«Switzerland First» müsse die Devise heissen, sagte der Zürcher Nationalrat Thomas Matter bei der Lancierung der SVP-Wahlkampagne in Küssnacht SZ Anfang Juli. Auch wenn die SVP mit derzeit 25,6 Prozent Wähleranteil die stärkste Partei ist: Die 2019 verlorenen zwölf Nationalratssitze will sie zurück.
Wie keiner anderen Partei gelingt es der SVP, allgemeine Unzufriedenheit aufzugreifen. In der Covid-19-Krise trat der damalige SVP-Bundesrat Ueli Maurer mit den «Freiheitstrychlern» und Gegnerinnen und Gegnern der Corona-Schutzmassnamen auf. Mit einem gewissen Erfolg: Jeweils rund vierzig Prozent der Stimmenden lehnten drei Mal das Covid-19-Gesetz an der Urne ab.
«Asyl-Chaos»
Derzeit nutzt die SVP erneut die steigende Zahl von Asylgesuchen zur Profilierung. Indem sie Migranten und Flüchtlinge vermischt, stellt die Partei Neuankömmlinge an den Pranger als Unruhestifter, Profiteure des Wirtschaftsstandortes Schweiz und als Verantwortliche für Kosten in Milliardenhöhe.
Mit dem Nein zu einem Kredit für die Einrichtung von temporären Asylunterkünften hat die SVP – mit FDP und der Mitte – der neuen Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider (SP) eine schmähliche Niederlage zugefügt. Die SVP hat die Jurassierin, deren Wahl sie mit ermöglicht hat, zum Sündenbock gemacht. Baume-Schneider sei nicht fähig, das «Asyl-Chaos» zu beenden.
Neutralität
Der Krieg in der Ukraine wiederum erlaubt es der SVP, immer wieder an ihr bedingungsloses Festhalten an der Neutralität zu erinnern. Den Angriff Russlands hat die SVP zwar verurteilt. Gleichzeitig zeigten sich aber mehrere ihrer Mitglieder wohlwollend gegenüber dem Kreml.
Abgegrenzt hat sich die SVP einmal mehr, indem sie die Videoansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Sommer im Nationalratssaal ausliess. Sie habe so auf ihre Art ihr Missfallen über die Sanktionen und deren Folgen sowie die Ankunft von Geflüchteten aus der Ukraine ausgedrückt, führte der Politologe Oscar Mazzoleni in der Westschweizer Zeitung «Le Temps» aus.
Der Credit-Suisse-Effekt
Auf dem Höhepunkt der Krise um die Notrettung der Credit Suisse kritisierte die SVP die extravaganten Boni sowie das riskante Management der Bank. Doch SVP-Finanzminister Maurer hatte nie gewollt, dass die Regeln im Bankensektor verschärft werden.
Politische Konsequenzen hatte das nicht: Zwei Wochen nach der erzwungenen Fusion von UBS und Credit Suisse verbuchte die SVP spektakuläre Erfolge in kantonalen Parlamentswahlen: Sie gewann im Kanton Genf vier zusätzliche Sitze, fünf Mandate im Kanton Luzern und zwei Sitze im Tessin.
Über die gesamte Legislatur gesehen ist die SVP die einzige der vier Bundesratsparteien, die in kantonalen Wahlen zugelegt hat, um zehn Mandate auf insgesamt 554. In der jüngsten Wahlumfrage bekundeten 27,1 Prozent der Befragten die Absicht, die SVP zu wählen, 1,5 Prozentpunkte mehr als dies im Herbst 2019 taten.
Augenwischerei
Weniger gut sieht die Abstimmungsbilanz der SVP aus. Seit Anfang der 2000er-Jahre hat sie im Vergleich mit der Linken immer weniger Abstimmungen gewonnen. 2020 wurde die SVP-Volksinitiative für eine Kündigung der Personenfreizügigkeit mit der EU von 62 Prozent der Stimmenden abgelehnt. Die Burka-Initiative des SVP-nahen Egerkinger Komitees wurde 2021 zwar angenommen, hatte aber weit weniger Echo als das Volksbegehren für ein Minarett-Verbot im Jahr 2009.
Umgekehrt dürfte es der SVP gelingen, mit ihrer Volksinitiative für die Halbierung der Radio- und Fernsehgebühren Etliche abzuholen. Dasselbe könnte auch für die SVP-Initiative «Keine 10-Millionen-Schweiz!» der Fall sein. Dieses Begehren verlangt erneut eine Begrenzung der Zuwanderung.
Die Initiative fordert letztlich erneut die Aufkündigung des Abkommens über den freien Personenverkehr, mit dem als ewiges Schreckgespenst dargestellten grossen Nachbarn EU. Lanciert hat die SVP die Initiative Anfang Juli, rechtzeitig vor dem Beginn der letzten und heissen Phase des Wahlkampfes im Spätsommer.