Beim virtuellen Zaun tragen die Kühe Halsbänder, die Töne und Reize abgeben. Bei Agroscope und der Universität Göttingen sieht man Chancen, beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen sieht man Probleme mit dem Tierschutz. Würden Sie bei Ihren Tieren virtuelle Zäune einsetzen? Abstimmen und mitdiskutieren
In den vergangenen Wochen haben Bauern vielerorts Fixzäune kontrolliert oder Weiden mit einem mobilen System eingezäunt. Diese aufwändige Arbeit könnte vielleicht bald Geschichte sein.
GPS-Empfänger und App
Virtuelle Zäune könnten stattdessen zum Einsatz kommen. Bei der Forschungsanstalt Agroscope befassen sich Manuel Schneider und Patricia Fuchs mit dem System. «Die kommerzielle Nutzung von virtuellen Zäunen ist in vielen Ländern noch nicht gesetzlich geregelt», sagt Patricia Fuchs zu «Schweizer Bauer». In Norwegen oder Grossbritannien werde das System aber bereits bei Rindern, Schafen und Ziegen eingesetzt.
Gemäss der norwegischen Herstellerin des Nofence-Systems werde Zehntausende Tieren so geweidet. In Deutschland und Italien wird es getestet, ebenso in der Schweiz. Doch wie funktioniert das System überhaupt? «Das Zaunsystem besteht aus einem GPS-Empfänger im Halsband der Kuh. Mit einer App auf dem Smartphone kann man die Kuh orten und auch die virtuelle Weidegrenze festlegen. Nähert sich eine Kuh dieser Grenze, hört sie eine ansteigende Tonfolge als Warnsignal und spürt, wenn sie die virtuelle Grenze überschreitet, einen elektrischen Reiz», erklärt Fuchs.
Keine Limite bei Länge
Bringen Warnton wie auch Reiz nach der dritten Auslösung die Kuh nicht zur Weidefläche zurück, wird das System ausgeschaltet und der Landwirt alarmiert. Kehrt das Tier in die Weidezone zurück, erfolgt die automatische Reaktivierung des Systems. Der elektrische Reiz übers Halsband ist das Pendant zum Stromschlag des Elektrozauns – nur ist die Impulsenergie bis zu 25-mal geringer.
Bei der Länge der virtuellen Zäune gibt es keine Limite. Voraussetzung sind ein GPS-Empfang und eine gute Netzabdeckung. «Ein Halsband kostet 310 Franken. Die jährliche Nutzungsgebühr liegt bei rund 80 Franken pro Halsband, bezogen auf 25 Tiere und 180 Weidetage pro Jahr», sagt Patricia Fuchs.
Agroscope
Ersatz für den 1-Litzen-Zaun
Gemäss Manuel Schneider von Agroscope ist die Konditionierung des Tieres auf den Ton das Ziel. «Es soll lernen, dass etwas Unangenehmes kommt, wenn es trotz Warnton weitergeht», sagt er zu «Schweizer Bauer». Da Rinder ein sehr gutes Gehör hätten, sei der virtuelle Zaun mit seinem Warnton für die Tiere vermutlich einfacher zu verstehen als ein Litzenzaun, so der Forscher.
Er sieht den virtuellen Zaun als Ersatz für den 1-Litzen-Zaun, der die Koppeln unterteilt. Bei festen Zäunen entlang von Wegen ist Schneider skeptisch. Voraussetzungen für den Einsatz sind GPS-Empfang und eine gute Netzabdeckung. Beim norwegischen Nofence-System aktuell 2G, nach einem Update sind dann 4G nötig.
BLV: Zulassung nicht vorgesehen
Ob in der Schweiz der Zaun überhaupt zum Einsatz kommt, ist noch unsicher. Denn laut Tierschutzverordnung sind Zaunsysteme, die über ein Empfängergerät am Körper des Tieres elektrisierend wirken, verboten. Doris Schneeberger vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV): «Eine Zulassung ist nicht vorgesehen, denn aus Sicht des Tierschutzes sind virtuelle Zäune problematisch.»
Tiere würden am nicht sichtbaren Zaun mit einem Reiz daran erinnert, dass sie nun nicht weiter dürfen. «Da sie diesen Reiz nicht mit einem Zaun verknüpfen können, können sie nicht lernen, diesen Reiz zu vermeiden, sodass sie immer wieder bestraft werden», so Schneeberger.
Uni Göttingen sieht keine Probleme
Getestet wird der virtuelle Zaun des norwegischen Herstellers auch an der Universität Göttingen (D). Dort sieht man keine Probleme mit dem Tierschutz. Die Forscher beobachteten 12 Tiere in Gruppen jeweils zwei Wochen lang mit virtuellen Zäunen und erfassten jede Bewegung der Rinder. Dann verglichen sie die Ergebnisse mit dem Verhalten von Tieren einer Vergleichsgruppe, die sie zeitgleich auf einer Fläche mit Elektrozaun hielten.
Die Forscher konnten keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Gruppen feststellen. Nach wenigen Tagen liefen die Tiere nur noch bis zum Piepton, und nicht mehr bis zum Stromimpuls. «Die Kühe haben sich ab dem dritten bis fünften Tag an die neue Technologie angepasst», sagte Martin Komainda von der Universität im Herbst 2020 in ZDF-Sendung «nano». Die virtuellen Zäune beeinflussten das Tierwohl nicht negativ, so der Forscher.
Die Wissenschaftler wollen die App so weiterentwickeln, dass es künftig möglich sein wird, mittels Drohnenbilder auch detaillierte Informationen über den Zustand der Weideflächen zu erhalten.
Ich weiss nicht warum (trotz neurologischer Untersuchung) aber ich kann solche Töne wahr nehmen und die sind schlimmer als der bekannte Fingernagel auf einer Tafel.
Ausserdem hat ein Stromzaun viele Vorteile, die hier vernachlässigt werden, er hilft dabei, Menschen und Hunde aus der Weide fern zu halten.