Die meisten Säugetiere in Zoos haben eine höhere Lebenserwartung als ihre in Freiheit lebenden Artgenossen. Zu diesem Schluss kommt ein Forscherteam mit Beteiligung der Universität Zürich, nachdem es die Lebensdauer in Natur und in Gefangenschaft bei über 50 Säugetierarten verglichen hat.
Rivalität unter Artgenossen, knappe Nahrung, Fressfeinde und raue Bedingungen: Vor all diesen Widrigkeiten der freien Wildbahn sind Säugetiere in Zoos geschützt. Tatsächlich leben die meisten der 50 untersuchten Säugetierarten in Gefangenschaft länger, wie das von den Universitäten Zürich und Lyon geleitete Forscherteam im Fachblatt «Scientific Reports» berichtet. Das gilt für so verschiedene Arten wie Rentier, Biber oder Löwe.
«Alle 15 Raubtierarten erreichten gemäss unseren Datensätzen eine höhere Lebensdauer im Zoo», sagte Studienautor Marcus Clauss von der Universität Zürich gemäss einer Mitteilung der Hochschule von Montag. Offenbar sei auch als Räuber das Überleben in der Natur nicht unbedingt leicht.
Wiesel, Hirsch und Wildhund
Besonders gross war der Unterschied in der Lebensdauer bei Arten mit kurzer Lebensspanne, hoher Reproduktionsrate und hoher Sterblichkeit in freier Wildbahn. Das betrifft beispielsweise Spitzhörnchen, Wiesel, Weisswedelhirsch und Wildhund. Durch natürliche Feinde und Konkurrenz in der Gruppe sterben Individuen dieser Arten in freier Wildbahn früher als in Zoos.
Dieser «Schutzeffekt» der Zoohaltung mag nicht überraschen, ist allerdings nicht selbstverständlich: Bei Arten, die eine längere Lebensspanne haben und eine geringere Sterblichkeit aufweisen, sei der Unterschied in der Lebensdauer kleiner oder kehre sich in manchen Fällen sogar um, so Clauss. Gewisse Arten leben also in freier Wildbahn länger.
Während Zoos genau darüber Buch führen, wie alt ihre Tiere werden, fehlten lange Zeit genaue Daten über die Lebenserwartung in freier Wildbahn. Inzwischen gebe es aber ausreichend Studien darüber, um den Vergleich anstellen zu können, schrieb die Uni Zürich.
Langfristige Effekte
Allerdings spiegelt die Studie nicht unbedingt die heutige Lebenserwartung mancher Zootiere wider: Da man bei noch lebenden Tieren nicht weiss, wie alt sie noch werden, konnten die Forscher nur Daten zu bereits verstorbenen Individuen verwenden. Verbesserungen in der Tierhaltung der letzten Jahre kann die Studie somit insbesondere bei den langlebigen Arten nicht widerspiegeln, da die meisten davon betroffenen Individuen noch leben.
Die Lebensdauer sei zudem nur ein Faktor unter vielen, um die Tierhaltung in Zoos ethisch zu beurteilen, betonen die Forscher. «Die vielleicht wichtigste Erkenntnis unsere Studie ist, dass das Leben in freier Wildbahn kein Dasein unter paradiesischen Bedingungen ist», liess sich Clauss in der Mitteilung zitieren.