Die zunehmende Beliebtheit von Ziegenmilch hat laut dem Schweizer Tierschutz (STS) eine Schattenseite: Die kleinen Zicklein haben kaum Wert und werden als «Abfallprodukt» behandelt. Der Tierschutz verlangt bessere Haltungsbedingungen bei Mastbetrieben. Und der Detailhandel soll Schweizer Gitzifleisch fördern.
Ziegenmilch liegt im Trend und ist nicht zuletzt bei Kuhmilch-Allergikern gefragt. Für Bauernbetriebe stellt die Milchproduktion mit Ziegen eine Alternative zur Kuhmilch dar. Aktuell wird etwa doppelt so viel Ziegenmilch produziert wie vor rund 20 Jahren.
Import trotz Inlandangebot
Das Problem dabei ist, dass Ziegen jedes Jahr gebären müssen, damit sie Milch geben, wie der Schweizer Tierschutz (STS) am Donnerstag vor den Medien in Zürich ausführte. Die kleinen Zicklein aber will kaum jemand. Das Fleisch der Ziegen ist weit weniger beliebt als deren Milch. Ausser an Ostern besteht kaum Nachfrage.
Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt laut dem STS bei gerade mal 70 Gramm von insgesamt 50 Kilogramm Fleisch, welches jeder Schweizer und jede Schweizerin durchschnittlich pro Jahr konsumiert. Und selbst wenn Ziegen- respektive Gitzi-Fleisch auf den Tisch kommt, werden 38 Prozent (2017) des Verbrauchs importiert - trotz saisonal reichlich vorhandenem Inlandangebot, schreibt der Tierschutz
Aufzucht lohnt sich nicht
Die kleinen Gitzi haben laut dem Tierschutz für die Milchbetriebe keinen Wert. Zudem trinken sie den Milchproduzenten die wertvolle Ziegenmilch weg. Die Aufzucht der Jungtiere rentiert sich für die Bauern nicht. «Viele Milchbetriebe wollen die Zicklein deshalb so schnell wie möglich loswerden», erklärte der Leiter des Kontrolldienstes des STS, Cesare Sciarra. Oft würden die jungen Ziegen schon im Alter von lediglich zwei bis drei Tagen an Händler verkauft. Die Händler verkaufen die Tiere dann weiter an Mastbetriebe.
«Das Schlimme für uns ist, dass diese Tiere nach dem Verkauf an die Händler verschwinden und wir sie nicht mehr rückverfolgen können», sagte Sciarra. Nur ein Teil der ganz jungen Tiere lande auf den bekannten Schlachthöfen. «Wir wollen wissen, was mit den anderen Tieren passiert», betonte Sciarra. Oftmals haben die Tiere bis zur Ankunft am Schlachtbetrieb, nach nur sechs bis acht Wochen, ihr kurzes Leben auf mehreren Betrieben verbracht und haben etliche Kilometer Transport hinter sich, hält der Tierschutz fest.
Schlechte Bedingungen bei Mastbetrieben
«Weil heute Ziegen und Schafe nicht in der Tierverkehrsdatenbank registriert werden müssen, lassen sich die verschlungenen Wege, die die kleinen Tiere bereits hinter sich haben, nur erahnen», hält der Tierschutz fest. Dies wird sich mit ab kommenden Jahr mit der Registrierungspflicht ändern.
Ein weiteres Problem ist laut dem STS, dass die Zicklein so früh von den Müttern getrennt werden. Ihr Immunsystem ist dann noch nicht voll entwickelt und sie erkranken häufiger an Lungenentzündungen, Gitzilähme oder einer Nierenkrankheit. Zudem würden die Gitzi in den Mastbetrieben teilweise unter schlechten Bedingungen gehalten und so regelrecht «entsorgt», weiss der Tierschutz. Mortalitätsraten während der Mast von bis zu 13 Prozent seien keine Seltenheit.
Ab 2020 TVD-Pflicht
Immerhin, eine erste Verbesserung der Situation ist laut dem Schweizer Tierschutz in Sicht. Ab 2020 müssen Ziegen, so wie heute schon Rinder, in der Tierverkehrsdatenbank erfasst werden. Der STS begrüsst das sehr. Dank der Datenbank wird es einfacher, die Transport- und Lebenswege der Zicklein nachzuvollziehen.
Doch damit ist es laut dem Tierschutz-Verband nicht getan. Der STS fordert, dass ein Mindeststandard bei Fütterung, Haltung und Schlachtung eingeführt wird. Zu fördern sei die Aufzucht mit Mutterziegen oder zumindest die Mast auf dem Geburtsbetrieb. Es gelte, die Gesundheit der Gitzi zu gewährleisten.
STS verlangt kostendeckende Preise
Falls die Tiere dennoch an Mastbetriebe verkauft werden, fordert der STS eine Direktzuweisung. Zudem soll geregelt werden, in welchem Alter die Zicklein frühestens verkauft werden dürfen. Auch müsse die artgerecht Haltung sichergestellt werden.
Vom Bund wie auch vom Detailhandel fordert der STS vermehrte Anstrengungen zur Absatzförderung und produktionskostendeckende Preise für Schweizer Gitzi- und Lammfleisch. Der Import von billigem Fleisch aus dem Ausland, während sich im Inland die Aufzucht und Vermarktung der Jungtiere für den Bauern nicht lohnt, widerspricht dem Tierschutz.


