Der Vorfall ereignete sich in der Nacht auf letzten Mittwoch auf einer Alp auf rund 2000 Metern in der Val S-charl an der Grenze zu Italien, wie dem Monitoring des Kantons Graubünden auf dessen Webseite zu entnehmen war. «Die Herde wurde von Hunden beschützt», ergänzte Puorger vom Amt für Jagd und Fischerei Graubünden auf Anfrage.
Im Seitental bei Scuol wurden bereits im Frühling Spuren eines Bären entdeckt.
Kanton Graubünden
Zwei Bären?
In den vergangenen Wochen häuften sich die Spuren und Sichtungen von Bären. Ende April wurden im Val S-charl bereits Fussabdrücke im Schnee gefunden. Rund 20 Tage später entdeckte eine Person einen Bären auf einer Weide oberhalb von Müstair im Val Müstair.
Einige Tage später wurden auch in Brail in der Gemeinde Zernez Spuren und Sichtungen gemeldet. Laut Puorger ist derzeit unklar, ob es sich um dasselbe Tier handelt. «Es ist aber möglich, dass es sich um zwei Bären handelt», erklärte Puorger Anfang Juni gegenüber sda.
Aus Italien
Jedes Jahr im Frühling werden in Graubünden Spuren gefunden oder Bären gesichtet. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um Tiere aus dem Trentino im benachbarten Italien, wo die Zahl der Bären in den letzten Jahren zunahm. Wird eine Spur entdeckt, informiert das Amt für Jagd und Fischerei in regelmässigen Abständen die Imker und Landwirte per SMS. Diese Praxis sei auch in diesem Fall eingehalten worden, sagte Puorger weiter.
Der letzte Angriff auf eine Herde auf rätischem Boden fand im August 2021 statt, ebenfalls im Unterengadin. Damals in der Val d’Uina und Val S-charl, wo ein Bär laut dem jährlichen Grossraubtierbericht ein Dutzend Schafe tötete. In den beiden folgenden Jahren wurden keine Übergriffe verzeichnet. 2024 wurde in der Gemeinde Valsot ein ungeschützter Bienenstock beschädigt.
2024 tappte Bär in Fotofalle
Vor einem Jahr wurden ebenfalls Spuren von einem jungen Bären entdeckt. Das junge Bärenmännchen tappte Anfang Mai im Schweizerischen Nationalpark in eine Fotofalle und hinterliess später Spuren im Unterengadin. Am 5. Mai wurden bei Ardez im Unterengandin erneut Spuren eines Bären gefunden. Die beiden Spurenfundorte liegen in der Luftlinie rund ein Dutzend Kilometer auseinander.
Damals war sich der Kanton nicht sicher, ob es sich um denselben Bären gehandelt hat. «In den letzten 20 Jahren sind über 20 Bären in die Nationalparkregion eingewandert», schrieb der Nationalpark auf Facebook.
2022 zwei Bären gesichtet
2022 wurden gar mehrere Spuren von mehreren Bären entdeckt. Fotofallen in zwei Unterengadiner Tälern hatten Mitte Juli je einen Bären abgelichtet. Die Fotofallen standen im Val S-charl bei Scuol und im Val d’Assa bei Ramosch.
«Von der Distanz her ist die Wanderung kein Problem», sagte Arno Puorger damals in einem Bericht der Zeitung «Die Südostschweiz». Die Wanderung hätte aber durch touristisch stark genutzte Gebiete sowie durch behirtete Alpen geführt. Von dort wurden aber keine Bären-Sichtungen gemeldet. «Das deutet eher auf zwei Bären hin», erklärte der Grossraubtier-Spezialist. Schäden wurde keine gemeldet.
Anfang Mai 2021 wurde ein Bär im Kanton Graubünden gesichtet . Im Münstertal wurden unterhalb des Piz Turettas Spuren im Schnee entdeckt. Der Bär zog über den Ofenpass weiter. Anschliessend wurden Spuren in Ardez und Tarasp im Unterengadin entdeckt.
Bär ist geschützt
Der Bär ist seit 1962 über das Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz der einheimischen wildlebenden Säugetiere und Vögel geschützt. Das Jagdgesetz hält zudem fest, dass die Kantone Massnahmen zur Verhütung von Wildschäden treffen und dafür sorgen, dass die Bevölkerung über die Lebensweise der wildlebenden Tiere, ihre Bedürfnisse und ihren Schutz ausreichend informiert wird.
Das Bärenmanagement ist im «Konzept Bär Schweiz» festgehalten und baut auf dem Grundsatz auf, dass ein Zusammenleben von Mensch und Bär unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist, wobei die Sicherheit des Menschen an erster Stelle steht. Der Braunbär war in der Schweiz fast 100 Jahre verschwunden, nachdem 1923 das letzte Mal ein vermutlich aus Italien eingewanderter Bär beobachtet worden war.
Keine aktive Wiederansiedlung vorgesehen
Im Trentino, rund 160 Kilometer südlich des Münstertals, wurden die Raubtiere mit einem Schutz-Programm extra wieder angesiedelt. Nachdem der Braunbär in der Schweiz fast 100 Jahre ausgerottet war, wandern seit 2005 regelmässig einzelne Tiere aus der italienischen Provinz Trentino in die Schweiz ein. Meist handelt es sich um umherziehende männlich Jungbären im Alter von etwa zwei Jahren. 2018 wurden Bären im Engadin und im Puschlav beobachtet. Eine aktive Wiederansiedlung von Bären ist in der Schweiz nicht vorgesehen.
Die Erfahrungen im Umgang mit Braunbären in der Schweiz sind geprägt von den starken Unterschieden zwischen den einzelnen Tieren, teilte der Bundesrat im Januar 2021 anlässlich des verabschiedeten Berichts über den Umgang mit Bären in der Schweiz mit. Viele waren unauffällig und wurden kaum bemerkt. Andere griffen Nutztiere an, beschädigten Bienenhäuser oder kamen menschlichen Siedlungen zu nah. Zum Schutz der Menschen musste 2008 und 2013 je ein Bär erlegt werden.