Langlebige organische Schadstoffe können sich im Gewebe von Mutterkühen und ihren Kälbern anreichern. Die Forschungsanstalt Agroscope und Empa untersuchten die Anreicherungsprozesse dieser unerwünschten Substanzen sowie die Dekontaminierung von belasteten Tieren.
Persistente organische Schadstoffe oder POP (persistent organic pollutants) wie beispielsweise polychlorierte Biphenyle (PCB) und Dibenzo-p-Dioxine/Dibenzofurane (PCDD/F) haben schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit und die Ökosysteme. PCB wurden gemäss Agroscope von 1920 bis 1980 als Industriechemikalien in grosser Menge hergestellt und in einer breiten Palette von Produkten verwendet.
Grasbasierter Produktion
In der internationalen Stockholmkonvention und dem Aarhusprotokoll wurde die Produktion und der Einsatz vor rund zwanzig Jahren reguliert. «Da POP sich leicht in der Umwelt verbreiten, schlecht abbaubar und fettlöslich sind, ist ihre Anreicherung und Giftigkeit in tierischen Nahrungsketten auch heute noch ein Problem», heisst es in der Mitteilung der Forschungsanstalt.
Neben zufälligen Punktquellen von organischen Schadstoffen gebe es nicht fassbare und daher schwer zu identifizierende diffuse Quellen, heisst es weiter. POP-Emissionen in die Atmosphäre und Depositionen auf Pflanzen und Böden führten daher zur Exposition von Nutztieren – vor allem aus grasbasierter Produktion. «Um die Lebensmittelsicherheit in diesen Produktionssystemen zu gewährleisten, ist es notwendig, den Verbleib von PCB und PCDD/F zu verstehen», so die Forscher weiter.
Mit Erde verunreinigte Grassilage
Im Fall von Mutterkuhsystemen erfordert die Gewährleistung der chemischen Lebensmittelsicherheit ein Verständnis des Übertragungsprozesses von PCB und PCDD/F von Kühen auf ihre Kälber. Die Forschenden untersuchten die Geschwindigkeit von Aufnahme und Elimination sowie die Gewebeverteilung von PCB und PCDD/F aus Grassilage und Boden bei Kühen und ihren Kälbern während der Trächtigkeit (109 Tage vor der Geburt) und der gesamten Laktationsperiode (288 Tage).
Die Forscher quantifizierten die Aufnahme, Verteilung, Verstoffwechselung und Ausscheidung, um ihren Zusammenhang mit physiologischen Faktoren zu verstehen. Der Schwerpunkt der Studie lag somit auf der Dynamik der Körperfette.
Acht Kühe wurde eine mit Erde verunreinigte Grassilage gefüttert. Vier von ihnen wurden nach 164 Laktationstagen dekontaminiert, indem sie unbelastete Grassilage erhielten. Jedes Kalb erhielt die von seiner Mutterkuh produzierte Milch. Eine Input-Output-Bilanz während der Trächtigkeit und Laktation wurde aus den PCB-, PCDD/F- und Fett-Inputs (Festfutter-, Boden-, Milchaufnahme), den jeweiligen Outputs (Kot und Milch) und der Körperspeicherung (Anfangs-/Endbelastungen) errechnet.
Resultate
Bei den Kühen nahmen die PCB- und PCDD/F-Absorptionsraten und die metabolisierten Fraktionen mit zunehmender Chlorierung der organischen Schadstoffe ab. Bei Kälbern war die PCB-Absorption jedoch nicht vom Niveau der Chlorierung abhängig. Die Absorptionsraten von hoch-chlorierten PCB und PCDD/F nahmen weiter ab, wenn sie über kontaminierten Boden verabreicht wurden.
Die Studie zeigt: Kühe scheiden PCB und PCDD/F über den Kot (50 % im Verhältnis zum Eintrag) und die Milch (9 %) aus und akkumulierten nur 5 % in ihrem Körper, während Kälber einen viel grösseren Anteil des Gesamteintrags in ihrem Körper akkumulierten (44 %).
Anreicherung erfolgt vor allem in der Leber
Die Gewebeverteilung zeigt eine spezifische Anreicherung in den Lipiden der Leber, gefolgt von den Nieren und in geringerem Masse den Muskeln. Die POP-Summenkonzentrationen im intermuskulären Fettgewebe kamen denen des Schlachtkörpers und des gesamten Körpers am nächsten. «Sie können somit zur Schätzung der Körperbelastung herangezogen werden, sofern eine zuverlässige Schätzung der Körperfettmasse vorliegt», halten die Forscher fest.
Um die chemische Lebensmittelsicherheit in der Mutterkuhhaltung zu gewährleisten, ist es wichtig, sowohl die physikochemischen Eigenschaften von POP (z.B. den Chlorierungsgrad) wie auch die Körperfettdynamik und die Expositionsmatrix (Futter, Milch, Boden) zu berücksichtigen. «Physiologisch-basierte toxikokinetische (Physiologically Based Toxicokinetik PBTK) Modelle sind nützliche Tools, um die Komplexität des Zusammenspiels von ADME und Physiologie zu verstehen», heisst es weiter. Diese neuen Erkenntnisse seien für die Branche von Nutzen, um die einwandfreie Qualität von Rindfleisch zu gewährleisten.
Fazit
- Kühe absorbieren POP aus Grassilage stärker als aus dem Boden.
- Die Exposition der Kälber gegenüber POP erfolgte eher während der Laktation (über die Milch) als vor der Geburt.
- POP reichern sich in den Lipiden der Leber, der Nieren und in geringerem Masse der Muskeln stärker an als im Fettgewebe.
- Kühe scheiden organische Schadstoffe besser aus als Kälber. Daher weisen Kälber eine höhere POP-Anreicherung auf als ihre Mütter.
- Junge Kälber (3 Monate) hatten geringere geschätzte Stoffwechselraten als ältere Kälber (10 Monate) oder Kühe. Junge Kälber weisen deshalb die höchsten Schadstoffbelastungen im Gewebe auf.