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So sehen die Chefs die Agrarwelt

Gleich drei Spitzenmanager traten am Jahreskongress der Internationalen Vereinigung der Agrarjournalisten (IFAJ) im Kursaal in Interlaken BE auf. Für sie alle ist die «Wissenschaft» die Richtschnur ihres Denkens und Tuns.

Als Emmi-Präsident Urs Riedener die Bühne in Interlaken vor 300 Agrarjournalisten aus aller Welt betrat, schwebten noch die Worte von Christophe Barman von der Westschweizer Konsumentenvereinigung und von Jonas Schälle, der für den Umweltverband Birdlife Schweiz arbeitet, im Kongressraum in Interlaken. Die beiden hatten mit Vehemenz gesagt, die Schweizer Konsumenten verlangten eine grünere Schweizer Landwirtschaft.

Riedener relativierte dies mit folgenden Worten: «Es gibt eindeutig eine Differenz zwischen Absicht und Verhalten. Wir stellen fest, dass Nachhaltigkeit nicht das Einzige ist, das Konsumenten wollen. Qualität und Preis sind beim Kaufentscheid im Laden sehr wichtig.»

Auch Fritz Glauser, der Vizepräsident des Schweizer Bauernverbands, stiess bei seiner Ansprache am selben Vormittag ins selbe Horn. Er sagte es so: Der Stimmbürger will Bienen, der Konsument Lebensmittel; der Stimmbürger will hohe Standards, der Konsument will tiefe Preise; der Stimmbürger will Ernährungssicherheit, der Konsument die freie Wahl. 

«Es handelt sich um ein System»

Nach Riedener sprachen am Gipfeltreffen der Firmenchefs Mark Schneider, Chef von 270 000 Nestlé-Angestellten, und Jeff Rowe, Chef von 60 000 Syngenta-Angestellten. Den Organisatoren des Kongresses der internationalen Agrarjournalistenverbands (IFAJ) um OK-Präsident Roland Wyss (Chefredaktor foodaktuell.ch) und Markus Rediger (bis 2023 Geschäftsführer des Landwirtschaftlichen Informationsdienstes LID) war es also gelungen, gleich mehrere hochkarätige Redner zu gewinnen. 

Schneider kritisierte, dass sich viele Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in ihren Kampagnen auf einen einzigen Punkt fokussierten, statt an das Ganze zu denken und zu berücksichtigen, dass es sich um komplexe Systeme handelt. «Wenn man da ein kleines Puzzleteil ändert, kann das grosse Auswirkungen haben», so Schneider. Also müssten Optionen in allen Konsequenzen analysiert werden. 

Rowe argumentierte, dass die Firmen selbst und die Regierungen strikt wissenschaftlich («science-based») argumentieren sollten, und er würde das eigentlich auch von den NGOs erwarten. Schneider und Riedener, die in der von Roland Wyss moderierten Diskussion daneben standen, nickten. Riedener sagte: «Gewisse NGOs machen es sich einfach. Sie setzen Behauptungen in die Welt, die uns viel zu tun geben. Bei einer Firma wie Emmi steht die Reputation auf dem Spiel, wenn wir nichtbelastbare Aussagen machen», so Riedener.

Auch an die ökonomische Nachhaltigkeit denken

Rowe sagte, Syngenta wolle die landwirtschaftlichen Betriebe befähigen («empower»), die Firma wolle rentable Betriebe, und er stellte klar: «Auch in der Landwirtschaft ist der ökonomische Aspekt der Nachhaltigkeit wichtig. Ohne ihn geht es nicht.»

Schneider sagte, zu Recht und sinnvollerweise seien die Landwirte konservativ, da ein Totalausfall einer Ernte Unternehmen in der Existenz bedrohen könne. Auch Rowe strich heraus, dass «Farmer» grösseren Risiken ausgesetzt seien als andere Unternehmungen. Ihm mache Sorgen, dass die Einkommen in der US-Landwirtschaft im Jahr 2024 um 27 % tiefer ausfielen als im Vorjahr, es sei der grösste Einbruch aller Zeiten. Darum war «Übernahme von Innovationen» als Herausforderung für die Landwirtschaftsbetriebe auf einer Folie Rowes notiert (vgl. Foto). Man müsse schrittweise vorgehen, und es brauche Hilfestellungen.

Was er nicht sagte: Von diesen Hilfen können Betriebe abhängig werden. Nestlé und Emmi wollen im Klimaschutz «netto null» erreichen. Syngenta-Chef Rowe betonte, die Pflanzenzüchtung auf mehr Toleranz bei Hitze- und Trockenheitsstress mache «dramatische» Fortschritte, auch nannte er das Beispiel einer von Syngenta gezüchteten Tomatensorte, die gegen die Krankheit ToBRFV immun sei. 

Der Syngenta-CEO ist auch Farmer

Für Nestlé und für Syngenta ist die regenerative Landwirtschaft die Richtschnur für die landwirtschaftliche Praxis (vgl. die zwei Folien oben). Rowe strich hervor, auf der Farm seiner Familie im Staat Illinois (laut NZZ 1200 Hektaren mit Mais und Soja, seine Eltern würden den Grossteil der Arbeit machen, der CEO sitze aber zur Erntezeit auch auf einem Mähdrescher) würden auch regenerative Praktiken eingesetzt. «So weiss ich als Farmer selbst, dass das anspruchsvoll ist. Aber wir sehen die positiven Resultate, wir haben etwa weniger Erosion.» Man sei immer noch am Ausprobieren, wie Roggen als Zwischenfrucht am besten eingesetzt werden könne. 

Rowe sagte: «Es gibt Zielkonflikte, und diese müssen wir ansprechen.» So sei er bei einem Biobauer gewesen, der extrem tief pflügen müsse, weil er sich bei der Feldhygiene nicht anders helfen könne. Man wisse aber  inzwischen, dass Pflügen den Mikororganismen im Boden stark schade. In den USA habe sich eine NGO dafür eingesetzt, dass ein Syngenta-Herbizid zugelassen bleibe, weil ohne dieses mehr gepflügt werden müsse. Aber man solle nicht denken, er wolle möglichst viele Herbizide einsetzen – nur so viel wie nötig, sei die Devise. Man habe die Wirkstoffmengen teilweise um den Faktor 100 reduziert, sagte der Amerikaner und strahlte einen Optimismus aus, der sicher einige Gäste ansteckte.

Bundesrat Parmelin 

Bundesrat Guy Parmelin eröffnete den Kongress mit einem Grusswort. In der Kaffeepause zeigte sich, dass viele ausländische Journalisten sich nicht bewusst waren, dass Parmelin nach der landwirtschaftlichen Lehre zusammen mit seinem Bruder einen Landwirtschaftsbetrieb geführt hat, während er als Milizpolitiker tätig war. Wie so oft wurde auch nicht verstanden, dass Parmelin kein Agrarminister ist, der von einem Premierminister entlassen werden kann (als Beispiel: die deutsche Bundeskanzlerin Merkel entliess 2012 den Umweltminister Norbert Röttgen). Parmelin ist eines von sieben gleichberechtigten Mitgliedern der Kollegialregierung. Er ist für vier Jahre gewählt. Nach Parmelin sprach auch Christian Hofer, der Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft. sal

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