Die Versorgung mit Protein ist bei Mastmunis und Milchkühen, noch mehr aber bei Schweinen, oft nicht ohne importierte Soja möglich. Auch wenn diese nicht mehr zwingend aus Brasilien stammt, möchten viele davon wegkommen. Die ETH Zürich sucht nach Alternativen.
So erforscht die Gruppe um Katrin Giller von der ETH den Einsatz von Spirulina. Es handelt sich um Mikroalgen oder Cyanobakterien aus warmen Salzwasserseen. Spirulina braucht Sonnenlicht und CO2 zum Wachstum und enthält bis zu 70 Prozent Rohprotein. Die Mikroalgen können aber auch in Anlagen mit Süsswasser und somit auch in der Schweiz gezüchtet werden.
Gesunde Kühe
Spirulina ist nicht nur eine Proteinquelle, sondern enthält auch Mikronährstoffe, die sich positiv auf die Gesundheit und Fruchtbarkeit der Milchkühe auswirken könnten. «Und der Einsatz der Mikroalgen als alternative Proteinquelle kann positive Wirkungen auf die Umwelt haben, da sie ressourceneffizient produziert werden können. Zum Beispiel benötigen sie kein Ackerland, wachsen schneller als Pflanzen auf dem Land, und das zur Produktion benötigte Wasser kann fast vollständig zurückgewonnen werden», nennt Katrin Giller weitere Vorteile.
«Die Proteinausbeute von Spirulina ist 15 bis 20 Mal grösser pro Flächeneinheit als die von Sojabohnen oder Raps. Aufgrund der vielen bioaktiven Inhaltsstoffe wird postuliert, dass Mikroalgen auch positive gesundheitliche Wirkungen haben.» Bei Spirulina ist es so, dass diese sehr reich an Carotinoiden wie Beta-Carotin ist.
Katrin Giller: «Wir konnten einen höheren Beta-Carotin-Gehalt in der Milch von mit Spirulina gefütterten Kühen nachweisen. Die Konsequenzen sind nicht weiter untersucht worden, aber aufgrund seiner antioxidativen Eigenschaften könnte der höhere Beta-Carotin-Gehalt potenziell günstig für die Humanernährung sein sowie für die Haltbarkeit der Milch.»
Bei Bioschweinen dürfen keine synthetischen Aminosäuren eingesetzt werden. Spirulina könnte das Problem lösen.
Bio Suisse
Munis wuchsen gleich schnell
Wie der Einsatz bei Rindern und Schweinen konkret aussieht bezüglich Mengen, Inhaltsstoffe und der konkreten Substitution anderer Futtermittel, zeigen abgeschlossene Versuche am AgroVet-Strickhof . Katrin Giller kennt sie: «Bei Mastmunis testeten wir den vollständigen Ersatz von Sojaextraktionsschrot in einer gras- und maissilagebasierten Ration. Jeder Muni erhielt rund 280 g Spirulina-Trockensubstanz (TS) pro Tag. Die Muni im Versuch hatten die gleiche Futteraufnahme, Mast- und Schlachtleistung und Fleischqualität wie die Kontrollgruppe mit Soja.»
Auch bei Milchkühen habe man Sojaextraktionsschrot in einer heubasierten Ration vollständig durch etwa 900 g Spirulina-TS pro Tier und Tag ersetzt. «Es resultierte die gleiche Futteraufnahme und Milchleistung wie bei der Kontrollgruppe mit Soja. Die Spirulina-Gruppe hatte aber mehr Beta-Carotin in der Milch, was wie erwähnt potentiell günstig für die Humanernährung und die Haltbarkeit der Milch sein könnte», weiss sie. «Trainierte Geruchs- und Geschmackstester konnten keine geruchlichen oder geschmacklichen Unterschiede der Milch feststellen.»
Das sagt Bio Suisse
Beim Wiederkäuer kommt die Spirulinafütterung für Bio Suisse nicht in Frage. Das Gras liefere genug Protein, meint David Herrmann von Bio Suisse. Zum Einsatz bei den Schweinekategorien meint er: «Neue Proteinquellen für das Futter der Biotiere sind gesucht, vor allem, wenn sie nicht in Konkurrenz stehen zur menschlichen Ernährung.
