Spezialisierte Milchviehrassen können heute problemlos im Alter von 24 Monaten erstmals abkalben und dabei gute Einsatzleistungen erzielen. Und eine hohe Lebensleistung. Das hat eine Auswertung aus Deutschland gezeigt.
In der Studie wurden 6’860 Tiere bis zum Ende der Nutzungsdauer begleitet. Die höchsten Lebensleistungen hatten die Kühe der Gruppe mit einem Erstkalbealter von 22 bis 23 Monaten. Das heisst, dass die Rinder intensiv aufgezogen wurden.
Schweizer Erstkalbealter zwischen 26 und 32 Monate
«In der Schweiz liegt das Erstkalbealter bei Holstein bei 27,4 Monaten, bei Swiss Fleckvieh bei 29,3 Monaten, bei Montbéliarde bei 31,4 Monaten und bei Simmental bei 31,7 Monaten», hat Alex Barenco von Swissherdbook ausgewertet. Martin Rust von Braunvieh Schweiz ergänzt: «Brown-Swiss-Rinder kalben mit 30,2 Monaten erstmals ab, Original-Braunvieh-Rinder mit 32,2 Monaten und Jerse-Rinder mit 26,2 Monaten.» Die etwas höheren Erstabkalbealter in der Schweiz im Vergleich zu Deutschland haben sicher auch damit zu tun, dass viele Rinder gealpt und die Besamungen darauf abgestimmt werden.
Intensive Aufzucht bei früher Abkalbung
Allein eine frühe Besamung bedeutet nicht, dass die Kühe danach mit viel Milch glänzen. Je früher die erste Abkalbung erfolgen soll, desto intensiver muss die Aufzucht sein. In den ersten 80 Tagen sind laut der Studie aus Deutschland so hohe Tageszunahmen wie möglich anzustreben. Je höher sie sind, desto besser entwickelt sind die Kälber mit drei Monaten und desto höher ist die Lebensleistung als Kuh.
Konkret: Je mehr Tageszunahmen in den ersten 80 Tagen, desto langlebiger waren die Kühe. Der Zeitpunkt der Erstbesamung ist also abhängig vom Entwicklungsstand der Rinder. Erfahrungsgemäss werden jüngere, gut entwickelte Rinder auch schneller trächtig als ältere Tiere mit schleppender Entwicklung. Nur den Fokus auf das Erstkalbealter zu setzen, greift jedoch zu kurz. Genetik und Haltung müssen passen, damit die Remonten ihr volles Potenzial abrufen können.
Allein eine frühe Besamung bedeutet nicht, dass die Kühe danach mit viel Milch glänzen.
Delia Blind
Dies sind die Erfolgsfaktoren
Folgende Ziele und Zahlen in der Milchviehremontierung können laut der Melior als Erfolgsfaktoren bezeichnet werden: 60 Tage alte Kälber sollen ihr Geburtsgewicht verdoppelt haben. Ab der Geburt muss konsequent auf Fütterung und Gesundheit geachtet werden, dies programmiert das Tier lebenslang auf Leistungsvermögen. 400 kg Gewicht in 14 Monaten sind als weiteren Zwischenschritt anzustreben.
Skelett und Organe müssen entwickelt sein, damit das Tier vom Start weg nach dem Kalben viel fressen und viel Milch geben kann bei gleichzeitig hoher Fruchtbarkeit. Die Formel ist einfach: Entwicklung bringt Milch. Untersuchungen zeigen: Je schneller die Gewichtsentwicklung erfolgt, desto höher sind die Einsatzleistungen von Erstkalbinnen. Dies setzt die entsprechenden Tageszunahmen voraus, welche nur mit optimaler Haltung und Fütterung erreicht werden.
Krankheiten bremsen
Voraussetzung ist, dass die Tiere ohne Krankheit und frei von Parasiten aufwachsen. Weitere Studien zeigen, dass jede Krankheit, welche das Kalb auf dem Weg zum Jungrind durchmacht, das Erstkalbealter potenziell ansteigen lässt. Zweimal kranke Kälber kalbten in einer Langzeitstudie gut zwei Monate später ab als Kälber, welche nie krank waren. Ein doppelt negativer Effekt, denn zu den Behandlungskosten kommen noch die zwei Monate länger dauernden Aufzuchtkosten bis zum ersten Milchertrag.
Durchfall und Atemwegserkrankungen bei den Kälbern senken die täglichen Zunahmen und erhöhen die Abgangsrate während der Aufzucht und der ersten Laktation. Eine um zwei Monate längere Aufzucht auf ein Einzeltier heruntergebrochen scheint auf den ersten Anblick nicht allzu tragisch. Bereits bei sechs Tieren bedeutet dies kumuliert ein Jahr und bei zwölf kalbenden Rindern verlängert sich die gesamte Aufzucht um zwei Jahre mit den entsprechend hohen Kosten.
Studien zeigen, dass jede Krankheit, welche das Kalb auf dem Weg zum Jungrind durchmacht, das Erstkalbealter potenziell ansteigen lässt.
zvg
Wägen oder Messen
Das Gewicht eines Rindes zu schätzen, ist nicht einfach, je nach Perspektive und Standort des Betrachters liegt man schnell daneben. Regelmässiges Wägen nach dem Absetzen, nach einem Jahr und beim Besamen ist die beste Variante. Und auch nach dem Besamen sollen die Rinder weiterwachsen: Erstkalbkühe sollten ein Gewicht von 600 kg ohne Kalb auf die Waage bringen. Vielerorts lässt sich die Gewichtserhebung nicht einfach umsetzen; die Waage fehlt.
