Landwirt Franz Röösli mit Sohn Janis im Stall vor der Kuhtoilette.
Renate Hodel
Rund 90 Prozent der Ammoniakemissionen stammen aus der Landwirtschaft. Ammoniak entsteht vor allem in der Nutztierhaltung, wenn Harn und Kot aufeinandertreffen. Das Gas verflüchtigt sich, gelangt in die Atmosphäre und wirkt wie ein unkontrollierter Dünger – allerdings nicht dort, wo er gebraucht wird. Besonders gefährlich ist das für sensible Ökosysteme wie artenreiche Magerwiesen, Moore oder Wälder, die durch Stickstoffeinträge langfristig zerstört werden.
Unsichtbares Problem
«Man riecht es, sieht es aber nicht», sagt Luzerner Kantonsrätin Laura Spring (Grüne) bei Familie Röösli auf dem Hof. «Der Stickstoff ist nicht dort, wo wir ihn haben wollen – in der Produktion für unsere Erträge – sondern in der Luft und das ist für die Landwirtschaft wie für die Umwelt ein Problem», erklärt die Co-Verantwortliche Politik bei Bio Suisse weiter und ergänzt: «Wenn wir über die Luft zu viele Stickstoffeinträge bringen, wird der ganze Biodiversitätseffort der Landwirtschaft zum Teil zunichtegemacht».
Gerade im Kanton Luzern ist der Druck hoch: Er weist die höchsten Ammoniakemissionen der Schweiz auf. Ein Grund ist die Tierdichte – eine Folge politisch gewollter «innerer Aufstockung», also der wirtschaftlich getriebenen Konzentration von Nutztieren auf weniger Betrieben.
Innovation aus den Niederlanden
Die «CowToilet» wurde von der niederländischen Firma Hanskamp entwickelt und ist nun zum ersten Mal in der Schweiz im Praxiseinsatz. Der Milchviehbetrieb von Franz Röösli in Hellbühl hat die Anlage installiert – begleitet vom Ressourcenprojekt «Ammoniak und Geruch Zentralschweiz» sowie von Agroscope und dem Kanton Luzern.
Eine Kuh benutzt die Kuhtoilette – im Hintergrund die Lauffläche mit Quergefälle und Harnsammelrinne sowie der erhöhte Fressbereich mit Abtrennungen.
Renate Hodel
Die Kuhtoilette ist eine freistehende Box, die die Kühe freiwillig betreten. Als Lockfutter werden auf dem Betrieb Röösli ein Kilogramm betriebseigene Maiswürfel, verteilt auf kleine Portionen, gefüttert, die rund einen Viertel des insgesamt verabreichten Kraftfutters ausmachen. Nach dem Fressen wird die Kuh von der Maschine zwischen Euter und Vulva stimuliert, damit ein Harndrang entsteht. Dadurch wird verhindert, dass sich Ammoniak überhaupt erst bilden kann. Der Urin wird aufgefangen, separat gelagert und als hochwertiger natürlicher Stickstoffdünger weiterverwendet.
Minderung von 15 Prozent
Wissenschaftler von Agroscope haben die Kuhtoilette zuvor am Forschungsstandort in Tänikon getestet. Dort konnte eine durchschnittliche Harnmenge von 5,5 Litern pro Kuh und Tag gesammelt werden. Das entspricht rund 10 bis 30 Prozent der täglich im Stall ausgeschiedenen Harnmenge pro Kuh – damit erreicht die Toilette eine Minderung der Ammoniakemissionen von rund 15 Prozent.
Der gesammelte Urin könnte unter anderem als wertvoller Stickstoffdünger verwertet werden.
Renate Hodel
In den Niederlanden wurde sogar eine Emissionsminderung von bis zu 45 Prozent gemessen. Die tatsächliche Emissionsminderung hänge aber vom Haltungssystem und vom Lockfuttereinsatz ab, betonte Michael Zähner von Agroscope vor Ort in Hellbühl. Im Stall der Familie Röösli nutzen rund 85 Prozent der 35 Kühe die Toilette – das entspricht etwa 200 Litern Urin täglich. Daraus lässt sich hochwertiger Stickstoffdünger gewinnen, der beispielsweise für den Biolandbau interessant ist. Weil Kühe nicht gleichzeitig urinieren und koten, halte sich der Reinigungsaufwand in Grenzen, sagen Rööslis. Auf einer App wird sichtbar, wie oft die Kuh die Toilette besucht und ob sie uriniert.
