Im Jahr 2022 war der Jungstier Biniam der meisteingesetzte Brown-Swiss-Stier mit 8’482 Samendosen. Auf Platz zwei: Der Jungstier Owen mit 7’778 Samendosen. Beides Jungstiere mit tadellosem Exterieur, bester Eutervererbung und mit +243 kg Milch resp. +462 kg Milch eher tiefer Milchleistungsvererbung. Dazu eine Sicherheit von lediglich 61% resp. 64%.
Der starke Einsatz solcher Jungstiere gefällt der Züchtergruppe St. Gallen nicht. «Nahezu 70% der Reinzuchtanpaarungen werden derzeit bei Brown Swiss (BS) mit Jungstieren gemacht. Dieser Anteil ist zu hoch», heisst es in einem Schreiben der Züchtergruppe. Sie ist der Meinung, dass in den letzten Jahren zu viele hoffnungsvolle Genom-Jungstiere, für die intensiv Werbung gemacht wurde, stark enttäuscht hätten.
Weniger BS, mehr HO
Gerade im Kanton St. Gallen, wo eine gute Futtergrundlage vorhanden ist, streben viele Braunviehzüchter eine höhere Milchleistung an als Züchter z.B. in Innerschweizer Bergkantonen. Ist man auf einer Urneralp mit der mittleren Milchleistung von 6’000 bis 7’500 kg Milch einer Lennox- oder einer Holdrio-Tochter zufrieden, enttäuschen teilweise Kühe solcher Stiere, die mittlerweile nachzuchtgeprüft sind, bezüglich Milchleistung im Talgebiet.
Viele unzufriedene Braunviehzüchter würden leider viel zu oft auf andere Rassen umstellen, heisst es weiter im Schreiben der Züchtergruppe. Zwischen 2007 und 2022 seien im Kanton St. Gallen die Braunvieh-Herdebuchtiere um 20% oder 8’880 Tiere zurückgegangen, die Herdebuchtiere im selben Kanton bei Holstein Switzerland hätten aber um 88% oder 4’205 Tiere zugenommen, die Fleckviehtiere bei Swissherdbook sogar um 327% oder 4’929 Tiere.
Die Züchtergruppe St. Gallen, hier nach ihrer Titelverteidigung als Schweizermeister, schlägt vor, maximal 500 Erstbesamungen pro Jungstier zuzulassen.
Marcel Wipfli
Mitspracherecht gefordert
Die Züchtergruppe St. Gallen schlägt vor, nachzuchtgeprüfte Stiere für mehr Sicherheit stärker in den Fokus zu setzen. Optimierungsansätze lauten, dass man zum Beispiel maximal 500 Erstbesamungen pro Jungstier zulassen oder 50% der KB-Jungstiere künftig einen nachzuchtgeprüften Vater haben sollten.
Weiter sei die Anzahl Jungstiere pro Stierenvater zu limitieren, denn es brauche mehr Blutbreite und neue Blutlinien. Und Braunvieh Schweiz solle nicht nur das Mitspracherecht bei der Klassierung der Stiere für den Zweiteinsatz (FAG) haben, sondern auch beim Ankauf der KB-Jungstiere.
Jährlich über 10’000 Tiere
Der US-amerikanische Viehzuchtexperte Louis Prange betont, dass es wichtig sei, so viele weibliche Tiere wie möglich genomisch testen zu lassen (siehe Kasten). In den letzten Jahren sind gemäss Martin Rust von Braunvieh Schweiz zwischen 10’000 und 12’000 Braunviehtiere pro Jahr genomisch typisiert worden. Im Verhältnis: Im letzten Jahr wurden laut Geschäftsbericht des Verbandes 42’408 weibliche Kuhkälber markiert.
Mindestens 18 Kühe nötig
Mit dem Herdentypisierungsprogramm Bruna Data will Braunvieh Schweiz die grossflächige Typisierung von weiblichen Tieren fördern und damit die Genauigkeit der genomischen Zuchtwerte verbessern. Wer in diesem Programm dabei ist, zahlt für den Genomtest eines Kuhkalbes noch 19 Franken.
Eine der Voraussetzung für die Teilnahme eines Betriebes am Herdebuchprogramm Bruna Data ist jedoch eine Mindestgrösse von durchschnittlich 18 Braunvieh-Laktationsabschlüssen , die gerade von vielen Betrieben im Berggebiet nicht erfüllt wird.