Ob sich Spirulina für die Verwendung im Biofutter eignet, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wichtig ist zum Beispiel, ob die Herstellung nachhaltig ist.»
Katrin Giller ist Professorin für Molekulare Ernährungswissenschaft an der Universität Hohenheim und Dozentin an der ETH Zürich. Sie forscht auch zum Thema «Mikroalgen in der Nutztierfütterung».
zvg
Chance bei Biosauen
Wie Katrin Giller weiter ausführt, läuft derzeit ein neuer Versuch in Zusammenarbeit mit AgroVet-Strickhof und der Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich zur Untersuchung der Spirulinafütterung bei Sauen. Dazu gibt es bisher zwar noch keine wissenschaftlichen Daten, doch die Forscherin erklärt die Hintergründe dieses Experiments:
« Insbesondere in der biologischen Erzeugung von Schweinefleisch könnte die Spirulina aufgrund ihres besonders hohen Proteingehalts und der Konzentration an essenziellen Aminosäuren von Bedeutung sein. Da keine synthetischen Aminosäuren in der Biofütterung eingesetzt werden dürfen, ist es schwierig, die Tiere bedarfsgerecht mit essenziellen Aminosäuren zu versorgen. Die Folge ist meist eine Überversorgung an Protein, da mit «minderwertigeren» Proteinquellen - verglichen zu Soja - gefüttert werden muss.»
Dies führe wiederum zu einem übermässigen Einsatz an proteinhaltigen Futtermitteln sowie daraus resultierenden höheren Stickstoffausscheidungen, die zur Belastung der Umwelt beitragen würden. «Daher könnte Spirulina mit ihrer hohen Konzentration an essenziellen Aminosäuren eine wichtige Futteralternative als Proteinträger darstellen.»
Im Video unten teilt Katrin Giller in einem Vortrag ihre Erkenntnisse zum Thema «Mikroalgen in der Nutztierfütterung».
Schwerere Ferkel
Im Versuch gibt es bei den trächtigen Sauen einen vollständigen Ersatz von Soja durch Spirulina, und beim Rapskuchenmehl wird die Hälfte durch die Mikroalgen ersetzt. Während der Laktation wird 40 Prozent der Soja mit durchschnittlich 120 g Spirulina-TS pro Tier und Tag ersetzt.
«Wir haben erste Hinweise auf ein rund 200g höheres Geburtsgewicht der Ferkel und einen etwa 30g höheren Tageszuwachs während der Saugphase in der Spirulinagruppe», nennt sie erste Ergebnisse. «Wir untersuchen derzeit noch die Verdaulichkeit, denn diese ist bei Schweinen, insbesondere bei Sauen, noch nicht gut untersucht, weiter die Zusammensetzung des Kolostrums und der Milch und verfolgen den weiteren Tageszuwachs der Ferkel während Aufzucht und Mast.»
Das vielversprechende neue Futtermittel soll den Einzug in die Praxis finden, sobald der Preis konkurrenzfähig ist, denn Spirulina ist laut Katrin Giller noch um ein Vielfaches teurer als Soja. «Wie üblich ist bei grösserer Nachfrage aber mit einer Reduktion des Preises zu rechnen, die den Einsatz von Spirulina als Futtermittel für Nutztiere in Zukunft möglicherweise attraktiver macht», vermutet sie.
Das enthält Spirulina:
- Hoher Rohproteingehalt bis zu 70 Prozent
- Günstiges Aminosäurenprofil, das alle essentiellen Aminosäuren enthält
- Geringer Gehalt an Kohlenhydraten bis rund 15 Prozent
- Geringer Gehalt an Lipiden von rund 5 Prozent; enthält die seltene Fettsäure Gamma-Linolensäure, die mit positiven gesundheitlichen Wirkungen assoziiert ist
- Mehrere B-Vitamine, Vitamin C, Vitamin D und Vitamin E. und Mineralstoffe
- Hoher Gehalt an Carotinoiden wie Beta-Carotin.