In der vergangenen Woche wurden die Trinkwasser- und die Anti-Pestizid-Initiative im Nationalrat beraten. Die beiden Volksbegehren fanden keine Mehrheit. schweizerbauer.ch präsentiert eine Auswahl an Voten. Heute zeigen wir Euch die Rede von Beat Jans (SP/BL). -> Mit Video
Nationalrat Beat Jans (SP, BS) kämpfte in der Debatte zur Trinkwasser-Initiative für einen Gegenvorschlag. Mit Kritik am heutigen Zustand der Gewässer sparte er nicht.
«Sind das nicht Zahlen des Bauernverbandes?»
Wenn etwas klar sei in Sachen Pestizide, dann sei es der grosse Handlungsbedarf, betonte Nationalrat Beat Jans (SP, BS) gleich zu Beginn in seinem Votum. «Die Belastung unserer Bäche, Nahrungsmittel und vor allem des Trinkwassers mit Giftstoffen nimmt besorgniserregende Werte an. Wir alle wissen, dass es so nicht weitergehen kann“, so Jans. Er sprach direkt nach den beiden Kommissionssprechern, die sich gegen die Trinkwasser-Initiative und auch gegen einen Gegenvorschlag dazu ausgesprochen hatten, und kämpfte seinerseits mit zwei Anträgen für einen Gegenvorschlag (vgl. Kästen).
Jans hatte nicht eine halbe Minute gesprochen, als er zum ersten Mal den Schweizer Bauernverband ins Visier. Kommissionssprecher Marcel Dettling (SVP, SZ) hatte gesagt, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in den letzten zehn Jahren um 27 Prozent gesunken sei. Das stellte Jans in Frage. „Ich glaube mich daran zu erinnern, dass das Zahlen des Bauernverbandes waren und nicht offizielle Zahlen des Bundesrates.“ Der andere Kommissionssprecher, Olivier Feller (FDP, VD) klärte am Ende der neunstündigen Debatte auf: Die Menge der verkauften Pflanzenschutzmittel, die ausschliesslich in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt werden, ist laut Zahlen des Bundesamts für Landwirtschaft zwischen 2008 und 2017 tatsächlich um 27 Prozent gesunken. Feller zählte aber noch andere Zahlen aus der Vielzahl der Statistik auf.
„Bald müssen 7% der Trinkwasserfassungen schliessen“
Jans, der einst eine Bauernlehre absolviert hatte, bevor er an der ETH Umweltnaturwissenschaften studierte, zitierte den Verband der Wasserversorger, die politisch wirklich unverdächtige Leute seien. Der Verband warne und sage, dass bis in fünf, zehn Jahren etwa 7 Prozent aller Trinkwasserfassungen geschlossen werden müssen, und zwar wegen Konflikten mit der Landwirtschaft. „Immer mehr Fassungen werden mit Cocktails aus mehreren Pflanzenschutzmitteln angereichert. Deren Abbauprodukte sind problematisch; man weiss nicht, was sie für die Gesundheit der Menschen bedeuten“, führte Jans aus.
Hier hakte nachher Markus Hausammann (SVP, TG) ein, der Präsident der Thurgauer Landwirtschaft. Er dachte daran, dass 42 Prozent der Trinkwasserversorgungen in den letzten zwanzig Jahren nicht bundesrechtskonform geschützt worden sind. Diesen Prozentsatz wollte Hausammann von Jans wissen. Dieser antwortete: «Ich kann Ihnen sagen, warum sie nicht umgesetzt werden: wegen den Bauern!“ Man müsste die Einzugszonen weiter ausscheiden können, so Jans. Dort, wo viel und nah am Gewässer gespritzt wird, müssten die Versorger die Möglichkeit haben zu sagen: "Hier sollten Sie auch nicht spritzen." Das habe man in verschiedenen Kantonen versucht, sei aber am Widerstand der Bauern gescheitert.