Sehr zuverlässig zur Bestimmung des Gewichts und des Wachstumsverlaufs ist ein spezielles Massband mit Gewichtsangabe. Dabei ist es oftmals gar nicht nötig, das Gewicht aufs Gramm genau zu definieren, aber bei regelmässigem Messen und exaktem Notieren des festgestellten Gurtumfanges stellt der Tierhalter, der das Massband immer mit dem gleichen Druck anlegt, leicht Veränderungen und Unregelmässigkeiten fest.
Milch pro Lebenstag
Die Königsdisziplin der erfolgreichen Milchviehremontierung ist schliesslich wie erwähnt die Lebensleistung sowie die Betrachtung der produzierten Milch je Lebenstag. Milchkühe, welche während der Aufzucht niemals krank waren, erreichten in Langzeitstudien rund 8’000 kg mehr Milch in ihrem gesamten Leben. Laut der UFA ist das Ziel für eine wirtschaftliche Milchproduktion eine Lebenstagsleistung von 14 kg. Diese sei einfacher zu erreichen mit einer intensiven Aufzucht.
Kalbt das Rind anstatt mit 24 Monaten erst mit 30 Monaten, muss es bei der gleichen Laktationsleistung von 8’000 kg eine Laktation länger Milch produzieren, nämlich während 4,5 Laktationen, um eine Milchleistung von 14 kg je Lebenstag zu erreichen. Zudem werden insgesamt mehr Nährstoffe benötigt als bei intensiver Aufzucht. Rinder mit einem Erstkalbealter von 30 Monaten verbrauchen rund 42 Prozent mehr Futter als Rinder, die schon mit 24 Monaten abkalben.
«Brown-Swiss-Rinder kalben mit 30,2 Monaten erstmals ab, Original-Braunvieh-Rinder mit 32,2 Monaten und Jerse-Rinder mit 26,2 Monaten.», sagt Martin Rust, Direktor von Braunvieh Schweiz.
zvg
Besamunsgprobleme
Es lohnt sich also, den Fokus auf optimale Gesundheit und Entwicklung vom Kalb bis zum ersten Abkalben zu legen, um kein Geld im Aufzuchtstall zu verschenken.
Das alles tönt theoretisch sehr einfach. Stolpersteine bei der Erstbesamung gibt es laut Swissgenetics aber zuhauf: der Eisprung findet nicht oder verzögert statt, der Zeitpunkt der Besamung passt nicht, die Besamung wird zu früh oder zu spät durchgeführt, die Samendose wird nicht korrekt aufgetaut oder war zuvor schon nicht entsprechend gelagert, bei der Besamung wird durch Verletzung mit dem Besamungsinstrument Blut freigesetzt, etwa bei einem engen Muttermund oder Abwehrbewegungen der Kuh.
Blut kann toxisch auf die Spermien wirken, oder die Gebärmutter ist nicht bereit für die Aufnahme der Eizelle, weil sie nicht sauber ist oder in ihr ein schlechtes Milieu herrscht.
Besamungs-Tipps
Wie lässt sich der Besamungserfolg verbessern? Bei Zweifeln punkto Sauberkeit soll gemäss Swissgenetics die Gebärmutter tierärztlich kontrolliert und gegebenenfalls behandelt werden. Eine gute Brunstbeobachtung, allenfalls ergänzt mit technischen Hilfsmitteln wie Aktivitätsmessern, Farbpatches oder Temperaturmessern kann die Festlegung des Besamungszeitpunktes verbessern.
Ist dieser trotz allem unklar, bietet Swissgenetics anstelle von üblichen Samendosen Spermvital an. Hier sind die Spermien in einen Alginat-Schwamm eingebettet und verlassen diesen zeitverzögert nach und nach. Spermvital eignet sich daher für Kühe mit unklaren Brunstanzeichen oder bei tendenziell zu früher Besamung in der Brunst.
Bei langer Brunst mit verzögertem Eisprung können auch Doppelbesamungen mit 24 Stunden Abstand durchgeführt werden. Bei einer Vorgeschichte von verzögertem Eisprung kann dieser mit der Gabe einer Eisprungspritze unterstützt werden.
Die Landwirtschaft ist Teil und Abbild der übrigen Gesellschaft und sie entwickelt sich mit dieser übrigen Gesellschaft weiter. Wer die Landwirtschaft und deren Weiterentwicklung von derjenigen der übrigen Gesellschaft abkoppeln will, wird immer wieder Schiffbruch erleiden, egal ob politisch oder wirtschaftlich.
Im Artikel geht es einerseits um wirtschaftliche, aber auch ganz klar um ökologische Effizienz von tierirscher Lebensmittelbereitstellung. Die Zielerreichung in diesen beiden Bereichen gehen Hand in Hand und es macht sehr viel Sinn in dieser Richtung vorwärts zu gehen und besser zu werden. Ich ziehe selber Rinder auf und erlebe immer wieder, wie der Kälberfütterung und der Kälbergesundheit zuwenig Bedeutung geschenkt wird oder die Kälber nicht nach Ihren Bedürfnissen (Luft, Licht, Bewegung und Wärme) gehalten werden. Diese Fehler nach der Kälberphase in der weiteren Aufzucht zu kompensieren ist praktisch unmöglich, sie kosten Geld und verursachen zusätzliche Immisionen.
Darum herzlichen Dank für den Super-Beitrag an Susanne Meier und Martin Rust!
Aber sicher wird als Nächstes noch die KI eingesetzt, pfui !