Auch wenn jeder zweite Franzose in Umfragen behauptet, seinen Fleischkonsum verringert zu haben, ist dieser landesweit in den vergangenen Jahren weiter angestiegen. Zwischen 1970 und 2022 ist der Verzehr von Fleisch insgesamt von 3,9 Millionen auf 5,8 Millionen Tonnen Schlachtgewicht angestiegen.
Und auch der individuelle Fleischkonsum ist um zwölf Prozent angestiegen. Nach einem Rückgang Ende der 90er Jahre ist der Verbrauch zwischen 2013 und 2022 weiter um drei Prozent gestiegen – obwohl inzwischen weithin bekannt ist, dass infolge einer Verringerung des Konsums von Fleisch und Milchprodukten weniger Treibhausgase ausgestossen werden.
Wandel noch nicht auf Teller angekommen
«Es gibt einen Wandel in der Wahrnehmung, aber noch nicht auf dem Teller», sagte Lucile Rogissart vom französischen Institut de l›Économie pour le Climat der Zeitung «Le Monde». Eine Erklärung dafür sei der «versteckte Konsum».
Wenn etwa jemand auf ein Steak verzichte und stattdessen ein Sandwich mit Hühnchen esse, oder seltener beim Metzger einkaufe, dafür aber Fertiggerichte mit Hackfleisch verzehre, dann könne er durchaus überzeugt sein, seine Essgewohnheiten geändert zu haben, meint Rogissart.
Vegetarisches Angebot begrenzt
Eine Studie der Organisation Réseau Action Climat vom Februar zeigte auf, dass in 150 untersuchten Supermärkten in Frankreich mehr als 90 Prozent der Fertiggerichte Fleisch oder Fisch enthielten. Auch in vielen Schul- und Unternehmenskantinen ist das vegetarische Angebote sehr begrenzt.
Wenn nun also die Sportlerinnen und Sportler während der Olympischen Spiele mit dem einen oder anderen vegetarischen Gericht bekocht werden sollen, dann wirkt das eher wie eine Imagekampagne als wie eine Überzeugungstat. Zwei Spitzenköche und eine Spitzenköchin sollen während der Wettkämpfe Werbung für die französische Gastronomie machen.
Grosszügiger Einsatz von Butter
Die 44 Jahre alte Amandine Chaignot, die sich zum grosszügigen Einsatz von Butter und «kuscheligen, regressiven» Gerichten bekennt, ist für ihr Perlhuhn mit Flusskrebsen bekannt. Für die Olympia-Teilnehmenden will sie «nicht allzu komplizierte» Mahlzeiten kochen.
Drei-Sterne-Koch Alexandre Mazzia hat sich seinerseits von Sportmedizinern über die Ernährungsbedürfnisse von Sportlern beraten lassen. Er hoffe darauf, dass die Medaillengewinner bei ihm ihre Siege feiern werden, sagte er.
Der einzige, der ausschliesslich vegetarische Küche anbieten will, ist der 42 Jahre alte Akrame Benallal. «Damit erreiche ich die meisten, (...) ganz gleich ob sie koscher oder halal essen, ob sie Christen oder Buddhisten sind», sagte er. «Pflanzliches Essen verbindet alle», betont der gebürtige Algerier, der sich von kulinarischen Traditionen weltweit inspirieren lässt.
500 verschiedene Gerichte
Offen ist, wie viele Sportlerinnen und Sportler sich von den vegetarischen Angeboten überzeugen lassen. «Man kann es nicht allen aufdrängen», meinte etwa die französische Seglerin Hélène Defrance. Insbesondere Hülsenfrüchte, die wegen ihres Proteingehalts eine grosse Rolle in der vegetarischen Küche spielen, seien «etwas schwierig zu verdauen».
Aber von Aufdrängen kann auch kaum die Rede sein: Im Olympischen Dorf sollen etwa 500 verschiedene Gerichte auf den Tisch kommen, und nur ein Teil davon wird vegetarisch sein. «Wir sind da, um das Können der französischen Gastronomie unter Beweis zu stellen», sagte Drei-Sterne-Koch Mazzia.