Oswald Kessler, Präsident der Sortenorganisation Gruyère (IPG), kämpft für strengere Richtlinien und will damit das regionale Handwerk retten. Er zählt auf die Konsumenten und nimmt deren Anforderungen an den Gruyère ernst.
1900 Gruyère-Milchproduzenten, 165 Käsereien, 52 Alpungs- und 9 Veredlungsbetriebe – jeder einzelne dieser Spezialisten ist verantwortlich dafür, dass 2017 rund 28500 Tonnen Gruyère AOP erfolgreich hergestellt und verkauft werden konnten. An der Delegiertenversammlung der Sortenorganisation Gruyère in Cernier NE wurden sie von 20 Produzenten, 20 Käsern, 9 Händlern sowie dem Präsidenten Oswald Kessler vertreten.
Erfolgreicher Gruyère
Erfolgreich? Nachfolgend einige Punkte, die den Begriff «Erfolg» rechtfertigen: Überdurchschnittliche Milchpreise (siehe Kasten). Seit Anfang Jahr keine Produktionsbeschränkung mehr. Bei Gruyère AOP Bio seit 1.April sogar ein um zwei Prozent gesteigertes Produktionsvolumen.
Die bewährte Mengenregulierung wird fortgesetzt und die Menge langsam, aber stetig erhöht. Ohne Produktionsbeschränkung wäre das Gleiche passiert wie beim Emmentaler, sagte Kessler.
Umstellungsbetriebe
Nach dem Neubau der Käserei Hirschmatt in Guggisberg BE stellt diese nun Gruyère AOP her. Ein weiterer Umstellungsbetrieb in der Deutschschweiz wird 2022 die Käserei Mamishaus BE sein. Direktor Philippe Bardet zeigte sich zufrieden ob den neuen Exportentwicklungen: «Insbesondere Frankreich macht uns Freude.»
Im ersten Jahresdrittel konnten im Vorjahresvergleich in diesen wichtigsten EU-Exportstaat rund 200 Tonnen mehr exportiert werden. Mit über 2800 Tonnen gingen rund 10 Prozent der verkauften Käsemenge in die USA. Um den Markt weiter ausbauen zu können, wird in die Absatzförderung investiert. 1,7 Mio. Franken sind 2018 für die USA budgetiert. Der grösste Teil wird durch die Sortenorganisation finanziert. Woher kommt das Geld? Die Sortenorganisation zieht für ihre Tätigkeiten und Investitionen Beiträge von 90 Rappen pro Kilogramm verkaufter Käse ein.
Heisse Themen
Bezüglich Freihandelsabkommen sei man in einem kleinen Rahmen offen, sagte Bardet. Der Schutz der Bezeichnung AOP und der Marke Gruyère Switzerland AOP müsse aber sichergestellt sein. Kessler erklärte den Grund für den Erfolg der Sortenorganisation: «Es entscheiden diejenigen Personen, die selber mit ihrem eigenen Portemonnaie betroffen sind.»
Keine Machtspiele, sondern ein geeintes Auftreten sei die Lösung. Deshalb brauche es bei einer Abstimmung immer einen Mehrheitsentscheid pro Gruppe (Produzenten, Verarbeiter, Händler). Das ist der Grund, weshalb Änderungsprozesse Zeit brauchen. Aktuell werden Themen wie ein limitierter Sojaeinsatz, ein Embryotransferverbot oder eine Obergrenze bei der Grösse der Milchproduktionsbetriebe diskutiert.
Gibt es ein Verbot?
Kessler will sich an den Konsumenten orientieren. Weshalb ist das wichtig? Kessler machte gleich ein Beispiel: Obschon Palmöl hervorragende Eigenschaften habe, werde es nun einzig und alleine wegen der Konsumenten verbannt.
Kessler betonte im Gespräch mit dem «Schweizer Bauer»: «Wir müssen aufpassen!» Aufpassen bei der Einführung neuer Zuchttechniken, meinte er. Ihm sei auch klar, dass der Bauer nicht mit der brünstigen Kuh zum Muni läuft. Er fragte aber: «Passen gesext produzierte Embryonen zum Gruyère und zu unserer Werbung ‹handwerklich hergestellt›?» Kessler will die Antwort auf diese Frage im Pflichtenheft definiert haben.
Er wünscht sich ein Verbot entsprechender Zuchttechniken zugunsten der Marke Gruyère Switzerland AOP. Die Produzenten seien in der Pflicht. Sie müssten nun mit Träumen aufhören. Denn: «Wir müssen glaubwürdig bleiben.» Wann solche Bestimmungen bei den delegierten Bauern mehrheitsfähig sind, konnte Kessler nicht sagen.
Milchpreis
Die Gruyère-AOP-Milchproduzenten profitieren mit 85,15 Rappen pro kg Milch von einem überdurchschnittlichen Brutto-Milchpreis. Für Bio-Milch gibt es rund 1 Franken. Laut dem offiziellen Milchpreismonitoring der Schweizer Milchproduzenten (SMP) wurden im Monat März 2018 franko Käserei/Sammelstelle durchschnittlich knapp 81 Rappen pro Kilogramm Käsereimilch bezahlt (bei Gehaltswerten von 3,94% Fett und 3,32% Eiweiss). Gemäss dem Monitoring übertrumpft mit 82 Rappen pro Kilogramm nur die Käsereimilch für Vacherin Fribourgeois AOP den Gruyère-Milchpreis. Der durchschnittliche Milchpreis unter den Sortenkäsen liegt bei 73 Rappen pro Kilogramm.