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Rückkehr der Kraftpakete - Stiere statt Köfferli-Muni in Ställen

Die Anzahl Munis auf Bauernhöfen nimmt zu. Gerade Grossbetriebe setzen vermehrt Stiere zur Besamung ein. Denn diese erkennen immer, wann Kühe brünstig sind – im Gegensatz zu den Bauern. Die Unfallgefahr nimmt damit aber zu.

Michael Wahl, LID |

 

 

Die Anzahl Munis auf Bauernhöfen nimmt zu. Gerade Grossbetriebe setzen vermehrt Stiere zur Besamung ein. Denn diese erkennen immer, wann Kühe brünstig sind – im Gegensatz zu den Bauern. Die Unfallgefahr nimmt damit aber zu.

Heute ist alles anders. Landwirt Walter Lüthi holt Stier Colin nur aus dem Stall, um für ein Foto zu posieren. Die Augen weit aufgerissen, trottet das 700-Kilo-Kraftpaket neben Lüthi ruhig auf den Platz vor dem Stall. Den Stier führt er an einem Strick, den er am Nasenring befestigt hat. Lüthis konzentrierter Blick ruht stets auf dem Muni. Normalerweise steht auf dem Hofplatz eine brünstige Milchkuh, wenn der Landwirt den zweijährigen Colin aus dem Stall holt. Dann macht Colin das, wofür ihn Lüthi auf seinem Hof hat – Milchkühe besamen.

Stierenzucht als wichtiges Standbein

Es sind Szenen, wie sie auf Schweizer Bauernhöfen selten geworden sind, seit die künstliche Besamung in den 1960er Jahren Einzug gehalten hat. Auf dem Hof der Familie Lüthi in Allmendingen BE gab es schon immer Stiere. Mehr noch: Colin ist nur einer von insgesamt 25 Munis. Denn Landwirt Lüthi züchtet Natursprungstiere und verkauft diese im Alter von zehn bis zwölf Monaten an Bauern.

Vor zehn Jahren begann er mit der Stierzucht. Seither hat Lüthi diese zu einem wichtigen Standbein nebst der Milchproduktion ausgebaut. Und sich einen Namen gemacht: Bis in die Ostschweiz verkauft er seine Stiere mittlerweile. Die Nachfrage habe in letzter Zeit angezogen, erklärt Lüthi. Zunehmend würden sich auch Bauern melden, die ihre Kühe bislang künstlich besamt hätten.

Anzahl Stiere nimmt zu

Dies bestätigt René Bucher von Swissgenetics, dem führenden Anbieter künstlicher Besamung: "Wir stellen eine Tendenz fest, dass Bauern vermehrt Natursprungstiere einsetzen." So hat Swissgenetics im Geschäftsjahr 2011/12 rund 22'600 Samendosen weniger verkauft als im Jahr zuvor. Das entspricht einem Minus von 2,4 Prozent. Bucher schränkt aber ein: Für den Rückgang sei in erster Linie der abnehmende Rindviehbestand verantwortlich. Dieser ist gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) seit zwölf Jahren mit gut 1,55 bis 1,61 Millionen Stück mehr oder weniger konstant. Zwischen 2008 und 2011 nahm die Zahl der Kühe um 27'000 Tiere ab.

Dennoch: Laut BFS nahm die Anzahl Stiere, die älter als zwei Jahre sind, zu – von 6'880 im Jahr 2009 auf 7'270 im letzten Jahr. Grund dafür ist Mutterkuhhaltung, die immer beliebter wird und bei welcher der Natursprung weit verbreitet ist. Laut Bucher ist aber auch auf Milchwirtschaftsbetrieben eine marginale Zunahme natürlicher Besamungen festzustellen.

Kosten sparen

Bei Walter Lüthi sind es oft Bauern von Grossbetrieben, die einen Stier erwerben. Das hat zum einen finanzielle Gründe: Denn je mehr Kühe ein Bauer im Stall hat, desto grösser fallen auch die Kosten für die künstliche Besamung aus. Zum anderen hat der vermehrte Einsatz von Natursprungstieren auch mit der Brunst der Kühe zu tun. Hochleistungskühe zeigen oft nur schwache Symptome, wenn sie stierig sind. Zudem dauert die Hauptbrunst immer weniger lang, womit das Zeitfenster für eine erfolgreiche Besamung immer kleiner wird.  Gerade auf Grossbetrieben wird das zum Problem. Denn je mehr Kühe im Stall stehen, desto schwieriger wird es für einen Bauern, bei jeder Kuh die Brunst zu erkennen. Erkennt er diese zu spät oder gar nicht, verursacht das Mehrkosten, etwa für zusätzliche Besamungen oder in Form einer tieferen jährlichen Milch- und Kälberproduktion.

Andererseits leidet beim Natursprung der züchterische Fortschritt, weil auf den Betrieben immer derselbe Stier eingesetzt und nicht spezifisch für eine Kuh ausgewählt werden kann. Dass Bauern Kosten einsparen wollen, sei legitim, erklärt René Bucher. Er gibt zu bedenken, dass auch ein Stier Kosten verursache – etwa für Futter oder weil durch einen Muni im Stall eine Milchkuh weniger gehalten werden kann. Bucher vermutet, dass Bauern diese Kosten oft nicht kalkulieren.

Unfallrisiko nimmt zu

Ob sich ein Stier rechnet oder nicht: Klar ist, dass mit dem vermehrten Einsatz von Natursprungstieren das Unfallrisiko zunimmt. Denn die bis zu 1'200 kg schweren Tiere können eigenwillig und unberechenbar sein. "Auch der liebste Muni kann seine schwachen fünf Minuten haben", erklärt Landwirt Lüthi. Deshalb muss man ihn immer im Auge behalten. Ein Unfall sei zum Glück noch nie passiert. Ist ihm ein Stier nicht geheuer, lässt er ihn metzgen.

Gefährlich werde es, wenn ein Stier beginne, den Chef zu markieren und den Respekt vor dem Bauern verliere, gibt Beat Burkhalter von der Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL) zu bedenken. In solchen Fällen sei es ratsam, einen Stier gleich zu schlachten. Die Anzahl Unfälle mit Stieren ist unbekannt. Erfasst werden laut Burkhalter lediglich schwerwiegende Fälle: So hat es in diesem Jahr bereits zwei tödliche Unfälle gegeben.

Und einem Bündner Landwirt ist der Muni ausgebüxt und musste erschossen werden. Für Burkhalter ist klar: Der Umgang mit Stieren erfordert viel Erfahrung. Passiere etwas, seien die Konsequenzen oft fatal. Landwirt Lüthi rät Bauern, die Angst vor Munis haben, lieber bei der künstlichen Besamung zu bleiben. Oder mit einer brünstigen Kuh auf seinen Hof zu kommen. Stier Colin stehe bereit.

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