Auch stark verarbeitete Lebensmittel sollen zu 80% aus der Schweiz kommen. Dazu sollen bei ihnen 60% der Wertschöpfung in der Schweiz stattfinden müssen. Allerdings werden «Mangelprodukte» ausgenommen.
Nach langem Hin und Her hat sich die Rechtskommission des Nationalrats am Donnerstag zu Beschlüssen in Sachen Swissness durchringen können. Die Vorlage geht nun wieder in Richtung eines starken Schutzes der Marke Schweiz. Bei den schwach verarbeiteten Lebensmitteln will die Kommission beim Kriterium des Bundesrates bleiben: 80% des Rohstoffgewichts müssen aus der Schweiz stammen. Bei stark verarbeiteten Lebensmitteln sollen darüber hinaus 60% der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen. Bis zur nächsten Sitzung am 10. November sollen die Vorschläge in Textform gegossen werden, dann will die Kommission erneut abstimmen. Die exakten Formulierungen dürften noch zu reden geben.
Kein «Swissness-Bschiss»
Die Lebensmittelindustrie und mit ihr ein Teil der Kommission möchte, dass entweder das Rohstoff- oder das Herstellungskriterium erfüllt sein muss, aber nicht beide. Damit könnte ein in der Schweiz hergestelltes Joghurt aus polnischer Milch als «Schweizer Joghurt» angepriesen werden. Solche Produkte bieten Schweizer Hersteller bereits heute im Ausland an, so Emmi in den USA mit einem «Swiss Joghurt» (siehe Bild). Doch eine Mehrheit von 14 zu 5 Stimmen bei 4 Enthaltungen lehnte dieses Ansinnen deutlich ab.
Mehrheit für 80 %
Umstritten waren die Prozentsätze. Ein Teil der Kommission möchte den vorgeschriebenen Schweizer Rohstoffanteil für stark verarbeitete Lebensmittel auf 60% oder sogar 50% senken. Damit könnte eine Wurst, die in der Schweiz mit einem erheblichen Anteil ausländischem Fleisch hergestellt wurde, mit der Marke «Schweiz» angepriesen werden. Eine knappe Mehrheit von 11 zu 9 Stimmen bei 3 Enthaltungen sprach sich schliesslich dafür aus, auch bei stark verarbeiteten Lebensmitteln einen Rohstoffanteil von 80% vorzuschreiben. Die Kommission könnte allerdings bei den weiteren Beratungen des Gesetzes darauf zurückkommen, so Kommissionspräsident Kurt Fluri (FDP, SO).
Was die Ausnahmen betrifft, geht die Kommission etwas weiter als der Bundesrat. Naturprodukte wie zum Beispiel Kakao, die in der Schweiz nicht vorkommen, sollen bei der Berechnung des Rohstoffanteils ausgenommen werden. Berücksichtigen will die Kommission aber auch den Selbstversorgungsgrad. Versorgt sich die Schweiz mit einem Produkt zu weniger als 20% selbst, soll dieses Produkt bei der Berechnung des Rohstoffanteils nicht berücksichtigt werden. Unter 20% Inlandanteil liegen pflanzliche Fette und Öle (17%) sowie Hartweizen (0%). Produkte mit einem Versorgungsgrad zwischen 20% und 50% sollen zur Hälfte von der Berechnung ausgenommen werden. Einen Inlandanteil zwischen 20% und 50% haben etwa Geflügel (48%), Schaffleisch (41%), Erdbeeren (37%) oder Dinkel (28%).
SBV ist zufrieden
Beim Schweizerischen Bauernverband (SBV) ist man zufrieden mit dem Erreichten. «Es wurden vernünftige Entscheide getroffen, die den Anliegen der Landwirtschaft Rechnung tragen», betont Martin Rufer, Leiter Produktion, Märkte und Ökologie beim SBV. Doch es sei noch immer ein langer Weg für eine glaubwürdige Swissness-Vorlage. Denn zunächst müsse die Vorlage die Schlussabstimmung in der Kommission sowie nachher auch im Plenum des Nationalrats bestehen.
Und dann sei die Frage, was der Ständerat mache: «Der Ständerat ist näher bei der Nahrungsmittelindustrie als der Nationalrat.» Der SBV werde deshalb wie geplant im November die Delegiertenversammlung über die geplante Swissness-Initiative abstimmen lassen: «Dann müssen wir schauen, wann und ob wir im 2012 starten wollen.» Wenn das Parlament eine gute Lösung beschliesse, dann sei der SBV noch so froh, wenn man die Initiative nicht durchziehen müsse, betont Rufer.