„Grenzwerte bei 70% der Bäche überschritten“
Die Grenzwerte für die Pestizid-Belastung würden in 70 Prozent der gemessenen Bäche, die in ackerbaulich intensiv genutzten Gebieten liegen, überschritten. „Das sagt die ETH, also die Wasserwissenschafts-Fachleute des Bundes. So kann das nicht weitergehen. Das weiss die Bevölkerung, das weiss auch der Bundesrat“, betonte Jans. Deshalb habe der Bundesrat ja den Aktionsplan erlassen, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Schweiz zu senken.
Sein Rückweisungsantrag, den er beliebt machen wolle, verlange ja eigentlich nichts anderes, „als dass diese Versprechungen, die durch den Bundesrat gemacht wurden - dass er nämlich mit dem Aktionsplan und später auch in der Agrarpolitik weitere Massnahmen ergreifen werde - verbindlich festgehalten werden.“ Jans führte seine Beweggründe aus: „Dies deshalb, damit wir der Bevölkerung, bevor sie sich entscheiden muss, ob sie für oder gegen diese Initiativen ist, klaren Wein einschenken und sagen können: Das ist es, worauf ihr euch verlassen könnt.“
Bauernverband will nichts wissen
„Es steht auch ausser Zweifel, dass es zusätzliche Gesetzesanpassungen braucht. Der Bundesrat hat das ja im Rahmen der Agrarpolitik in Aussicht gestellt“, so Jans. Er kritisierte, dass genau der Bauernverband, der sage, dass er die Probleme in der Agrarpolitik lösen wolle, die wichtigsten Massnahmen zum Schutz des Trinkwassers ablehne, die der Bundesrat vorschlage.
„Der Bauernverband will nichts wissen von tieferen Höchsttierbeständen. Er will nicht einmal - und das müssen Sie sich mal auf der Zunge zergehen lassen -, dass man den Bauern Direktzahlungen kürzt, wenn sie gegen das Gewässerschutzgesetz verstossen. Nicht einmal diese Forderung unterstützt der Bauernverband, und das steht in der Vernehmlassungsantwort des SBV zur Agrarpolitik 2022 plus“, sagte zu seinen Ratskollegen
„Das Bisherige reicht nicht“
Der Rückweisungsantrag sei also nichts Neues, er verlange nur Verbindlichkeit. „Denn es ist völlig klar, dass das, was bisher gelaufen ist, nicht reicht. Das sagen uns ebenfalls die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Eawag, das sagen uns der Schweizerische Verein des Gas- und Wasserfaches und die kantonalen Umweltdirektoren“, so Jans.
Diese hätten unisono festgestellt, dass die bisherigen Massnahmen nicht reichten, um die Probleme zu lösen. „Vom Aktionsplan - er besteht aus 51 Massnahmen - ist bisher erst ein kleiner Teil verbindlich umgesetzt worden. Bei den anderen Massnahmen hapert es daran, dass es keine verbindlichen Hebel und bei Bund und Kantonen nicht genügend Ressourcen gibt“, kritisierte Jans.
Regionale Futtermittel sollen erlaubt sein
Ferner führte Jans seinen Antrag für einen direkten Gegenentwurf aus. Dieser orientiert sich eng am Initiativtext der Trinkwasser-Initiative, beseitigt aber die Passagen, welche sehr weitgehend sind und in der Umsetzung Probleme machen würden. Statt „Pestizide“, was laut Bundesrat auch giftige Pflanzenschutzmittel umfasst, die im Bio-Landbau eingesetzt werden will, wollte Jans sich auf „chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel“ beschränken.
Als Zweites schlug er vor, anstatt den Begriff "auf dem Betrieb" produzierte Futtermittel den Begriff "regional" produzierte Futtermittel zu nehmen. Doch Jans scheiterte mit beiden Anträgen im Plenum des Nationalrats. Es ist aber gut möglich, dass im Ständerat seine Anträge in derselben oder in einer ähnlichen Form im Namen einer anderen Person wieder eingereicht werden.
