zu finden. Sauerampfer wird hier nicht zu den Unkräutern gezählt. So kann ich mit dem Quad durch die Weiden fahren und nach Disteln suchen. Sie werden ausgehackt und bleiben liegen. Obwohl ich pro Weide kaum mehr als 30 Disteln finden kann, habe ich oft mehr als eine halbe Stunde. Dies tönt bestimmt eintöntig, doch genau so wie beim Kuhschwänze scheren habe ich Techniken entwickelt, die es zur Herausforderung machen.
Dreimal jährlich werden alle Kuhschwänze kahl geschoren. So kann weniger Schmutz hängen bleiben, was die Kühe sauberer hält und die Schwänze behindern beim Melken nicht. Mit einer elektrischen Schere, von welcher man den Akku in einem Rucksäckli trägt, müssen sie möglichst schnell aber exakt geschoren werden. Dies wird zum Melken im Karussell gemacht. Zu Beginn war ich langsam, doch ich entwickelte Techniken und versuche mich ständig zu übertrumpfen und schneller zu werden.
Stiere aussortieren
Auch zum ersten Mal war ich mit 23 Stieren in der gleichen Yard. Ich musste sie mit dem Farmer aussortieren und auf neue Weiden bringen. Besonders die älteren Jerseystiere sind nicht ungefährlich. Ich solle sie gut im Auge behalten und notfalls auf das Geländer springen, instruierte mich Peter Scott. Sechs Stiere, welche bereits zwei oder mehr Saisons im Einsatz waren, mussten durchs Tor. Die anderen, so auch ein zweijähriger Jerseystier der mich überhaupt nicht mochte und immer wieder gegen mich kam, blieben zusammen. Nun mussten sie weiter in die Weide. Ich sollte sie mit dem Motorrad treiben. Zum Glück bekam ich im Vorfeld eine kurze Einführung, denn eigentlich kann ich nicht Töff fahren. Peter, der Farmer erklärte mir ernst: "Halte die Stiere immer auf Trab, so haben sie keine Zeit um sich gegen dich zu drehen!"
Bis dahin verlief die Arbeit zwar mit viel Adrenalin, doch nach Plan. Da ein Absperrdraht nicht geschlossen war, rannten die Stiere auf die Strasse. Sie zurückzutreiben verlangte einiges an Nerven von Peters Seite. Denn meine Fahrfähigkeiten verbesserten sich in dieser Stunde Übung nicht wirklich und schon nur akkustisch gesehen war es für mich sehr schwer die Befehle zu verstehen, dazu kommt noch die Sprachbarriere. Jedenfalls war ich zwei Stunden später froh, als endlich alle auf der richtigen Weide waren.
Einige Tage später wollte ich den Anhänger am Quad anhängen um die Kälber zu füttern. In diesem Augenblick wurde nur wenige Meter neben mir einer der älteren Stiere erschossen, ohne Vorwarnung meinerseits. Er wurde auf der Weide geschlachtet, mit der Motorsäge in die Hälften zerlegt und abtransportiert. Übrig blieb eine Blutlache und der Panseninhalt.
Rinder verladen
Von den 312 Rindern, welche gedeckt wurden, sind 24 nicht trächtig. 11 davon mussten in den Lastwagen verladen werden, sie werden geschlachtet. Hierzu müssen sie bei der Yard durch eine Rampe und im Lastwagen eine steile Treppe in den oberen Stock hoch. Die Chauffeure haben wenig Zeit, somit muss das Laden schnell gehen. Eines der vordersten Rinder fiel auf der Treppe. Es wurde kein Halt geboten um es aufstehen zu lassen. Die nachfolgenden Rinder wurden mit dem elektrischen Viehtreiber darüber gehetzt. Ich muss wohl nicht erwähnen wie ungern die Tiere in das dunkle Loch des Lastwagens eintretten, die steile Treppe hinaufsteigen und dann noch über eine Artgenossin hindurch. Ich war froh, dass die Schlachtkühe in den unteren Stock gepfercht wurden und mir weitere solche Erlebnisse ersparrt wurden.
Die restlichen 13 Schlachtrinder müssen noch an Gewicht zulegen. Darum wurden sie zu den übrigen Rindern zurück gebracht. Normalerweise werden sie getrieben, doch wurde als Transporter der Silowagen mit Kratzboden benutzt, Ladebeschränkung gibt es keine. Das Gitter hinten kann nur noch mit dem Schlägel betätigt werden. Da die Wände angeschrägt sind, fielen die Rinder um. Bei der Ankunft auf der Weide lagen drei auf dem Boden. Aufgrund des Platzmangels mussten die anderen zuerst aussteigen, und somit auf diese treten, bevor sie aufstehen konnten. Peter machte den Ausstieg "very easy", wie er sagt, eine Quaderballe wurde hinter dem Wagen deponiert. Auch Kälber werden so transportiert. Ohne den Wagen zu waschen wurde er wieder mit Silo befüllt und den Kühen ausgefüttert.
Ausgang mit Schweizern
Hier in der Umgebung sind einige Schweizer Praktikanten, so auch Herbert (aus Willisau LU), der auf dieser Farm arbeitet. Gemeinsam erleben wir viele lustige Dinge wie Kinobesuche, Ausgang, an ein Rugbygame gehen, Farmbesuche, Bohnanza spielen oder gemeinsam kochen. Fast wie in der Schweiz gehen wir nach dem Ausgang zu jemandem nach Hause Kaffee trinken. Schnell habe ich so coole Personen kennengelernt, die zum Teil die gleichen Leute kennen wie ich. Ja, die Welt ist klein.