Innovation mit Hürden
Auf dem Betrieb der Familie Röösli in Hellbühl kommen zur Kuhtoilette aber noch weitere Massnahmen hinzu: Die Lauffläche mit Quergefälle und Harnsammelrinne sowie ein erhöhter Fressbereich mit Abtrennungen. Zusammengenommen ergibt das eine Reduktion der Ammoniakemissionen um rund 44 Prozent.
Beide Cowtoilets sind besetzt. Während die Kühe fressen, senken sich die Urinalschalen.
Marianne Voss
Die Umsetzung des modernen Stalls mit den entsprechenden ammoniakmindernden Massnahmen erforderte Mut und Durchhaltewillen: Mehrfache Sistierungen verzögerten das Baubewilligungsverfahren um zwei Jahre. Planer Frank Rindlisbacher von der Rindlisbacher AG betont, wie komplex die Integration der Umweltaspekte in Stallbauten ist: «Es muss für das Tier, aber auch für den Bauern funktionieren – und dann kommt noch der Aspekt Umwelt dazu.»
60’000 Franken
Und es braucht Geld, denn die stallbaulichen Massnahmen sind teuer. Allein die beiden Kuhtoiletten kosten rund 60’000 Franken – ohne die weiteren Installationen und Unterhalt. Ohne Unterstützung durch das Ressourcenprojekt wäre der Einbau der Kuhtoilette wohl kaum möglich gewesen. Für 25 Kühe braucht es eine Station.
Das Ressourcenprojekt «Ammoniak und Geruch Zentralschweiz» fördert neben Stalltechnik auch betriebliche Umstellungen mit weniger Tieren oder bessere Fütterungssysteme. Es wird von einem breiten Trägerkreis getragen, darunter der Luzerner Bauernverband und die Zentralschweizer Umweltämter.
Beitrag leisten
Auch das Bundesamt für Landwirtschaft unterstützt das Projekt. «Ammoniak ist ein sehr relevantes Thema – ökologisch wie politisch», sagt Samuel Vogel vom BLW. Der Bund hat zum Ziel gesetzt, die Stickstoffverluste in der Schweiz bis 2030 um 15 Prozent zu senken, die Ammoniakemissionen sogar um 30 Prozent.
Die «Cow Toilet» könnte dazu einen Beitrag leisten. Dass die Kuhtoilette – wie einst der Schleppschlauch – aber zum Standard in der Landwirtschaft wird, bleibt abzuwarten und ist bei nüchterner Betrachtung wohl eher unwahrscheinlich.
Und Innovation alleine reicht nicht – das zeigt auch die politische Dimension: «Man kann nicht einfach den einzelnen Betrieben die Verantwortung zuschieben», mahnt Luzerner Kantonsrätin Laura Spring. «Es braucht eine Politik, die mitzieht und Innovation auch finanziell ermöglicht.»
Ressourcenprojekt Ammoniak
Das Ressourcenprojekt Ammoniak und Geruch Zentralschweiz zeigt Möglichkeiten auf, wie Ammoniakemissionen auf Landwirtschaftsbetrieben reduziert werden können. Die folgenden Massnahmen werden über das Ressourcenprojekt für den Teil Ammoniak mitfinanziert: Mehrkosten durch ammoniakmindernde Massnahmen an Rindvieh- und Schweineställen, Umstellung auf Betriebszweige mit hoher Wertschöpfung mit weniger Tieren, Verbesserungen entlang der Futterkette bei Rindvieh und für den Aufbau innovativer Betriebszweige.
Hinter dem Projekt steht eine breite Trägerschaft, bestehend aus dem Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband (LBV), den Zentralschweizer Landwirtschafts- und Umweltämtern, dem Zentralschweizer Bauernbund und der Gemeinde Hohenrain.
Im März 2024 wurde im luzernischen Ufhusen der erste «Muster-Schweinestall» einem breiten Publikum vorgestellt. Dies, nachdem im Frühjahr 2023 der erste «Muster-Rindviehstall» in Merlischachen SZ präsentiert worden ist.
Der Laufstall ist halt doch nicht das gelbe vom Ei; in mancherlei Hinsicht !
Kuhtoilette = Wohlstandsverblödung.