Dank innovativen Firmen gelingt es heute, den grössten Teil der jährlich anfallenden 850 Tonnen Schafwolle als hochwertige Rohstoffe der Industrie für Bauwerkstoffe, Bettwaren und Bekleidung zu verwenden. Von der Schaffarm zum Unternehmen
Die Firma Swisswool aus Buchs und der Verein Fiwo in Amriswil sammeln und verarbeiten mehr als zwei Drittel der anfallenden Schweizer Schafwolle. Beide sind jung, innovativ und stellen sich den Anforderungen des Marktes. Herbert Karch verwaltet den Verein Pro Wolle Schweiz, dem kleinere Verarbeiter angeschlossen sind. Pro Wolle Schweiz ist eine Selbsthilfe-Organisation.
Die drei Geschäftsführer arbeiten mit gegen 3'000 Schafzüchtern zusammen, die ein Grossteil der 430'000 Schweizer Schafe halten und die jährlich ungefähr 850 Tonnen Wolle liefern. Das Gemeinsame, das die drei Geschäftsführer auszeichnet, ist die Achtung vor dem Produkt und der Wille, das Vernichten von Schweizer Schafwolle zu verhindern.
Aufbruchstimmung mit der neuen Verordnung
Die inländische Wollzentrale (IWZ) des Schweizerischen Schafzüchterverbandes im bernischen Niederönz wurde im Sommer 2008 geschlossen, weil das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) die finanzielle Unterstützung für die Verwertung von Schafwolle ab dem 1. Januar 2009 an neue Auflagen geknüpft hatte, erklärt Marlies Schneider, Geschäftsstellenleiterin des Schweizerischen Schafzüchtervereins. Die IWZ konnte diesen Vorgaben nicht nachkommen und wurde deshalb geschlossen.
Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits den Verein Fiwo (Förderung innovativer Wollverarbeitung Ostschweiz), damals noch in Bischofszell und heute in Amriswil, der bereits zu diesem Zeitpunkt um die 275 Tonnen Schafwolle für die Baubranche verarbeitete. Als 2009 die Subvention nicht mehr pro Kilo gesammelter Schafwolle, sondern pro Kilo in der Schweiz verarbeiteter Schafwolle ausbezahlt wurde, kam Bewegung in die Branche.
In Buchs gründete Martin Keller, er war damals Verwaltungsrat bei der IWZ und wollte die Schliessung nicht tatenlos hinnehmen, zusammen mit weiteren Schafhaltern die Swisswool. Rund um Bern schlossen sich Schafhalter zum Verein Selbsthilfe Schafwollverarbeitung zusammen.
Unterstützung vom Bund
Gemäss Verordnung des Bundesamtes für Landwirtschaft werden pro Jahr maximal 200'000 Franken an die Verarbeitung von Schafwolle ausbezahlt. Die Firmen müssen als Selbsthilfeorganisationen konzipiert sein, die sich aus Schafhaltern und Verarbeitern zusammensetzt. Die eingesammelte Wolle muss aus der Schweiz stammen und hier auch mindestens sortiert, gewaschen und zur Weiterverarbeitung zu Endprodukten abgegeben werden.
Da es erst seit kurzem zwei Wäschereien in der Schweiz gibt, ist es den Verarbeitern erlaubt, ihre Wolle in den spezialisierten Wäschereien in Belgien waschen zu lassen. Für ein Kilogramm sortierte, gewaschene und zur Weiterverarbeitung abgegebene Wolle kriegen die Verarbeiter zwei Franken. Für innovative Projekte zur ökologisch und wirtschaftlich sinnvollen Verarbeitung der Wolle wird zusätzlich noch ein Beitrag ausgerichtet. Im Moment sind das 400'000 Franken im Jahr.
Hauptsache nicht im Kehricht
Für Marlies Schneider vom Schafzüchterverband ist die Situation heute nicht gar so schlecht, wie sie vor ein paar Jahren noch schien. Die Preise für die Schafhalter liegen heute für ein Kilo Schafwolle zwischen 35 Rappen und ungefähr zwei Franken, je nach Qualität und Rasse. Die IWZ habe am Schluss ungefähr 1.20 Franken bezahlt, was auch heute noch ungefähr den Durchschnitt ausmache. Noch in den 50er-Jahren wurden hingegen 10 Franken und später auch noch zwischen fünf und sieben Franken für ein Kilo Wolle bezahlt.
