Das berichtet eine Gruppe um Martin Beer vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) in Greifswald und Jürgen Richt von der Kansas State University in Manhattan nach Versuchen im Fachjournal «Nature».
190 Milchviehbetriebe betroffen
In den Experimenten hatten die Forscher Kälber und Milchkühe mit H5N1 infiziert, insbesondere mit der Variante B3.13. Diese war vorigen März bei Milchkühen im US-Staat Texas gemeldet worden, Anfang August waren 190 Milchviehbetriebe in 13 US-Bundesstaaten davon betroffen. Vereinzelt wurden auch Fälle bei Menschen in solchen Betrieben registriert.
Die Variante B3.13 sei eine Mischung aus einem ursprünglich europäischen und einem nordamerikanischen Vogelgrippevirus, schreiben die Autoren. Demnach sprang dieser Erreger vermutlich Ende 2023 oder Anfang 2024 auf Rinder über und breitete sie sich dann aus.
Über Atemluft infizierte Kühe blieben gesund
Beer, Richt und Kollegen untersuchten nun gezielt, wie Infektionen ablaufen. Dazu infizierten sie zunächst Holsteinrind-Kälber über Nase und Mund mit der Variante B3.13 und gaben zwei Tage später drei weitere Kälber zu der Gruppe. Zwar registrierte das Team bei einzelnen der ursprünglich infizierten Tiere vermehrte Nasenschleimbildung und Husten, aber kein Fieber und keine sonstigen Krankheitssymptome. Auch Appetit und Aktivität blieben normal.
Die nachträglich zu der Gruppe gegebenen Kälber steckten sich nicht an. Sieben Tage nach der Infektion war nur bei der Hälfte der ursprünglich infizierten Kälber eine geringe Menge an Virenerbgut in Gewebe der oberen Atemwege zu finden. Blut und anderes Gewebe enthielten keine Virus-RNA.
Über Euter infizierte Kühe wurden krank
Ganz anders sah es bei Milchkühen aus, die über das Euter infiziert worden waren. Sie zeigten schon einen Tag nach der Infektion einen beeinträchtigten Allgemeinzustand, Haltungsstörungen und Lethargie. Die Milchproduktion sank bei all diesen Kühen um über 90 Prozent.
Am zweiten Tag nach der Infektion wurde die Milch schleimig und zähflüssig, sie trennte sich schnell in flüssige und feste Bestandteile auf. Das betraf sowohl jene Kühe, die mit der Variante B3.13 infiziert worden waren, als auch drei Versuchstiere, denen eine verwandte europäische H5N1-Variante verabreicht worden war. Beers Fazit: «Das Euter ist der zentrale Ort der Virusvermehrung.» Andere Wege schliessen die Forscher nicht völlig aus. «Aber unsere Ergebnisse belegen, dass die Übertragung der Viren von Euter zu Euter am effizientesten ist», so Beer weiter.
Das Melkgeschirr ist die entscheidende Stelle, mit ihm wandert die Infektion von Kuh zu Kuh. Betriebe, die hier auf strikte Hygiene achten, konsequent desinfizieren, könnten die Vogelgrippe schon damit eindämmen, halten die Forscher fest.
Einige Kühe eingeschläfert
In beiden Gruppen wurde jeweils eine Kuh so krank, dass sie am dritten Tag nach der Infektion eingeschläfert werden musste. Milchproben beider Gruppen zeigten hohe Virenlasten. Autopsien ergaben, dass in den Milchdrüsen eine erhebliche Anzahl an Zellen abgestorben war. Bei genetischen Untersuchungen fanden die Forscher eine Mutation, die wohl die Vermehrung des Virus in bestimmten Zellen des Euters ermöglicht.
Allerdings gibt es eine Einschränkung zur Aussagekraft der Studie: Man habe eine frühe Variante des bovinen H5N1-Virus aus den USA untersucht und nur an einer kleinen Zahl von Tieren testen können, heisst es vom FLI. Das Forscherteam stellte aber auch fest, dass die infizierten Tiere einige Tage nach der Infektion bereits neutralisierende Antikörper gebildet hatten, die das Virus erfolgreich bekämpfen können.
Wie konnte sich das Virus in USA über die Stallgrenzen hinaus so schnell und so weit verbreiten? Schon kleine Virusmengen reichten aus, damit sich der Erreger über das Melkgeschirr weiterverbreitet, sagt Beer. «Eine grosse Rolle spielt wahrscheinlich auch der Transport vieler infizierter Tiere.» So sieht das Virologe Martin Schwemmle so. «Die Ergebnisse zeigen, dass der Melkvorgang selbst das Problem ist», sagt er, der am Universitätsklinikum Freiburg forscht und an der Studie nicht beteiligt war.
Pasteurisierte Milch unbedenklich
«Glücklicherweise wurde bisher keine Übertragung von Mensch zu Mensch gemeldet», schreiben die Studienautoren. «Das stützt die Annahme, dass diese Stämme noch keine kritischen Barrieren überwunden haben, um eine Übertragung von Mensch zu Mensch zu ermöglichen.» Das Risiko für Mitarbeiter auf den Milchviehbetrieben, sich über die Atemluft oder das blosse Berühren der Kühe zu infizieren, ist gemäss den Forschern sehr gering.
Allerdings mahnt das Team US-Molkereibetriebe zu erhöhter Aufmerksamkeit, falls Milcheigenschaften auffallen. Dann sollten sie eine Milchdrüsenentzündung infolge einer Vogelgrippe-Infektion in Betracht ziehen. Eine effektive Überwachungsstrategie sei von entscheidender Bedeutung für eine Kontrolle des Ausbruchs unter Kühen.
In Deutschland und Europa wurden bislang keine Hinweise auf Infektionen unter Kühen mit dieser Virusvariante gefunden. Beer zufolge wurden in Deutschland 1500 Tanksysteme mit Milch untersucht – alle waren negativ. Der Konsum der Milch sei unbedenklich. «Pasteurisierte Milch kann man bedenkenlos zu sich nehmen», erklärt Beer. Rohmilch hingegen könne immer krankmachende Keime enthalten, vom Verzehr sei abzuraten.