Tierschützer aus der Schweiz und Deutschland prangerten Missstände auf isländischen Pferdefarmen an. Trächtigen Stuten wird unter tierquälerischen Bedingungen Blut abgezapft. Daraus wird ein Hormonpräparat für die Schweinezucht hergestellt. Der Schweizerische Schweinezucht- und Schweineproduzentenverband hat den Verzicht beschlossen.
Auf über 100 Blutfarmen in Island wird rund 5000 trächtigen Stuten Blut abgezapft für die Produktion des Fruchtbarkeitshormons PMSG (Pregnant Mare Serum Gonadotropin). Das teilten der Tierschutzbund Zürich (TSB) und die in Deutschland ansässige Animal Welfare Foundation Anfang Februar mit. Auftraggeber der Blutfarmen ist gemäss TSB das isländische Pharmaunternehmen Isteka.
«Massive Tierquälerei»
Die PMSG‐Produktion in Island steigt rasant, so die Tierschützer. Bis 2019 hat sie sich innerhalb weniger Jahre verdreifacht. Nun erhielt Isteka von der isländischen Umweltbehörde die Genehmigung, die Produktion nahezu zu vervierfachen, von derzeit 170’000 Liter Blut auf 600’000 Liter. «Das würde bedeuten, dass in Island bis zu 20’000 Stuten, also bis zu 30% aller in Island lebenden Stuten im Blutgeschäft eingesetzt werden würden. Um diese Anzahl Pferde zu halten, bedarf es einer Fläche, die dreimal so gross ist wie die Hauptstadt Reykjavik», sagte Sabrina Gurtner, Projektleiterin beim TSB Zürich.
Für die halbwilden Pferde sei die Blutentnahme eine Tortur, es komme dabei zu «massiver Tierquälerei». Filmaufnahmen zeigen, wie die Tiere unter anderem mit hupenden Autos und bellenden Hunden zusammengetrieben, und anschliessend mit Stockschlägen in die Boxen getrieben werden, wo sie für die Blutabnahme fixiert werden. Gemäss einer Expertin ist die Verletzungsgefahr für die Tiere dabei erheblich. Es komme zu heftigem und potenziell gefährlichem Abwehrverhalten.
Hersteller hat sich von Farmen getrennt
«Diese Blutentnahme bedeutet für ein halbwild lebendes und nicht menschengewohntes Fluchttier höchste Bedrohung und Unfähigkeit, den angeborenen Fluchttrieb auszuleben», sagten Iris Bachmann (Leiterin der Forschungsgruppe Equiden von Agroscope) und Anja Zollinger (Verantwortliche Beratungsstelle Pferd) nach Konsultation der Aufnahmen.
MSD/Intervet vertreibt das fertige PMSG‐Präparat P.G. 600 auch in der Schweiz. Über die Blutentnahme hat auch der «Kassensturz» auf SRF berichtet. Die Konsumentensendung konfrontierte Präparate-Herstellerin MSD zu den Vorwürfen. Das Unternehmen antwortet schriftlich, dass das Tierwohl für MSD einen hohen Stellenwert habe. Es hat sich nach eigenen Angaben von Blutfarmen getrennt, die die Tierschutz-Standards nicht einhielten.
«Nicht auf Politik warten»
Es ist nicht zum ersten Mal, dass Pferdehormon-Präparate ins Visier der Tierschützer geraten. 2015 sorgten ähnliche Bilder aus südamerikanischen Farmen für Empörung. Suisseporcs, der Branchenverband der Schweizerischen Schweinehalter, forderte Schweinezüchter und Tierärzte damals dazu auf, auf den Einsatz solcher Präparate künftig zu verzichten.
Gegenüber «Kassensturz» sagte Meinrad Pfister, Zentralpräsident von Suisseporcs, im Anfang Februar: «Wir werden im Zentralvorstand von Suisseporcs am 16. Februar den Vorschlag machen, dass wir zuhanden von Suisse Garantie den Antrag stellen, dass das Hormon PMSG nicht mehr eingesetzt wird. Von diesen Bildern, die wir jetzt gesehen haben, müssen wir uns distanzieren, und wir warten nicht auf die Politik. Ich gehe davon aus, dass der Zentralvorstand dem Antrag folgen wird.»
Die Präparate, die vorwiegend in der Schweinezucht zum Einsatz kommen, ermöglichen den Züchtern eine zeitgenaue Planung der künstlichen Befruchtung und der Geburten. Alternative Methoden dazu, die ohne PMSG auskommen, sind vorhanden.
Entscheid fiel einstimmig
Wie nun SRF berichtet, soll PMSG in der Schweiz definitiv verboten werden. Das hat der Zentralvorstand von Suisseporcs, der Verband der Schweizer Schweinezüchter, einstimmig entschieden. Der Antrag zuhanden des zuständigen Gremiums des Schweizer Bauernverbands (SBV) sei geschrieben, sagte Suisseporcs-Zentralpräsident Meinrad Pfister zum SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» am Freitag. «Wir wollen mit diesen Bildern von Blutfarmen nicht in Verbindung gebracht werden.» Das Verbot soll in die Richtlinien des QM-Schweizer-Fleisch des SBV aufgenommen und dessen Einhaltung ab 2023 kontrolliert werden.
Der Entscheid bedeutet, dass sämtliches bei sämtlichen Betrieben PMSG nicht mehr eingesetzt werden wird. Bei Labels wie Bio-Suisse und IP-Suisse war das Hormonpräparat bereits verboten. Nun kommt das Verbot auch beim konventionellen Fleisch, das mit 70 Prozent den weit grösseren Anteil hat. Für die Schweinezüchter bedeute der Verzicht auf PMSG einen Mehraufwand, da sich die Geburten der Jungtiere über mehrere Tage hinziehe. Die Überwachung der Geburten ziehe sich in die Länge, schreibt SRF.