Als weltweit erster See erhielt vor 30 Jahren der Baldeggersee eine Beatmungsmaschine und entging so dem Kollaps. Am Samstag wurde in Gelfingen LU gefeiert. Doch Pro Natura trübt die Festlaune, spricht von Symptombekämpfung und kritisiert die Landwirtschaft.
Vor 50 Jahren standen der Baldegger- und der Hallwilersee in den Kantonen Luzern und Aargau - die dem Seetal seinen Namen geben - vor dem Kollaps. Die Phosphorbelastung lag bei 520 respektive 250 Milligramm pro Kubikmeter (mg/m3). Als gesund gelten 20 bis 30 mg/m3.
Ursache für den lebensbedrohenden Zustand war einerseits die Landwirtschaft mit hohen Tierbeständen, insbesondere Schweinen, welche die Seen mit Düngstoffen belasteten. Anderseits liessen auch die Haushalte und die seit 1883 im Seetal boomende Industrie ihre Abwässer ins Wasser.
Um das Ersticken abzuwenden, kamen die Seen auf die Intensivstation mit seeinternen und seeexternen Massnahmen. So wurden die Siedlungsgebiete an Kläranlagen angeschlossen. Und die Bauern erhalten heute Entschädigungen, wenn sie kein Phosphor einsetzen; das ist heute auf 85 Prozent der Landwirtschaftsfläche der Fall.
Gerettet mit Sauerstoffzufuhr
Spektakulärer war die Idee der künstlichen Belüftung des Sees, die 1980 aus einem Wettbewerb der Kantone Aargau und Luzern hervorging. Im Winter werden die Seen mit Druckluft zwangszirkuliert, im Sommer wird ins Tiefenwasser Reinsauerstoff eingetragen.
Im Baldeggersee begann man 1982 damit, im Hallwilersee 1986. Das Resultat kann sich sehen lassen. Heute weist der Hallwilersee noch eine Phosphorbelastung von 19 mg/m3 auf, der Baldeggersee eine von 23 mg/m3. Die Massnahmen haben ihren Preis: Über 20 Mio. Franken bezahlte der Kanton Luzern bisher, gegen 8 Mio. Franken der Kanton Aargau.
Fazit: Man habe viel erreicht, sei aber noch nicht am Ziel, so Josef Wermelinger, Präsident des Gemeindeverbandes Baldegger- und Hallwilersee. Die künstliche Sauerstoffzufuhr könne man vielleicht in fünf Jahren abstellen, die Belüftung dagegen werde wohl noch lange nötig sein.
Auch für die Umweltorganisation Pro Natura war die Belüftung eine notwendige Erste Hilfe. Doch sei sie keine Langzeitlösung, liess sie zum Jubiläum am Baldeggersee verlauten. Solange der See von überintensiver Landwirtschaft umgeben sei, bleibe er gefährdet. Die Symptombekämpfung verschlinge ausserdem Millionen, die man besser einsetzen könnte.
«Bauern kassieren für selbst verschuldete Probleme»
Was der Kanton Luzern als Erfolg bezeichnet, ist für Pro Natura ein fataler Anreiz. «Die Luzerner Landwirtschaft kassiert dank den selbst verschuldeten Umweltproblemen Bundesmillionen für Sanierungsmassnahmen», so Rico Kessler von der Geschäftsleitung von Pro Natura. Sie sei deshalb daran interessiert, dass das Problem nicht gelöst werde, sondern weiter bestehe.
Laut Kessler ist der Schritt zu einer seeverträglichen Landwirtschaft längst überfällig. «Die Landwirtschaft im Seetal muss wegkommen von der Massenhaltung von Schweinen.» Noch heute nämlich gelange jährlich mehr als die doppelte Menge des tolerierbaren Phosphors aus der Landwirtschaft in den See und die Tierbestände seien unverändert hoch.
Ob der Kanton Luzern, in dem mehr Schweine leben als Menschen, bereit ist, seine Politik umzukrempeln ist fraglich. Auf die Frage, ob man statt einer Belohnung für umweltbewusste Bauern auch über Strafen für die andern Bauern nachgedacht habe, meint Gemeindeverbandspräsident Josef Wermelinger, man setze lieber auf Anreiz statt Zwang.
Etwas anders sieht man das offenbar im Kanton Aargau, wo man laut Pro Natura «die Dreckfracht aus dem Baldeggersee übernehmen muss». Ein Systemwechsel in der Landwirtschaftspolitik sei durchaus ein Thema, sagt Philippe Baltzer, Leiter der Abteilung für Umwelt des Kantons Aargau.


