Eine gewaltige Schmelzwasser-flut legte in der letzten Eiszeit den wärmenden Nordatlantik-strom still - und liess die Nordhalbkugel innerhalb kurzer Zeit wieder vereisen.
Entscheidend für diesen dramatischen Klimawechsel vor 12’900 Jahren war jedoch nicht nur, wie viel Schmelzwasser aus der Arktis in den Atlantik strömte, sondern auch, wo dies geschah. Das haben US-amerikanische Forscher bei der bisher genauesten Simulation dieser Ereignisse festgestellt.
Wichtig, um künftiges Klima zu verstehen
Sie zeigt, dass das Schmelzwasser nicht, wie bisher angenommen, auf Höhe des Sankt-Lorenz-Stroms in den Atlantik floss, sondern viel weiter nordwestlich. Nur dann schwäche der Süsswasserzufluss die wärmende Meeresströmung, berichten die Forscher im Fachmagazin «Proceedings of the National Academy of Sciences» (doi:10.1073/ pnas.1207381109).
«Die Ursache der damaligen Abkühlung genau zu kennen, ist sehr wichtig, um zu verstehen, wie sich unser Klima in der Zukunft ändern könnte», sagt Erstautor Alan Condron von der University of Massachusetts in Amherst. Denn auch heute ströme durch die Klimaerwärmung wieder vermehrt Schmelzwasser aus Grönland und der Arktis ins Meer.
Bisherige Klimamodelle ungenügend
Um vorhersagen zu können, ob dies den Nordatlantikstrom zukünftig schwächen könne, müsse man wissen, wo dieser Einstrom Folgen für die Meeresströmungen habe und wo nicht. «Klimamodelle, wie sie der Weltklimarat IPCC nutzt, erfassen dies bisher jedoch nicht», schreiben die Forscher. Die Auflösung dieser Modelle müsse daher soweit verbessert werden, dass sie auch die jeweilige Quelle des Schmelzwassers abbilden.
Für ihre Studie hatten die Forscher ein Computermodell eingesetzt, das die Wechselwirkungen von Eis, Schmelzwasser und Meeresströmungen 10 bis 15 Mal hochauflösender abbilden kann als bisherige Simulationen.
Brechender Eisdamm löste Schmelzwasserflut aus
Vor rund 12’900 Jahren waren die Arktis und Teile des nordamerikanischen Kontinents von dem gewaltigen Laurentide-Eisschild bedeckt. Dieses stammte noch aus der vorhergehenden Kaltzeit, hatte aber schon begonnen abzutauen. Das entstehende Schmelzwasser sammelte sich in mehreren grossen Gletscherseen am Südrand des Eisschilds.
Als der Eisdamm eines dieser Seen brach, strömten Tausende von Kubikkilometern Schmelzwasser in den Atlantik, wie die Forscher berichten. Dieser Süsswasserzufluss habe den Salzgehalt des Meerwassers verringert und so verhindert, dass im Nordatlantik salziges und damit dichteres Wasser in die Tiefe sank.
Dadurch konnte weniger warmes Wasser aus dem Süden nachströmen. Die für das Klima wichtige Zirkulation im Nordatlantik kam schliesslich zum Erliegen.
Wichtige Erkenntnisse für Prognosen
Dem neuen Modell nach könne das Schmelzwasser nicht über den Sankt-Lorenz-Strom in den Atlantik geflossen sein, sagen die Forscher. Denn dieser liege zu weit südlich, das Wasser verteile sich wegen der gegenläufigen Strömung nicht nordwärts im Ozean. In der Simulation wurde die Nordatlantikströmung daher nur um neun Prozent geschwächt.
Wenn aber das Schmelzwasser rund 4000 Kilometer weiter nordwestlich - über den Mackenzie River - in den arktischen Ozean fliesse, reduziere dies den Nordatlantikstrom um bis zu 77 Prozent, beobachteten Condron und sein Kollege Peter Windsor von der University of Alaska in Fairbanks.
Nach Ansicht der Forscher zeigt dies, dass es einen grossen Unterschied bedeutet, wo das Schmelzwasser ins Meer gelangt - sowohl für die Rekonstruktion der Vergangenheit als auch für Vorhersagen der Zukunft.


