Die niedlich aussehenden Kegelrobben greifen Schweinswale an und töten sie. Einer neuen Studie zufolge sind die Tiere eine weit grössere Bedrohung für die Wale als bisher angenommen. Forscher warnen, auch Menschen sollten sich nicht in Sicherheit wiegen.
Einer niederländischen Studie zufolge sind die Kegelrobben eine der Haupttodesursachen für Schweinswale in der Nordsee. Dies berichten Forscher des niederländischen Meeresforschungsinstituts Imares und der Universität Utrecht im Fachjournal «Proceedings B» der britischen Royal Society.
Seit gut zehn Jahren wird eine wachsende Zahl stark verstümmelter toter Schweinswale an der holländischen Nordseeküste beobachtet. Dass Kegelrobben Schweinswale attackieren und fressen, wurde bereits vor einem Jahr zum ersten Mal bewiesen.
Von Robben ermordet
Bislang war allerdings unklar, ob es sich dabei um Einzelfälle handelt oder die Schweinswale regelmässig auf dem Speiseplan von Kegelrobben stehen. Das Rätsel scheint das Team um den Meeresbiologen Mardik Leopold und die Veterinärmedizinerin Lineke Begeman nun gelöst zu haben.
Die Forscher untersuchten zunächst die Biss- und Kratzspuren bei drei toten Gewöhnlichen Schweinswalen (Phocoena phocoena) und fanden darin die DNA von Kegelrobben (Halichoerus grypus). Eine Analyse der Blutungen zeigte auf, dass die drei Schweinswale an den Angriffen der Robben gestorben und wahrscheinlich verblutet waren.
Grossflächige Wunden
Die Verletzungen der drei Kadaver dienten dann als Analyseraster für Fotos von 1081 Schweinswalen, die zwischen 2003 und 2013 an der holländischen Nordseeküste gestrandet waren. 721 Bilder konnten ausgewertet werden, davon wiesen 444 Tiere grossflächige Wunden in der Fettschicht auf, die auch Blubber genannt wird.
Insgesamt gehen die Wissenschaftler davon aus, dass 120 der toten Schweinswale sicher oder mit grosser Wahrscheinlichkeit einem Kegelrobben-Angriff zum Opfer fielen. Meist handelte es sich dabei um gesunde, gut genährte Jungtiere mit einer dicken Fettschicht. Die wenigsten Verletzungen waren nach dem Tod entstanden.
Schweinwale sind nur 1,80 Meter lang
Schweinswale sind in der Regel weniger als 1,80 Meter lang und gehören damit zu den kleinsten Walen. Sie wiegen nur bis zu 70 Kilogramm, wohingegen eine ausgewachsene männliche Kegelrobbe bei einer Länge von bis zu 2,30 Metern rund 300 Kilogramm auf die Waage bringen kann.
Die niederländischen Wissenschaftler rechnen vor, dass selbst bei einer konservativen Schätzung Kegelrobben für 17 Prozent der toten Schweinswale verantwortlich seien. Hinzu komme der unbekannte Prozentsatz toter Tiere, die nicht an die Küsten gespült, sondern zum Meeresgrund sinken würden.
Mehr Todesfälle als in Fischernetzen
Damit wären Kegelrobben-Angriffe eine der Haupttodesursachen für Schweinswale in der Nordsee - neben dem Tod in Fischereinetzen als Beifang (20 Prozent), Infektionskrankheiten (18 Prozent) und Auszehrung (14 Prozent).
Die dicke Fettschicht der Schweinswale ist vermutlich eine ideale Energiequelle für Kegelrobben. Ihr Jagdfieber könnte weitreichende Konsequenzen für den Bestand der Schweinswale haben. Diese könnten künftig reiche Futtergründe meiden oder ihr Tauchverhalten ändern, um den Kegelrobben zu entkommen.
Auch Menschen gefährdet
Die Tiere könnten auch an Gewicht verlieren, um leichter fliehen zu können. Dies würde sie anfälliger für Auszehrung machen - ohnehin schon eine grosse Gefahr für die Meeressäuger.
Die Forscher vermuten, die Kegelrobben seien durch Aasfresserei dazu angeregt worden, auch Jagd auf lebende Schweinswale zu machen. Hinzu komme, dass viele der verendeten Tiere an Küsten gestrandet seien, die bei Schwimmern und Surfern beliebt wären. Dazu heisst es in der Studie: «Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass es nicht auch ein Risiko für Menschen gibt, von Kegelrobben angegriffen zu werden.»