Während den Festtagen präsentieren wir euch in regelmässiger Folge Artikel, die 2024 auf reges Interesse gestossen sind. Dieser Artikel wurde am 20. April 2024 erstmals publiziert.
Es ist eine Region, in der viele Pferde gehalten werden. Etliche Bauern bieten Pensionsplätze an, Patrick Oser aus Leymen im Elsass (Frankreich) jedoch nur fünf. Trotzdem fressen die meisten Pferde, die in den Pensionsställen von Leymen und Umgebung gehalten werden, sein Heu.
Oser schätzt, dass es etwa 70 Prozent sein könnten. Zusammen mit seinem Sohn Alexandre bewirtschaftet er einen etwa 100 Hektaren grossen Betrieb in einer Personengemeinschaft, einer französischen Eàrl. Das Heu, das die beiden auf ihren eigenen Flächen produzieren, verkaufen sie überwiegend an Pferdehalter.
Keine Zukunft für Milch
Bis vor sieben Jahren hat Oser etwa 100 Milchkühe gemolken. «Als der Preis für die Milch auf noch 35 Cents zusammengebrochen war, sahen wir die Zukunft nicht mehr in der Milchproduktion», erzählt Oser. Da sein Sohn Alexandre um diese Zeit seine Ausbildung zum Landmaschinenmechaniker abgeschlossen hat, bot sich die Möglichkeit einer Neuausrichtung. «Wir haben schon früher Lohnarbeiten gemacht», erzählt Oser, «allerdings nur in kleinem Rahmen und um unsere Maschinen besser zu amortisieren.»
Jetzt, da Alexandre Oser die meisten Unterhaltsarbeiten an ihren Landmaschinen selbst ausführen kann, gründeten sie eine GmbH, in Frankreich Sàrl genannt, als Lohnunternehmen. Im ehemaligen Kuhstall stehen heute daher etwa 20 verschiedene Landmaschinen. Es sind vor allem Maschinen, um Grasland zu bearbeiten.
«Wir bringen uns mit einer Art Arbeiten ein, die sonst kaum jemand macht, zumindest nicht in dem Ausmass», meint Alexandre Oser. Ausser auf ihren eigenen rund 100 Hektaren produzieren sie demnach Heu und Silage auf zusätzlichen rund 250 Hektaren. Dies sowohl in Frankreich als auch in der Schweiz.
Grenze existiert nicht
«Für uns existiert die Grenze praktisch nicht», meint Patrick Oser. Leymen gehört zum Elsass, und ist über die Tramlinie 10 der Baselland Transport AG (BLT), die das solothurnische Rodersdorf mit Basel verbindet, sogar ans öffentliche Verkehrsnetz der Schweiz angebunden.
Trotzdem bringt die schweizerisch-französische Grenze für Osers einige Herausforderungen. Nicht nur, weil sie jeweils gegen Ende Jahr mindestens einen halben Tag einplanen müssen, um am Schweizer Zoll die Mehrwertsteuern zu bezahlen. Sie müssen dazu nach St-Louis fahren – zum Autobahnzoll, um die in der Schweiz ausgeführten Lohnarbeiten abzurechnen.
Vater und Sohn in der Landmaschinenhalle
Christian Zufferey
Da müssen sie jeweils ein Ticket ziehen und warten, wie Patrick Oser erzählt. Denn obschon sie frühmorgens zum Zoll fahren, warten meist schon etwa 30, 40 Lastwagenfahrer vor ihnen auf die Abfertigung. Oser darf ausserdem nur mit Maschinen in der Schweiz arbeiten, die beim Zoll registriert sind.
Das gelte für alle Arten von Maschinen, die auf Rädern laufen, also nicht nur für Traktoren, sondern auch Ladewagen oder Ballenpressen. Den Kauf oder Wechsel von Maschinen planen sie daher meist so, dass sie dies mit der jährlichen Mehrwertsteuer-Abrechnung kombinieren können, um nicht eigens dafür noch einmal zum Zoll nach St-Louis fahren zu müssen.
Neue Einschränkungen
Seit zwei Jahren dürfen Osers zudem nur noch Lohnarbeiten für Schweizer Bauern in der Schweiz oder für französische Bauern in Frankreich ausführen – aber nicht mehr für Schweizer Bauern, die in Frankreich Flächen besitzen.
Für Osers unverständlich, zumal es sich um eine Einschränkung handelt, die ihm von Schweizer Seite aus auferlegt wurde. «Basierend auf einem aus einer Schublade geholten Gesetz aus den 1930erJahren», sagt Patrick Oser, «also lange, bevor die Schengen-Verträge ausgehandelt und unterzeichnet wurden.»
Seither fahren Osers öfter in die Schweiz – was mit Schweizer Lohnunternehmern zumindest anfangs zu Konflikten führte, weil sie ihre Dienstleistungen etwa 20 Prozent günstiger anbieten können. Dafür fahren Schweizer Lohnunternehmer nun öfter über die Grenze nach Frankreich. «Ob das ökologisch sinnvoll ist, bezweifle ich», meint Patrick Oser dazu.
Vor allem als Lohnunternehmer tätig: Patrick Oser
Christian Zufferey
Nehmen und Geben
Günstiger sind Osers vor allem aufgrund der tieferen Lebenshaltungskosten in Frankreich sowie geringeren Personalkosten. Sie beschäftigen einen Festangestellten und zeitweise zwei Saisonniers. Auch Plastik, etwa um Siloballen einzuwickeln, ist in Frankreich günstiger. In Frankreich müssen die Landmaschinen nicht mal vorgeführt werden, um sie zu versichern.
Weil Osers jedoch so häufig mit Schweizern zusammenarbeiten, nutzen sie für Reparaturen an ihren Landmaschinen, wenn Alexandre Oser sie als gelernter Landmaschinenmechaniker nicht selbst flicken kann, die Dienstleistungen von Schweizer Landmaschinen-Firmen. Nicht nur, weil diese näherliegen. «Wir nutzen sogar Traktoren, die wir in der Schweiz gekauft haben, im Sinn von fairem Nehmen und Geben», betont Alexandre Oser.
Alexandre Osers mit einem Pensionspferd
Christian Zufferey