Die überparteilich zusammengesetzte Parlamentarische Gruppe Landwirtschaft im Berner Grossen Rat sorgt sich um die Zukunft der Schweizer Zuckerbranche. Mit der Motion «Den Selbstversorgungsgrad der Schweiz mit Schweizer Zucker erhalten» wird die Berner Regierung aufgefordert, in Bundesbern eine Standesinitiative einzureichen. Im Kanton Thurgau wurde ein identischer Vorstoss eingereicht.
Die Schweizer Zuckerbranche geht einer ungewissen Zukunft entgegen. Obwohl im vergangenen Jahr die Bundesparlamentarier den Rübenpflanzern mit Einzelkulturbeiträgen und der Industrie mit einem Mindestgrenzschutz Hilfe zugesprochen haben, wird die Rübenfläche in diesem Jahr weiter sinken. Die Zuckerfabriken fürchten eine zu tiefe Auslastung, da die Rüben fehlen. Es droht eine Stilllegung in Aarberg BE oder Frauenfeld TG.
Die vom Parlament beschlossene Stützung der einheimischen Zuckerproduktion trat am 1. März 2022 in Kraft. Die Bestimmungen zur Stützung der einheimischen Zuckerwirtschaft waren bisher in einer Verordnung geregelt, nun stehen sie im Landwirtschaftsgesetz. Mit der Änderung des Landwirtschaftsgesetzes vom 1. Oktober 2021 hat das Parlament befristet bis 2026 die Stützung der inländischen Zuckerwirtschaft beschlossen: Weiterführung des Mindestgrenzschutzes von 7 Franken je 100 kg Zucker und des Einzelkulturbeitrags von 2100 Franken je Hektare Zuckerrüben sowie neu einen Zusatzbeitrag von 200 Franken je Hektare Zuckerrüben, die nach den Anforderungen der biologischen Landwirtschaft oder der integrierten Produktion angebaut werden. Nach Ablauf der ungenutzten Referendumsfrist am 20. Januar 2022 setzt der Bundesrat die Änderung am 1. März 2022 in Kraft.
Selbstversorgungsgrad von 70%
Die Parlamentarische Gruppe Landwirtschaft des Bernischen Grossen Rats und der Schweizerische Verband der Zuckerrübenpflanzer (SVZ) wollen auf politischen Weg der Branche weiter Unterstützung zusichern. Der Vorstoss «Den Selbstversorgungsgrad der Schweiz mit Schweizer Zucker erhalten» fordert nebst dem Erhalt des Selbstversorgungsgrades auch die Unterstützung für Forschungsprojekte, die die nachhaltige Ausrichtung des Zuckerrübenanbaus fördern. Sollte der Vorstoss überwiesen werden, muss die Berner Regierung in Bundesbern eine Standesinitiative einreichen.
Derzeit werden jährlich 240'000 Tonnen Zucker produziert. Das entspricht einem Selbstversorgungsgrad von rund 70%. Die als Nebenprodukte anfallenden Rübenschnitzel werden als Futtermittel eingesetzt. Die Grossräte und Produzenten sehen aber den Anbau der Zuckerrübe in Gefahr.

BEBV
«Geeignete Rahmenbedingungen»
«Ohne langfristige Unterstützung würde die Zuckerrübenproduktion weiter sinken und die beiden Zuckerfabriken in Aarberg und in Frauenfeld wären in ihrem Bestehen gefährdet. Nebst dem Verlust von Arbeitsplätzen würde die Schweiz auch den Einfluss auf Produktions‐Bestimmungen verlieren, diese würde vollständig dem Ausland überlassen», heisst es in einer Mitteilung des Berner Bauernverbandes (BEBV).
Deshalb sollen «geeignete Rahmenbedingungen» zum Erhalt der Selbstversorgung mit Schweizer Zucker beschlossen werden. So soll insbesondere die ökologische Ausrichtung gefördert werden. «Dazu gehören Forschungsprogramme zur Entwicklung gegen Krankheiten resistenter Rübensorten, die Forschung neuartiger, ökologischer Anbauarten und die Entwicklung von nachhaltigen Dünge‐ und Schädlingsbekämpfungsmethoden», heisst es weiter.
Auch im Kanton Thurgau
Ein Vorstoss mit praktische demselben Wortlaut wurde im Februar bereits im Thurgauer Kantonsrat eingereicht. Der FDP-Kantonsrat und Frauenfelder Stadtpräsident Anders Stokholm hat die Motion eingereicht, wie das St. Galler Tagblatt berichtete.
Stokholm strich die nachhaltigen Aspekte der Herstellung im eigenen Land hervor: «Die gesamte Produktionskette zur Gewinnung von Schweizer Zucker wird in Zukunft noch stärker nach ökologischen Gesichtspunkten ausgerichtet.» Weiter verlangt der Vorstoss von Stokholm, dass der Bund, «Bestimmungen erlässt, die den Selbstversorgungsgrad der Schweiz mit Schweizer Zucker zumindest auf dem Niveau der vergangenen Jahre erhält».

