Praktizierter Pflanzen-schutz in der deutschen Landwirtschaft beschert der Gesellschaft Wohlfahrts-gewinne von mehr als 4 Mrd. Euro (4,95 Mrd. Fr.) pro Jahr; allein der Wegfall der Fungizide würde zu einem Wohl-fahrtsverlust von rund 870 Mio. Euro (1,07 Mrd. Fr.) führen.
Zu diesem Ergebnis kommt die Humboldt-Universität in einer aktuellen volkswirtschaftlichen Studie, die derzeit mit Unterstützung des Industrie-verbandes Agrar (IVA) durchgeführt wird.
Pflanzenschutz hat hohe gesamtwirtschaftliche Bedeutung
Unter Leitung von Prof. Harald von Witzke versuchen Wissenschaftler im Rahmen des mehrstufigen Forschungsvorhabens, den gesellschaftlichen Nutzen des Pflanzenschutzes zu beziffern. Das erste Modul der Studie beschäftigt sich mit Markteffekten und wurde nun veröffentlicht. Der Pflanzenschutz habe in Deutschland eine ausserordentlich hohe gesamtwirtschaftliche Bedeutung, schreiben die Forscher in ihren Schlussfolgerungen.
Von höheren Erträgen und tendentiell niedrigeren Preisen profitierten nicht nur die landwirtschaftlichen Produzenten, sondern alle Marktteilnehmer (Verarbeiter, Vermarkter und Konsumenten), heisst in einem Bericht von Agra-Europe (AgE) unter Berufung der Studie.
IVA-Hauptgeschäftsführer Volker Koch - Achelpöhler machte deutlich, dass die Studie nicht folgenlos bleiben dürfe. In Deutschland beschäftige man sich vornehmlich mit den möglichen Risiken und ignoriere fahrlässig den tatsächlichen Nutzen, der durch Pflanzenschutz gestiftet werde. Der Produktivitätsfortschritt der Landwirtschaft halte jedoch längst nicht mehr Schritt mit der steigenden Nachfrage, weil Innovationen vernachlässigt würden. Nun sei es an der Zeit, auch jene Risiken klar zu benennen, die durch den Verzicht auf modernen Pflanzenschutz entstünden.
Pflanzenschutz sichert Versorgung 150 Millionen bis 200 Millionen Menschen
Die Auswertung belegt laut IVA bei allen wichtigen Kulturpflanzen beträchtliche Ertragsunterschiede. Während der konventionell wirtschaftende Betrieb zum Beispiel bei Raps etwa 50 % mehr Flächenertrag als Ökobetriebe erwirtschaftet, ist das Bild bei Getreide noch deutlicher: Hier holt ein Landwirt mit dem Einsatz moderner Pflanzenschutzmittel 120 % mehr Weizen vom Acker als ein vergleichbarer Ökobetrieb.
Damit sichere der Pflanzenschutz in Deutschland die Versorgung mit wichtigen Agrargütern für 150 Millionen bis 200 Millionen Menschen jährlich, hob von Witzke hervor. Als reiches Land könne Deutschland seinen Bedarf mühelos auf den weltweiten Agrarmärkten decken. Das Nachsehen hätten hingegen Weltregionen mit geringerer Nachfragemacht. Allein die Weizenmenge, die durch die Umstellung auf Ökolandbau in Deutschland im weltweiten Angebot fehlen würde, reicht nach den Berechnungen des Forscherteams aus, um rund 180 Millionen Menschen für ein Jahr mit Weizen zu versorgen. Das entspreche in etwa der Einwohnerzahl Pakistans. Und nur der Wegfall der Fungizide würde
im Kartoffelanbau Ausfälle verursachen, die dem jährlichen Kartoffelkonsum von 60 Millionen Menschen entsprächen.
Die Berechnungen der Berliner Wissenschaftler basieren nach Angaben des IVA auf den Daten des Testbetriebsnetzes (TBN) des Bundeslandwirtschaftsministeriums sowie verschiedener Landwirtschaftskammern und Landwirtschaftsämter der Bundesländer.
Das TBN dokumentiert beispielsweise in jedem Wirtschaftsjahr, wie hoch die Ertragsunterschiede zwischen Betrieben des Ökolandbaus und vergleichbaren konventionellen Betrieben sind.
Umrechnungskurs: 1 Euro = 1.234 CHF (4-12-11)