Der Mittelbedarf für Strukturverbesserungen steigt in den kommenden Jahren deutlich. Der Bund will die Beiträge von rund 85 Millionen auf bis zu 184 Millionen Franken erhöhen. Die zusätzlichen Mittel sind laut dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) nötig, um Anpassung der Betriebe an den Klimawandel zu gewährleisten.
Bund und Kantone unterstützen mit Finanzhilfen für Strukturverbesserungen in Form von Beiträgen (à fonds perdu) und rückzahlbaren zinslosen zinslosen Darlehen (Investitionskrediten) wettbewerbsfähige und nachhaltige Strukturen in der Landwirtschaft. Damit werden einzelbetriebliche und gemeinschaftliche Projekte unterstützt. «Die landwirtschaftlichen Strukturverbesserungen sind ein von Bund und Kantonen gemeinsam finanzierter Aufgabenbereich, um das Bundesrecht als Verbundaufgabe umzusetzen», schreibt das BLW.
Seit 1884
Die Finanzhilfen für Strukturverbesserungen gehören zu den ältesten agrarpolitischen Förderinstrumenten der Schweiz. Sie wurden mit dem «Bundesbeschluss betreffend die Förderung der Landwirtschaft durch den Bund» im Jahr 1884 eingeführt. Sie unterstützen zum einen die Land- und Ernährungswirtschaft bei der Anpassung an sich ändernde gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Rahmenbedingungen. Zum andern sollen sie einen Beitrag zur Erreichung sektorübergreifender Ziele für eine nachhaltige Entwicklung leisten, insbesondere in den Berggebieten und ländlichen Räumen.
Der Mittelbedarf in den nächsten 15 bis 20 Jahren steigt deutlich. Das BLW bei den Strukturverbesserungen in folgenden Bereichen mehr Mittel veranschlagt. Dazu zählen etwa Bewässerungsanlagen, um die zunehmend trockenen Böden zu bewirtschaften. Weiter sollen Mittel in Drainageleitungen fliessen, in den Umbau von Ställen, den Kauf von Maschinen oder in die Instandstellung von Strassen, vor allem ins Berggebiet.
BLW
Dringend nötig
Für Nationalrat und Bauernverbandspräsident Markus Ritter (Mitte/SG) ist die Erhöhung dringend nötig. «Wir müssen immer weiter gehende Auflagen in den Bereichen Tierwohl, Emissionsreduktion oder Anpassung an das veränderte Klima erfüllen», sagte er «NZZ am Sonntag». Die finanzielle Hauptlast bei den Strukturverbesserungen würden die Bauern selber tragen. Sie müssten sich gar hoch verschulden. Die Bauern würden an diesen Geldern nichts verdienen.
Auch Biolandwirt und Nationalrat Kilian Baumann unterstützt die Beiträge. Der Bedarf nehme aber massiv zu. Man solle die Beiträge aber nicht mehr Strukturverbesserung benennen, sondern Klimaanpassungsbeiträge. Man wende heute vielmals Schaden ab. «Früher wurde bewässert, um mehr zu ernten. Jetzt braucht es das Wasser, damit die Ernte nicht verdorrt», so Baumann zur «NZZ am Sonntag».
Transport, Wasser und klimafreundliche Produktion
Die Kantone müssen sich an den Projekten im gleichen Umfang wie der Bund beteiligen. Die Erhöhung findet dort Support. «Grundsätzlich sollte gelten: Je höher in den Bergen ein Projekt liegt, desto mehr Beiträge à fonds perdu soll es erhalten», hielt Roger Bisig, Generalsekretär der Landwirtschaftsdirektorenkonferenz (LDK), gegenüber der Zeitung fest. Bei A-fonds-perdue-Beiträgen verzichtet die öffentliche Hand auf eine Rückzahlungspflicht. Woher die zusätzlichen Mittel von 100 Millionen kommen werden, ist aber gemäss BLW noch nicht geklärt.