Das Allerwichtigste hingegen scheint für die Schafzüchter und für die Verarbeiter der Erhalt des einheimischen Rohstoffes zu sein. "Gemeinsam haben wir erreicht, dass der Grossteil der Schafwolle nicht im Kehricht sondern in den Verarbeitungskanälen landet", sagen alle Verantwortlichen unisono. Trotzdem geben sie nicht auf, durch stetes Informieren möglichst auch den hintersten und letzten Schafzüchter zu erreichen und ihm die Wolle seiner Schafe abzukaufen. Denn ein einziges Kilo Schafwolle zu entsorgen ist eines zu viel, da sind sich alle einig.
Von der Schaffarm zum Unternehmen
Johann Ulrich Grädel hat einen etwas anderen Weg eingeschlagen und verarbeitet bereits seit 1981 Schafwolle in seinem Unternehmen Spycher, Schweizer Handwerk in Huttwil. Rund 30 Tonnen Schafwolle von Schafzüchtern aus der ganzen Schweiz verarbeitet er pro Jahr. Bis vor zehn Jahren hat er die Wolle auch bei seinem Nachbar in einer Wäscherei waschen lassen. Heute wird auch seine Wolle in Belgien gereinigt. Für schöne Wolle bezahlt auch er ungefähr 1.20 Franken, für ganz schöne Wolle bis zwei Franken pro Kilogramm.
Er legt Wert darauf, die Wolle auf dem Tisch von Hand zu verlesen. Bis anhin hat er keine Subventionsbeiträge vom Bund bezogen, obschon er die Auflagen erfüllt hätte. Er spricht von einer Verzerrung des Marktes, wenn der Bund sogar Wäschereien subventioniert, die schwierig auszulasten sind mit Schweizer Schafwolle. In seinem Betrieb, die sich von der Schaffarm zu einem vielseitigen Unternehmen entwickelt hat, werden auch Kurse zur Wollverarbeitung angeboten.
Martin Keller von Swisswool spricht von marktkonformen Preisen die zugegebenermassen gering seien und die Schurkosten nicht decken, trotzdem aber auch in Kleinstmengen bar ausbezahlt werden. Hans-Ueli Scherrer vom Verein Fiwo erklärt, dass es für den Schafhalter besser sei, die Wolle bei ihnen in der Firma oder bei einer Sammelstelle abzugeben, als sie für teures Geld zu entsorgen.
Schafwolle kann's mit High-Tech Fasern aufnehmen
Während sich der Verein Fiwo auch dem Innovationswettbewerb des Bundes stellt und durch diese finanzielle Unterstützung ihre Firma mit zehn neuen Festarbeitsplätzen und 30 Arbeitsplätzen für Langzeitarbeitslose ausweiten konnte, fällt die Firma Swisswool bei der Möglichkeit Subventionen zu beziehen durch. Die Verordnung richtet nur Stützungsgelder an Wolle aus, die im Inland verarbeitet wird.
Martin Keller erhält nur ungefähr für fünf Prozent seiner Wolle einen Wollverwertungsbeitrag, für den grossen Rest wird die Wertschöpfung am Markt generiert. Sein Konzept mit den regionalen Sammelstellen, im Moment sind es 26, hat er mit seinem Geschäftspartner Friedrich Baur, Mitinhaber der Baur-Vliesstoffe aus Dinkelsbühl, Deutschland, so aufgestellt und umgesetzt. Seine Firma lässt die Wolle in Belgien waschen und liefert pro Waschtag 1,4 Tonnen Wolle an.
In seinem Betrieb gibt es keine Festangestellten. Bei den Sammelstellen arbeiten verantwortliche Personen, die auch entschädigt werden. Ein bis zwei temporäre Angestellte begleiten ihn auf seinen Sammeltouren. Sein fertiges Produkt lässt er von verschiedenen Partnern zu hochwertigen Kleidern, Bettwaren und Isolationen verarbeiten. Dank neuen Verarbeitungsverfahren ist es heute möglich, aus Schafwolle High-Tech-Textilien herzustellen, die sich im Vergleich zu hochwertigen synthetischen Fasern nicht verstecken müssen. Im Gegenteil, "Schafwolle wird im Outdoorbekleidungsbereich in Zukunft noch zulegen", ist Keller überzeugt.