Im Kampf um die Swissness-Vorlage können Bauern und Konsumenten einen Teilerfolg erzielen. Die Subkommission des Nationalrats will nun doch, dass in Schweizer Lebensmitteln Schweizer Rohstoffe sein müssen.
Wann darf ein Produkt als schweizerisch bezeichnet werden? Um diese Frage wird seit Monaten in einer Subkommission der Rechtskommission des Nationalrats gerungen. Lebensmittel sollen gemäss dem ursprünglichen Vorschlag des Bundesrates dann als schweizerisch gelten, wenn sie zu mindestens 80 Gewichtsprozent aus Schweizer Rohstoffen bestehen. Dabei sind im bundesrätlichen Vorschlag Ausnahmen vorgesehen für Rohstoffe, die aufgrund der natürlichen Gegebenheiten in der Schweiz nicht vorkommen (z.B. Kakao). Für den Bundesrat ist die Swissness-Vorlage in dieser Form der entscheidende Eckpfeiler der Qualitätsstrategie, damit der Land- und Ernährungswirtschaft auch bei sich öffnenden Grenzen Wertschöpfung erhalten bleibt. Der Schweizerische Bauernverband (SBV) und die Konsumentenorganisationen befürworten diesen Vorschlag des Bundesrates.
Kritik an Swissness
Doch die Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittelindustrie (Fial) sieht dies gemäss ihrem neusten Newsletter ganz anders: «Die Swissness-Vorlage ist das falsche Vehikel, um der staatlich angedachten Qualitätsstrategie zum Erfolg zu verhelfen.» Sie will deshalb verhindern, dass bei stärker verarbeiteten Schweizer Lebensmitteln die Rohstoffe aus der Schweiz kommen müssen. Geht es nach dem Willen der Fial, soll die Herkunftsangabe mit dem Ort übereinstimmen, wo entweder 60% der Rohstoffe herkommen oder wo die hauptsächliche Verarbeitung stattfindet.
In der Sitzung der zuständigen Subkommission vom 13. Mai war zwar die Fial zunächst mit diesem Vorschlag noch erfolgreich. Sie hatte verlangt, dass bei stark verarbeiteten Lebensmitteln (Zolltarifkapitel 16-23) entweder die Herkunft von 80% des Rohstoffs aus der Schweiz oder 60% der Wertschöpfung über eine Verarbeitung in der Schweiz erforderlich wären, um ein Produkt als schweizerisch auszuzeichnen. Die Subkommission warf aber an ihrer Sitzung vom 22. Juni diesen Entscheid um, wie die Fial in ihrem Newsletter ebenfalls schrieb. Demnach sollen für stark verarbeitete Produkte neben der Herstellung in der Schweiz 60% Gewicht der enthaltenen Rohstoffe zuzüglich 60 % Wertschöpfung gelten.
Noch umgeschwenkt
Nationalrat Kurt Fluri (FDP, SO), der die Subkommission präsidiert, bestätigt auf Anfrage, dass eine vorläufige Mehrheit der Subkommission umgeschwenkt ist. Demnach soll die Herstellung in der Schweiz alleine nicht ausreichen, um ein Produkt als schweizerisch zu kennzeichnen. Auch 60% des Rohstoffs müssten bei verarbeiteten Lebensmitteln aus der Schweiz stammen. Am 12. August werde die Subkommission noch einmal tagen, und am 1. September komme der Vorschlag dann ins Plenum der Rechtskommission, erklärt Fluri weiter.
Der Fial passt diese Änderung gemäss Newsletter nicht. Sie will weiter lobbyieren, dass bei hoch verarbeiteten Lebensmitteln alleine die Verarbeitung in der Schweiz ausreicht, um als schweizerisch zu gelten.
SKS unzufrieden
Ebenfalls nicht zufrieden, aber aus entgegengesetzten Gründen, ist Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS). Sie anerkenne zwar, dass es ein «kleiner Schritt in die richtige Richtung» sei: «60% Rohstoffanteil ist uns jedoch zu wenig. Zudem wird die Lebensmittelindustrie alles unternehmen, um in der weiteren Beratung wiederum nur dem Verarbeitungsort das Hauptgewicht zu geben.» Der Fial gehe es in erster Linie um den Export. «Wir von der SKS hingegen suchen eine Lösung für die Konsumenten in der Schweiz, damit diese eben auch bei hoch verarbeiteten Lebensmitteln nicht getäuscht werden.»
SBV sieht es positiv
Positiv sieht es Martin Rufer, Leiter des Departements Produktion, Märkte und Ökologie beim SBV: «Das ist eine Lösung, die für uns gangbar wäre.» Eine ähnliche Lösung habe der SBV selber vor einigen Monaten an einer Pressekonferenz kommuniziert. Zwar sei die Forderung von 80 Gewichtsprozenten bei den hoch verarbeiteten Lebensmitteln nicht mehr erfüllt, aber es gebe immerhin eine klare Rohstoffvorgabe für solche Produkte.
Zolltarifkapitel Die Abgrenzung zwischen wenig und stark verarbeiteten Lebensmitteln will die Fial anhand der Zolltarifkapitel vornehmen. Die Zolltarifkapitel 1–15 gelten als wenig, die Zollkapitel 16–23 hingegen als stark verarbeitet. Bei den wenig verarbeiteten Lebensmitteln zeigt sich inzwischen sogar die Fial bereit, anzuerkennen, dass 80% der Rohstoffe zwingend aus der Schweiz kommen müssen, um als schweizerisch zu gelten. sam |