An der Käsereitagung der Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP) von Donnerstag in Sempach LU standen die Sortenorganisationen im Zentrum. Sind Gruyère AOP oder Emmentaler AOP überholt? Oder haben sie weiter ihre Berechtigung? Sortenorganisationen und Händler waren teils unterschiedlicher Meinung.
Sortenorganisationen pflegen ihre Produkte und versuchen ihre Marke bestmöglich am Markt zu positionieren. Ein Erfolgsmodell ist insbesondere der Gruyère AOP, der vor allem westlich von Bern produziert wird.
Doch nicht alle Regionen profitieren von Sortenorganisationen. So auch die Zentralschweiz. Das Thema der diesjährigen Käsereitagung - Unsere Sortenorganisationen – alles Auslaufmodelle? - sei deshalb etwas gewagt, aber insbesondere aus Sicht Zentralschweiz durchaus berechtigt, sagte Pirmin Furrer, Geschäftsführer der ZMP, zu den rund 100 Gästen.
Emmentaler: Neue Produkte
Die Vortragsreihe eröffnete Daniel Meyer, Präsident der Sortenorganisation Emmentaler Switzerland (ES). Das aktuell schrumpfende Marktumfeld sei sehr anspruchsvoll, führte er aus. Italien als grösster Exportmarkt laufe immer noch gut im Vergleich zu den anderen Exportmärkten, die sich wieder auf das Niveau vor Corona abgeschwächt haben. «In den letzten Jahren hat es die ES geschafft, für die Milchproduzenten eine höhere Wertschöpfung zu generieren», sagte Meyer
Die ES begegnet der zunehmend schwierigen Marktsituation mit Produktentwicklungen wie zum Beispiel dem Urtyp. In Exportmärkten wie Italien wurde ein Scheibenkäseprojekt lanciert. Man müsse aber wissen, dass solche Projekte nicht in jedem Land gleich gut funktionieren, führe Meyer aus. Und der Aufbau neuer Märkte wie Polen sei anspruchsvoll.

Emmentaler Switzerland
Bei Jungen nicht mehr gefragt
Sorgen macht der Sortenorganisation der rückläufige Inlandmarkt. Emmentaler AOP verliere in der Schweiz vor allem bei der jungen Konsumentengruppe. Der Käse gehöre bei den Millennials (20- bis 40-Jährigen) zunehmend nicht mehr zur relevanten Auswahl bei den Käseprodukten. Hier gelte es, diese Anspruchsgruppe mit dem Produkt respektive der Marke wieder besser zu erreichen, machte Meyer deutlich.
Und er sieht beim Emmentaler Potenzial. Nachhaltigkeit, Regionalität und gesunde Ernährung seien wichtige Themen. «Hier hat der Emmentaler AOP gute Karten, denn die Marke und die Produktewahrheit entsprechen diesen Werten. Hierfür ist nun eine Kampagne in den Exportländern und in der Schweiz geplant, auch auf den Kanälen, wo die Millennials erreicht werden», sagte der Meyer.
«AOP ist ein Muss»
Zu Gast an der Käsereitagung war auch der Direktor der Interprofession du Gruyère, Philipp Bardet. Für ihn ist eine Sortenorganisation ein Muss für einen AOP-Käse. Zum einen würden gewisse Regeln für die Wertschöpfungskette gelten, zum anderen schütze die Sortenorganisation das Produkt, die Qualität. «Und sie ist für das Gleichgewicht am Markt und die Werbung zuständig», sagte Bardet. Die Alter-native dazu sei der völlig freie Markt, der aber primär der ersten Stufe diene.
Bardet führte weitere Vorteile der geschützten Ursprungsbezeichnung AOP aus. Diese sei zwar nicht direkt ein Label und existiere nur durch ein historisches Produkt. «Mit AOP hat das Produkt einen geschützten Namen. Im Pflichtenheft sind wichtige Eckpunkte wie Fütterung, Milchqualität, Herstellung, Rückverfolgbarkeit und Qualitätskontrolle sowie Reifung und Etikettierung definiert. Dies sind alles Werte, die für die Konsumentinnen und Konsumenten wichtig sind», führt er aus.