Rückweisung mit Auftrag zu indirektem Gegenvorschlag
Nationalrat Beat Jans (SP, BS) beantragte zusammen mit Mitstreiterinnen aus den Parteien SP und Grüne die Rückweisung an die Wirtschaftskommission, damit diese einen indirekten Gegenvorschlag (auf Gesetzesstufe) ausarbeitet. Der Antrag wurde vom Nationalrat mit 111 zu 78 Stimmen abgelehnt. Wörtlich lautete lautete der Antrag wie folgt:
Minderheit (Jans, Badran Jacqueline, Birrer-Heimo, Marra, Pardini, Rytz Regula)
Rückweisung an die Kommission mit dem Auftrag, zur Initiative eine Kommissionsinitiative im Sinne eines indirekten Gegenvorschlags auszuarbeiten. Dieser soll die rechtlichen Grundlagen des Gewässerschutzgesetzes, des Umweltschutzgesetzes und des Landwirtschaftsgesetzes dahingehend präzisieren:
1. dass die Risiken der Anwendung von Pflanzenschutzmittel (PSM) bis 2030 halbiert und die Anwendung von Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz gefördert werden (Ziel gemäss Aktionsplan Pflanzenschutzmittel),
2. dass ober- und unterirdische Gewässer, Nichtzielorganismen und Böden vor nachteiligen Ein¬wirkungen durch Pflanzenschutzmittel geschützt sind. Dieses Ziel gemäss Aktionsplan Pflanzen¬schutzmittel soll unter anderem durch eine verbesserte Zulassung erreicht werden.
3. dass der Fremdstoffeintrag (Nitrat, Pestizide und deren Abbauprodukte, sonstige Mikrover¬unreinigungen) in das Grundwasser, insbesondere in das als Trinkwasser genutzte oder dafür vorgesehene Grundwasser, deutlich sinkt.
Antrag für direkten Gegenvorschag
Nationalrat Beat Jans (SP, BS) beantragte zusammen mit Kolleginnen aus den Parteien SP, Grüne und GLP einen direkten Gegenvorschlag (auf Verfassungsstufe). Dieser zielte auf Artikel 104 der Bundesverfassung und wollte diese wie folgt ändern. Der Antrag wurde mit 116 zu 73 Stimmen abgelehnt.
Die Bundesverfassung vom 18. April 1999 wird wie folgt geändert: Art. 104 Abs. 1 Bst. a, 3 Bst. a, abis, e und g sowie 4
1 Der Bund sorgt dafür, dass die Landwirtschaft durch eine nachhaltige und auf den Markt ausgerichtete Produktion einen wesentlichen Beitrag leistet zur:
a. sicheren Versorgung der Bevölkerung mit gesunden Lebensmitteln und sauberem Trinkwasser;
3 Er richtet die Massnahmen so aus, dass die Landwirtschaft ihre multifunktionalen Aufgaben erfüllt. Er hat insbesondere folgende Befugnis¬se und Aufgaben:
a. Er ergänzt das bäuerliche Einkommen durch Direktzahlungen zur Erzielung eines angemessenen Entgelts für die erbrachten Leistungen, unter der Voraussetzung eines ökologischen Leistungsnachweises, der insbesondere die Erhaltung der Biodiversität, einen Pflanzenbau, welcher grundsätzlich auf synthetische Pflanzenschutzmittel verzichtet, und einen Tierbestand, der mit regional produziertem Futter ernährt werden kann, umfasst;
abis.Er stellt zum Schutz von Mensch und Um¬welt sicher, dass die Stickstoffemissionen der Landwirtschaft die rechtlichen Limiten nicht überschreiten;
e. Er kann die landwirtschaftliche Forschung, Beratung und Ausbildung fördern sowie Investitionshilfen leisten, sofern damit die Landwirtschaft im Hinblick auf die Buchstaben a, abis und g sowie auf Absatz 1 unterstützt wird;
g. Er schliesst Landwirtschaftsbetriebe von Direktzahlungen aus, die Antibiotika in der Tierhaltung prophylaktisch einsetzen oder deren Produktionssystem einen regelmässigen Einsatz von Antibiotika nötig macht.
4 Er setzt dafür zweckgebundene Mittel aus dem Bereich der Landwirtschaft und allgemeine Bundesmittel ein, überwacht den Vollzug der Vorschriften sowie die erzielten Wirkungen und informiert die Öffentlichkeit regelmässig über die Ergebnisse dieser Überwachung.


