Ein Forschungsteam entschlüsselt die molekulare Grundlagen des Kampfes zwischen Stieleichen und ihren Fressfeinden. So verderben Bitterstoffe den Eichenwickler-Raupen den Appetit. Die Blätter werden so nicht kahlgefressen.
Wehrlos? Von wegen! «Bäume verfügen über ein ganzes Arsenal an Möglichkeiten, Schädlinge, die sie befallen, im Zaum zu halten», schreibt das Thünen-Institut.
Phytochemikalien
Im Laufe der Evolution haben zum Beispiel manche Stieleichen (Quercus robur) die Fähigkeit entwickelt, bei Befall durch Eichenwickler, deren Raupen die Bäume kahlfressen können, flüchtige Signalstoffe abzugeben. Diese chemischen Substanzen halten die weiblichen Eichenwickler-Falter davon ab, den Wirtsbaum zu finden und Eier zu legen. Dies ist jedoch nicht die einzige Abwehrstrategie.
Eichenblätter enthalten eine Vielzahl von sekundären Pflanzenstoffen, sogenannte Phytochemikalien, die für den Baum nicht lebensnotwendig sind, aber eine wichtige Rolle bei den Pflanzen-Insekten-Interaktionen spielen. Einige dieser niedermolekularen Verbindungen können den Eichenwickler-Raupen förmlich den Appetit verderben und ihr Wachstum beeinträchtigen.
Helmholtz Munich, Thünen-Institut
Metabolom
Forschende des Thünen-Instituts für Forstgenetik und des Helmholtz Zentrums München haben nun das «Gesamtpaket» dieser chemischen Substanzen, die im Stoffwechsel der Bäume gebildet werden – das sogenannte Metabolom – näher untersucht. Dafür haben sie Eichen, die von Eichenwickler-Raupen stark in Mitleidenschaft gezogen werden, mit solchen verglichen, die einen Befall relativ gut tolerieren.
Lassen sich zwischen den anfälligen und den toleranten Bäumen Unterschiede im Blatt-Metabolom finden? «Tolerante Eichen investieren mehr Ressourcen in die Synthese von bitteren Polyphenolen. Diese machen als sogenannte Antifeedantien die Blätter für die Raupen schwerer verdaulich», sagt Hilke Schröder vom Thünen-Institut für Forstgenetik.
Raupen passen sich an
Das Forschungsteam hat sich auch den Speichel und den Kot der Raupen näher angeschaut, um herauszufinden, was mit den Blattbestandteilen während und nach der Verdauung geschieht. Die Forschenden fanden heraus, dass pflanzliche Sekundärmetabolite (z. B. Flavonoide; eine zu den Polyphenolen gehörende Gruppe) länger erhalten bleiben und nicht so schnell abgebaut werden wie die Verbindungen aus dem Primärstoffwechsel (z. B. Kohlenhydrate). Darüber hinaus weisen die Stoffwechselreaktionen auf unterschiedliche Abbauwege hin, die die Larven für die Blätter der toleranten bzw. anfälligen Eichen nutzen.
Von Interesse waren auch die Mikroorganismen im Darm der Insekten (das sogenannte Mikrobiom), da die Darmflora eine entscheidende Rolle bei der Verdauung spielt. Die Forschenden fütterten Eichenwickler über mehrere Generationen hinweg mit Blättern, die entweder nur von anfälligen oder nur von toleranten Eichen stammten.
Interessanterweise blieb die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Darm relativ konstant, unabhängig von der Art der Blätter, die den Raupen als Futter dienten. Das deutet darauf hin, dass die Darmflora relativ stabil ist und sich nur wenig an das verfügbare Futter anpasst. Dennoch waren die Eichenwickler-Raupen in der Lage, die ungünstigen Eigenschaften der pflanzlichen Abwehrstoffe zu minimieren – wenn auch unter Einbussen ihrer Wachstumsgeschwindigkeit und ihrer Fitness.