Der Winter war mild, die Wiesen haben früh zu wachsen begonnen. Ideal ist es, das Grünland nun grossflächig zu überweiden – und damit nicht zu lang zuzuwarten.
Frühzeitig beginnen
«Wer von den Vorteilen der Frühlingsweide profitieren will, muss frühzeitig damit beginnen und die Tiere in den ersten paar Wochen nach Vegetationsbeginn auftreiben», rät Herbert Schmid vom Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg AG. «Trittgewohnte Weiden stecken die Freudensprünge der Kühe beim ersten Auslassen locker weg. Da bei Vegetationsbeginn noch nicht viel Futter wächst, wird anfänglich grossflächig geweidet», fährt er fort.
Dadurch vermindern sich bei feuchten Verhältnissen die Trittschäden. Diese dürfen nicht überschätzt werden, da sie im Frühling rasch verwachsen. «Sind die Böden zu feucht, reduziert man die Weidedauer und weicht auf trittgewohnte Parzellen aus», sagt Schmid.
Always one of my favourite days of the year. Earliest date ever. 😃 pic.twitter.com/QK09F8mHYO
— Domi Buehlmann (@domibuehlmann) March 4, 2024
Mehr Ertrag
Laut dem Futterbauberater lässt der Weidegang im Frühjahr Horstgräser stärker bestocken und Weidegräser mehr unterirdische Ausläufer bilden. «Dies unterdrückt die Kräuter und führt zu dichteren, tragfähigeren Beständen, welche durch das Jahr hindurch grösseren Ertrag abwerfen und flexibler nutzbar sind.» Gleichzeitig werde die Futterqualität gesteigert, da das Englische Raigras, die Wiesenrispe und der Weissklee sehr hohe Gehalte an Energie respektive Eiweiss aufweisen, die mit zunehmendem Alter nur langsam abnehmen.
«Solche Wiesen ertragen die Trockenheit besser oder erholen sich rascher davon.» Eine frühe Beweidung vermindere zudem die hauptsächlich im Frühling beginnende Mäusevermehrung, ergänzt er. «Wo die Grasnarbe nach Mäuseschäden offen ist, treiben nach einigen Monaten die unterirdischen Ausläufer der Rasengräser wieder aus und vernarben die Lücke.»
Ab Schnitthöhe
Ein zeitiges Überweiden hilft auch, die Kühe ans Gras zu gewöhnen. Doch was heisst «frühzeitig»? Jonas Salzmann, Milchviehspezialist bei der UFA: «Bereits ab der eigentlichen Schnitthöhe kann gestartet werden. Die ideale Grashöhe hängt stark von der verfügbaren Fläche ab. Ist die Fläche beschränkt, muss sicher etwas länger gewartet werden, um das Wachstum nicht einzudämmen.»
Die Kühe lieben das Frühlingsgras. Entsprechend viel wollen sie fressen. Ein frühes Auslassen hat den Vorteil, dass sie nicht zu viel Gras vorfinden. Denn erstens müssen sich die Pansenmikroben über drei bis vier Wochen an das neue Futter anpassen, und zweitens kann ein Überschuss an Frühlingsgras heikel werden. Dann, wenn eine Kuh festliegt und nicht mehr aufstehen kann. Ursache ist ein Magnesiummangel im Blut. Die Krankheit wird, wenn sie auf der Weide auftritt, als Weidetetanie bezeichnet.
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Ein Drittel weniger
Bei der Tetanie sind verschiedene Faktoren im Spiel, so der Magnesiumgehalt der Ration sowie die Aufnahmerate von Magnesium im Tier. «Junges Gras im ersten Aufwuchs enthält einen Drittel weniger Magnesium als die folgenden Schnitte», erklärt Fütterungsfachmann Jonas Salzmann. «Bei jungem Weidegras sinkt zudem die Magnesium-Absorptionsrate von 20 auf rund 10 bis 15 Prozent.» Zudem ist das junge Frühlingsgras kalium- und rohproteinreich, und Kalium hemmt die Magnesiumaufnahme.
Auch die schnelle Passagerate des strukturarmen Futters führt dazu, dass kaum Magnesium in die Blutbahn gelangt. Betroffen von der Weidetetanie sind meist ältere Kühe, die das im Körper gespeicherte Magnesium nicht mehr so flexibel freisetzen können, und Kühe mit einer hohen Leistung. Vorbeugen kann man durch eine ausreichende Magnesiumversorgung. Auch eine ausreichende Natriumversorgung durch Viehsalz muss sichergestellt werden. Ausserdem kann durch die Fütterung von Heu oder Maissilage im Stall vor dem Weidegang das Risiko einer Weidetetanie gesenkt werden.
Lebenswichtige Funktionen
Magnesium ist an vielen Enzymen beteiligt und erfüllt lebenswichtige Funktionen. In den Muskelzellen ist das Magnesium als Gegenspieler zum Kalzium wirksam. Während das Kalzium die Muskelkontraktion verursacht, wird Magnesium zum Lösen des Muskels benötigt. Dieses Zusammenspiel ist enorm wichtig, da sämtliche Bewegungen nur durch das Zusammenspiel von Anspannen und Lösen der Muskeln möglich sind. Dieses Prinzip gilt nicht nur für Muskeln im Bewegungsapparat, sondern beispielsweise auch für den Herzmuskel. Entsprechend führt ein akuter Magnesiummangel zu einer Verkrampfung der Muskeln und im Extremfall dadurch zum Tod. sum
Im Stall zufüttern
Wann die Ration im Stall angepasst werden muss, hängt vor allem vom Weideanteil ab. «Ist dieser gering, braucht es eigentlich nur die Mg-Versorgung», weiss der UFA-Spezialist. «Bei erhöhtem Weideanteil muss man bei der Stallration Änderungen vornehmen. Dabei gilt es vor allem, die Strukturversorgung sicherzustellen. Da junges Gras über eine sehr geringe Strukturwirkung verfügt, muss diese Struktur den Kühen im Stall durch Futtermittel wie Heu oder Raufutterergänzungswürfel angeboten werden.» Beachtung schenken müsse man auch der Rohproteinversorgung. Junges Gras vom ersten Aufwuchs enthält meist einen hohen Anteil an diesem, während das Gras im Sommer einen relativ geringen Rohproteinanteil aufweist. Das heisst, dass vor allem im Frühling die nötige Energie ergänzt werden muss, wobei auch die Pansenfermentation zu berücksichtigen ist.
Das strukturreiche Heu verhindert zudem, wenn es vor dem Weiden vorgelegt wird, dass die Kühe zu schnell und zu hohe Mengen junges Gras fressen, und fördert durch die Strukturwirkung das Wiederkäuen. Junges Gras im Frühling ist nicht nur magnesium- und strukturarm, sondern auch sehr zuckerreich. Doch hier gibt Jonas Salzmann Entwarnung: «Früher dachte man, der Zucker führe zu Azidosen. Neuste Erkenntnisse aus Holland zeigen nun aber, dass mit Zucker eigentlich keine Azidosen hervorgerufen werden können, weil die Verweildauer von Zucker im Pansen nur rund 25 Minuten beträgt und somit sehr kurz ist. Das führt nicht zu einer Azidose, weil der Zucker zu schnell fermentiert wird.»