Der Schweizer Bauernverband (SBV) sieht in der Coronavirus-Krise die Zeit gekommen, den Selbstversorgungsgrad der Schweiz hochzuhalten.
Die Versorgungssicherheit sei ein sehr emotionales Thema. «Essen ist ein Grundbedürfnis und die Landwirtschaft setzt alles daran, dass es abgedeckt ist. Aktuell ist die Versorgung gewährleistet, auch dank der Pflichtlager», sagte der Direktor des Schweizer Bauernverbandes, Martin Rufer, in einem Interview mit den «Zeitungen der CH-Media» vom Mittwoch. Probleme erwartet er, wenn viele Erntehelfer und Mitarbeiter in der Lebensmittelverarbeitung ausfallen würden.
Selbstversorgungsgrad halten
Rufer sieht in der Coronavirus-Krise die Zeit gekommen, den Selbstversorgungsgrad der Schweiz hochzuhalten. «Ein gewisser Grad an Selbstversorgung ist wichtig», erklärte er. «Bisher hatten wir einen Selbstversorgungsgrad von knapp 60 Prozent. Unser Ziel ist, dieses Niveau zu halten», sagte Rufer. Ginge es nach dem Bundesrat, solle der Selbstversorgungsgrad aber mit der neuen Agrarpolitik auf 52 Prozent sinken. «Das ist für uns nicht akzeptabel», betonte er.
«Die Coronakrise zeigt auf, dass kurze, nicht globalisierte Wertschöpfungsketten durchaus ihre Vorteile haben. Die regionale Produktion mit kürzeren Wegen ist zuverlässiger und robuster, die globalisiere anfälliger», erklärte der Bauernverbandsdirektor.
Weitere Massnahmen im Visier
Er wehrt sich gegen den Vorwurf, eine hohe Selbstversorgung schütze die konventionelle Landwirtschaft. «Wir haben keinen abgeschotteten Markt. Die Schweiz braucht einen gewissen Grenzschutz, um ein angemessenes Preisniveau halten zu können», fährt er fort. Laut Rufer werden im Ausland viele Produkte nicht kostendeckend hergestellt und zu Dumpingpreisen auf den internationalen Märkten verscherbelt. «Wichtig ist, dass neben Zöllen künftig bei Importen auch Qualitätsstandards und Nachhaltigkeitskriterien eine Bedeutung gewinnen», forderte er gegenüber den «CH-Media»-Zeitungen.
Hier gebe es in der Schweiz Defizite. Und er spricht damit die Forderungen gewisser Kreise an, die Landwirtschaft auf die biologische Produktion umzustellen. «Die Landwirte in der Schweiz sind bereit, mehr Bio-Produkte herzustellen. Eine Herausforderung ist aber, dass die Nachfrage nach biologisch hergestellten Produkten dem Angebot nach wie vor hinterherhinkt», macht Rufer deutlich.
Gegen Pflanzenschutz-Initiativen
Eine klare Meinung hat der neue Direktor auch zu den Pflanzenschutzinitiativen. Die Trinkwasser- und Anti-Pestizid-Initiative sind aus der Sicht von Rufer nicht zielführend. Dies deshalb, weil die Produktion ins Ausland verlagert würde, wo tiefere Produktionsstandards gelten. «Eine Studie der Forschungsanstalt Agroscope besagt, dass der Selbstversorgungsgrad durch die Initiativen um bis zu 20 Prozent sinken würde. Bauern dürften praktisch kein Futter mehr zukaufen. In der Produktion wären sie so sehr stark eingeschränkt, allen voran in der Schweine- und Pouletmast oder in der Eierproduktion», warnt Rufer.
Für den neuen SBV-Direktor ist aber klar, dass man die Ansprüche der Gesellschaft ernst nimmt. Er verweist auf den Aktionsplan Pflanzenschutz. «Wir können aufzeigen, dass wir den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wo immer möglich reduzieren», erklärt er gegenüber den CH Media-Zeitungen.
Rufer hat das Amt des SBV-Direktors am 1. April angetreten. Der Bauernsohn leitete seit dem Jahr 2008 das Departement Produktion, Märkte und Ökologie des SBV und sitzt für die FDP im Solothurner Kantonsparlament. Der 43-jährigen Agraringenieur ist Nachfolger von Jacques Bourgeois.