Gelingt es der bürgerlichen Allianz, die linke Mehrheit in der Waadtländer Regierung zu knacken? Das ist die grosse Frage vor dem zweiten Wahlgang der Staatsratswahlen am 10. April. Nachdem im ersten Wahlgang nur die FDP-Politikerin Christelle Luisier gewählt wurde, kämpfen acht Kandidaten in der Stichwahl um die verbleibenden sechs Sitze.
Die rechte Allianz schickt Isabelle Moret (FDP), Frédéric Borloz (FDP), Michaël Buffat (SVP) und Valérie Dittli (Die Mitte) ins Rennen. Das linke Bündnis tritt erneut mit Nuria Gorrite (SP), Rebecca Ruiz (SP), Cesla Amarelle (SP) und Vassilis Venizelos (Grüne) an. Am späten Nachmittag des kommenden Sonntags werden zwei von ihnen auf der Strecke bleiben.
Linke will Mehrheit verteidigen
Die Linke, die seit zehn Jahren die Mehrheit in der Kantonsregierung stellt, versucht, ihre vier Sitze zu verteidigen. Sie geriet jedoch im ersten Wahlgang vom 20. März in Schwierigkeiten. Keine der drei bisherigen sozialdemokratischen Ministerinnen wurde gewählt. Nuria Gorrite und Rebecca Ruiz landeten nur auf den Plätzen vier und fünf hinter drei Freisinnigen. Cesla Amarelle erreichte nur Platz acht, hinter einem SVP-Mann und einer Mitte-Frau.
Der Kandidat der Grünen, Vassilis Venizelos, kam auf den neunten Platz. Der Grossrat aus Yverdon strebt den Platz der bisherigen Staatsrätin Béatrice Métraux an, die Ende Juni in den Ruhestand geht.
Rechte in besserer Ausgangslage
Die bürgerliche Allianz konnte im ersten Wahlgang einen ersten Erfolg verbuchen. Die Freisinnige Christelle Luisier, die im Laufe der Legislaturperiode 2020 nachgerückt war, erreichte als Einzige knapp das absolute Mehr (50,08 Prozent), vor ihren Parteikollegen Isabelle Moret und Frédéric Borloz.
Die Nationalrätin und der Nationalrat hatten einen Vorsprung von einigen hundert Stimmen gegenüber den SP-Frauen Gorrite und Ruiz. Zu diesem Dreifachsieg der FDP kam noch das gute Ergebnis der beiden anderen Mitglieder der «Alliance vaudoise» hinzu. SVP-Kandidat Buffat erreichte Platz sechs, vor der Präsidentin der Mitte Waadt Valérie Dittli.
Nach dem ersten Wahlgang haben die beiden Blöcke ohne grosse Diskussionen entschieden, ihre Kandierenden erneut aufzustellen. Die anderen 16 Bewerber warfen das Handtuch oder verpassten die Stichwahl, weil sie an der Hürde von mindestens 5 Prozent der Stimmen scheiterten.
Vier «Aussenseiter» für zwei Sitze
Experten sind sich einig, dass Isabelle Moret, Frédéric Borloz, Nuria Gorrite und Rebecca Ruiz die Wahl ohne grosse Sorgen schaffen dürften. Bei den beiden letzten Sitzen wird es ihrer Ansicht nach zu einem harten Kampf zwischen den «Aussenseitern» Cesla Amarelle, Vassilis Venizelos, Michaël Buffat und Valérie Dittli kommen. Diese Bewerber lagen im ersten Wahlgang nur rund 3000 Stimmen auseinander.
Einige Beobachter sagen auch ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Kandidaten der Grünen und demjenigen der SVP voraus. Doch eine Umfrage, die vergangene Woche veröffentlicht wurde, hat die Karten neu gemischt.
Diese sieht die Jungpolitikerin Dittli mit 46 Prozent der Stimmen an fünfter Stelle, gefolgt von Amarelle (44 Prozent), Vassilis Venizelos (42 Prozent) und Michaël Buffat (39 Prozent), ziemlich deutlich hinter ihrer Mitbewerberin von der Mitte-Partei. Die Wahl der 29 Jahre alten gebürtigen Zugerin wäre eine grosse Überraschung im Kanton Waadt.
Eine Frage der Mobilisierung
Die Linke begründete ihr schlechtes Abschneiden in der ersten Runde mit der geringen Wahlbeteiligung von lediglich 34 Prozent. Sie wollte darum mobilisieren, um zweiten Wahlgang mehr Menschen an die Urne locken. Helfen dürfte der SP und den Grünen zudem, dass sie auf Stimmen der Partei der Arbeit (POP), der radikalen Linken und des Unabhängigen Toto Morand zählen können. Die Grünliberalen gaben keine Wahlempfehlung ab.
Ausserdem ist die bereits erfolgte Wahl von FDP-Frau Luisier nach Ansicht eines Politologen nicht zwingend eine gute Nachricht für die bürgerliche Allianz. «Sie ist ein Faktor der Demobilisierung», sagte René Knüsel, Honorarprofessor der Universität Lausanne, nach dem ersten Wahlgang. Dies vor allem, weil es der Rechten generell etwas schwerer falle als der Linken, im zweiten Wahlgang zu mobilisieren.