BLW
Der grösste zusätzliche Mittelbedarf besteht gemäss BLW bei den folgenden Massnamenbündeln:
- Landwirtschaftliche Transportinfrastrukturen: auch mit der Annahme einer noch gezielteren periodischen Wiederinstandsetzung des Wegnetzes und einer strategischen Planung des Wegunterhalts nimmt der Mittelbedarf für dieses Massnahmenbündel zu. Grund dafür ist ein angestauter Sanierungsbedarf wegen knapper Mittel in der Vergangenheit. Wegen der extremen Wetterereignisse, welche mit dem Klimawandel vermehrt zu erwarten sind, steigen auch die Beiträge für Wiederinstandstellungen. Wie bereits in den vergangenen Jahren wird die überwiegende Mehrheit der Mittel (>90%) in den Werterhalt des Wegnetzes (Unterhalt, Ersatz nach Erreichen technischer Altersgrenzen) investiert werden müssen.
- Massnahmen und Anlagen zur Beeinflussung des Boden- und Wasserhaushalts: sowohl für die Bewässerungs- als auch für die Entwässerungsinfrastrukturen und gezielten Bodensanierungen ist mit stark steigendem Mittelbedarf zu rechnen. Grund dafür ist einerseits der steigende Wasserbedarf für Kulturen und die Tierhaltung aufgrund zunehmender klimabedingter Trockenperioden (Bewässerungsinfrastruktur). Andererseits müssen für den Erhalt der Produktionsgrundlagen im Pflanzenbau Entwässerungsinfrastrukturen saniert und modernisiert werden. Auch im Bereich der Be- und Entwässerung hat sich wegen knapper Mittel in der Vergangenheit der Sanierungsbedarf angestaut. Die Schätzung der notwendigen Mittel geht explizit davon aus, dass nicht alle bestehenden Anlagen saniert, sondern Alternativen (Wiedervernässungen) gemäss Vorgaben des Landschaftskonzepts Schweiz (BAFU 2020) geprüft werden. Allerdings dürften auch mit strategischen Priorisierungen und gebietsweisem Verzicht auf Sanierungen dank neuer Technologien («smarte Drainagen») und komplexerer Planungsprozesse die Kosten pro Quadratmeter und pro Projekt ansteigen.
- Massnahmen zur Förderung einer-, landschafts-, klima- und umweltfreundliche Produktion: der zusätzliche Mittelbedarf ist auf die voraussichtlich mit der AP22+ neu einzuführende Massnahme zur Förderung umweltfreundlicher Maschinen und Verfahren zurückzuführen. Das Potenzial der Strukturverbesserungen für weitere Massnahmen, z.B. im Bereich des Tierwohls, ist noch zu prüfen. Eine Mittelbedarfsschätzung kann daher noch nicht vorgenommen werden.
Investitionskredite sollen auch erhöht werden
Der steigende Mittelbedarf für Beiträge in den übrigen Massnahmenbündeln liegt auf tieferem Niveau. «Dies ist in vielen Massnahmenbündeln – vor allem im Tiefbau und bei den Projekte zur regionalen Entwicklung (PRE) – auf die im Vergleich zum landwirtschaftlichen Hochbau tiefere Anzahl von Projekten zurückzuführen», heisst es im Bericht des Bundesamts für Landwirtschaft. Im landwirtschaftlichen Hochbau ist der steigende Mittelbedarf einerseits auf die anstehende Erhöhung der Pauschalen (Berücksichtigung Bauteuerung) sowie auf geplante Anpassungen des Fördersystems (Gewährung von Beiträgen für die Lagerung, Vertrieb und Vermarktung im Talgebiet sowie für Diversifizierung in landwirtschaftsnahe Tätigkeiten) zurückzuführen.
Neben den Strukturverbesserungen gewährt der Bund auch zinslose, rückzahlbare Kredite. Diese erhöhen sich im gleichen Zeitraum gemäss um knapp die Hälfte auf 426 Millionen. Die grössten Zunahmen werden vom BLW bei der Diversifizierung, den Massnahmen für eine Umwelt-, klima- und tierfreundliche Produktion sowie der landwirtschaftlichen Transportinfrastruktur erwartet.