zvg
Gruyère: Optimistisch trotz Rückschlag
Die Sortenorganisation mussten in wichtigen Exportmarkt USA einen Rückschlag hinnehmen. Ein Rechtsstreit zum Markenschutz von Le Gruyère AOP ging verloren. Philipp Bardet ist zuversichtlich, dass hier noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Die Sortenorganisation werde weiterkämpfen.
Und er gibt sich optimistisch. Le Gruyère müsse sich nicht neu erfinden und kenne bereits eine Differenzierung, beispielsweise Alp-Gruyère oder Bio. Le Gruyère AOP stehe für 6'000 Arbeitsstellen, davon 1'800 Milchproduzenten, 155 Käser, 57 Alp-Produzenten und 11 Handelsfirmen. Pro Jahr werden rund 380 Mio. Liter Milch verarbeitet, daraus entstehen 32'800 Tonnen Käse.
Sortenorganisationen fehlt Differenzierung
Ein wenig skeptischer betrachtet Marc Muntwyler, Leiter Category Management/Beschaffung Frische 2 bei Coop, die Zukunft der Sortenorganisationen. Der Pro-Kopf-Konsum von Käse sei mit 21 kg seit 2017 stabil. Billigimporte würden an Bedeutung gewinnen. Und trotz Überkapazitäten würden in der Schweiz weitere Käsereien gebaut.
Er wies auch auf die Entwicklung bei den Konsumierenden hin. Diese suchten innovative Produkte. Insbesondere regional lokal produzierten Käse. Die Konsumenten möchte die Geschichte hinter dem Produkt erfahren. Käse sei ein Lebensgefühl.
Sortenorganisationen würden wichtige Leistungen wie Werbung für ihre Käse erbringen. Muntwyler fehlt die die Differenzierung der Produkte. Die Markttendenzen wie Bio oder Regionalität würden von den Sortenorganisationen zu wenig wahrgenommen, kritisierte er. Mehr Wertschöpfung sei durch Differenzierung möglich. Trends müssten aufgenommen werden, und es brauche mehr Innovation wie beispielsweise der kürzlich lancierte Simmentaler Käse.
Exportgut ist der Käse
Für Reformen bei den Sortenorganisationen plädierte auch der Leiter Geschäftsbereich Käse der Emmi Gruppe, Josef Wyss. 2022 sei ein schwieriges Jahr, alle Käsesorten hätten an Absatz verloren. Der Corona-Effekt führe zu einem etwas verzerrten Bild, man müsse hier die langfristige Marktentwicklung anschauen. Der Gesamtmarkt im Inland sei in der langfristigen Entwicklung gewachsen, verliere aber Marktanteile durch den Käseimport. Le Gruyère AOP habe ein beständiges Wachstum, Emmentaler AOP verliere, so Wyss.
Sortenkäse sind für Emmi von strategischer Bedeutung, insbesondere im Export. Das Sortenkäse-Business müsse wirtschaftlich gesund bleiben. «Es braucht eine minimale Rentabilität. Emmi tätige Investitionen, um die Technologieführerschaft in der Affinage von Sortenkäse auch künftig zu sichern. Das Exportgut der Schweizer Milchwirtschaft ist Käse», stellte Wyss klar.

ZMP
Reformen bei Sortenorganisationen gefordert
Die Strategie der Sortenorganisationen für eine standardisierte ausgeglichene Qualität unterstützt Wyss. Die Konsequenz davon sei jedoch die Austauschbarkeit zwischen den einzelnen Händlern. «Bei einigen Sortenorganisationen ist in der Vergangenheit keine absatzorientierte Mengensteuerung betrieben worden», sagte Wyss.
Das System der Sortenorganisation komme besonders bei sinkenden Mengen an seine Grenzen, dies wegen Interessenskonflikten unter den Akteuren in der Sortenorganisation. Wichtig seien deshalb keine Überbestände, denn Mengendruck führe nicht zu Mehrverkauf, sondern zu Margenerosion, mahnte Wyss. Er fordert Reformen, um neue moderne Strukturen zu bilden. Partikularinteressen müssten abgebaut werden, die Führungsgremien sollten fachlich gestärkt werden, fuhr er fort. Die Sortenorganisationen hätten die finanziellen Mittel, damit sie Reformen angehen könnten. Neutrales Handeln zwischen und in den Anspruchsgruppen sei wichtig. Die Strategie müsse konsumentenorientiert sein, Absatzbedürfnisse müssen generiert werden.



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