Wie die Entwicklung im Bereich der genomischen Selektion weiter voranschreitet, zeigt Martin Rust an einem Beispiel auf: «Mit der Umstellung der genomischen Zuchtwertschätzung auf das Single-Step-Verfahren und mit der Nutzung der weiblichen Tiere als Referenzpopulation wird das Braunvieh mit einer sehr grossen Datenbasis starten können.»
Martin Rust ist seit dem 1. August 2023 Direktor von Braunvieh Schweiz.
zvg
«Jedes weibliche Tier typisieren!»
Louis Prange von der US-amerikanischen KB-Organisation STgenetics rät im Magazin Brown Swiss International, die Anzahl an genomischen Tests bei Brown Swiss deutlich zu erhöhen. Jedes weibliche Tier im Herdebuch müsste seiner Ansicht nach typisiert werden.
«Die Rasse Holstein demonstriert derzeit, welcher Fortschritt durch eine intensive genomische Zucht erzielt wird.» Sein Appell an die Brown-Swiss-Zuchtverbände ist es, für jedes weibliche Tier einen genomischen Test zu verlangen. Das koste zwar Geld, ermögliche aber einen enormen Fortschritt. Andernfalls werde man an Boden verlieren.
Die Genomik ermögliche die Verbesserung und Weiterentwicklung der Rasse, was den Zielen der Braunviehzüchter diene, so Prange gegenüber «Brown Swiss International». hal
Da wäre der Verband Braunvieh Schweiz gefordert seine Mitglieder, die Braunviehzüchter mit hilfreichen Massnahmen für einen erfolgreicheren Stiereneinsatz zu unterstützen.
Braunvieh Schweiz hat jetzt mit den drei neuen Führungspersonen die einmalige Chance dringend notwendige Korrekturen im Interesse seiner Mitglieder und des Braunviehs umzusetzen. Dazu sind die Forderungen der Züchtergruppen sehr wertvoll.
Die Inzuchtproblematik macht mir sehr Sorgen. Die Rasse BV ist eine solch kleine Population. Mit der genomischen Selektion werden nun nicht nur auf die gleiche Vererber gesetzt, sondern es wird neu auch noch auf die gleichen Allelen selektioniert. Das ist äusserst problematisch!!!!
Swissgenetics hat eine riesige Verantwortung für die braune Kuh. Wenn Swissgenetics z.B. züchterische Fehlentscheidungen bei der Rasse Holstein treffen würde, dann ist dies für die Rasse unbedeutend. Da die Schweizer Population weltweit gesehen unbedeutend ist. Ganz anders beim Braunvieh!!! Die Schweizer Population ist das Herz der weltweiten Population. Fehlentscheidungen können daher für unsere Rasse verherend sein!!! Denkt bitte daran, dass ihr in der Schweiz immer am Herzen der Braunviehzucht handiert!
Angesichts der um ein mehrfaches grösseren Holstein Population, kann das Braunvieh gar nicht anders als an Boden zu verlieren, auch wenn es sich noch so anstrengt und jedes weibliche Tier typisiert, es verliert schon seit der Einführung der Genomik stetig an Boden. Die einzige Chance des Braunviehs ist es, sich deutlich im Markt zu positionieren und von den anderen Rassen abzugrenzen. Dazu gehört eine klarere Definition und Verfolgung der Zuchtziele und auch, dass das Braunvieh sich nicht leisten kann, die selben Fehler zu machen wie die Holsteiner Rasse, gerade wenn es um den umsichtigen Einsatz der genomischen Selektion geht. In diesem Zusammenhang gehen die Vorschläge der Züchtergruppe SG durchaus in die richtige Richtung.
Im übrigen gehen die hier präsentierten Kommentare von Louis Prange am Thema vorbei. Es geht beim Antrag der ZG SG nicht darum, wie man die Sicherheit der Schätzungen um einige Prozentpunkte erhöhen könnte, was das Problem der Versager (die gibt es übrigens auch bei den Holsteinern) nicht löst, sondern wie man die genomischen Zuchtwerte in der kleineren Population umsichtiger einsetzen sollte.
Es braucht ein Zuchtprogramm das von den Bauern getragen wird (Motivation) Es nützt wenig einzelne Regionen gegeneinander auszuspielen. Die Besten Stiere im vergangenen Jahrzehnt kamen aus der Westschweiz. Scherz und Schertenleib Danke den Beiden.
Wir können auch so weiter wursteln wie bisher dann ist in ca. 20 Jahren Schluss mit BS.