23 Personen erkundeten Ende Juni im Rahmen der Schweizer Bauer-Leserreise während 10 Tagen die russische Landwirtschaft und Kultur. Im Tagebuch-Blog werden die vielen Reiseerlebnisse aus Russland festgehalten. Freut euch über zahlreiche Bilder und Kurzvideos aus dem grössten Land Europas.
Einmal einen Kolchose-Stall von innen sehen, das wäre es doch. Aber nicht einen umgebauten oder modernen, sondern einen Stall, der in seiner Form noch so daherkommt, wie in den Zeiten des Sozialismus.
Diese Chance hatten die Teilnehmer der Schweizer Bauer-Leserreise bei einem ungeplanten Besuch des Betriebs des Privatbauern Alexander. Vor 15 Jahren konnte Alexander einen Viertel einer ehemaligen Kolchose erwerben und sich selbständig machen. Der Betrieb umfasst heute 500 Hektaren, davon sind 60ha im Besitz von Alexander, der Rest ist gepachtet.
220 Tiere und über 30°C
Zu Fuss nähern wir uns dem Betrieb. Auf der linken Seite erblicken wir die stählernen Überreste eines Stalles oder vielleicht auch einer ehemaligen Maschinenhalle. Auf der rechten Seite thront auf einem Erdhügel ein alter Traktor, der seine besten Zeiten hinter sich hat und dessen Batterie wohl flach liegt.
Unser Objekt der Begierde ist der Milchviehstall, der 220 Tiere beherbergen soll. Wir wissen nicht, was uns hinter der Stalltür erwartet. Draussen ist es still, seit Beginn unserer Leserreise liegt die Temperatur bei über 30°C.
Ein riesiger Anbindestall
Neugierig nähern wir uns dem Stall. Der Besuch dieses Privatbetriebes war nicht im Reiseprogramm aufgeführt, umso gespannter sind wir. Uns erwartet ein riesiger Anbindestall mit mehreren Lägern, wie aus Kolchosezeiten. Der Stall ist jedoch halb leer.
Die Milchkühe befinden sich auf der Weide. Übrigens ohne Zaun, sie werden den ganzen Tag über von einem Kuhhirten gehütet. Im Stall selber finden wir einen Teil der Aufzuchtrinder vor. Die übrigen Rinder halten sich draussen auf, in einem unbefestigten Auslauf mit Unterständen.
Die Läger sind mit Sägemehl eingestreut, in den Futterkrippen befindet sich Gras und eine tote Ratte. Oder eine XXL-Feldmaus, ganz genau kann man das bei dämmrigen Licht nicht bestimmen.
Fahrsilos sind leer
Alexander erzählt uns, dass seine Kühe im Schnitt 5‘500kg Milch geben. Er beschäftigt zehn Mitarbeiter, fünf davon sind Traktorfahrer. Das gesamte Futter wird selber produziert, nur die Mineralstoffe werden dazu gekauft.
Doch die grossen Fahrsilos stehen leer und sind überwachsen. Dafür, dass seit 15 Jahren wieder aktiv gewirtschaftet wird, macht der Betrieb nicht einen sehr gesunden Eindruck. Es ist als ob der Zerfall einfach etwas verlangsamt worden wäre, aber leise und stetig weiter geht. Wie an so vielen Orten fehlt auch hier wieder einmal das Geld.