In den letzten vier Jahren wurden bei fünf Freibergerfohlen schwere Entzündungen der Bauchspeicheldrüse festgestellt. Trotz intensiver Behandlungsversuche verstarben alle Fohlen oder mussten eingeschläfert werden. Diese Beobachtungen wurden letzten Herbst erstmals durch das Institut Suisse de Médecine Equine (Isme) kommuniziert. Schnell stand der Verdacht einer Erbkrankheit namens Hypertriglyceridämie induzierte Pankreatitis (HIP) im Raum.
Akute Entzündung
HIP ist eine Stoffwechselkrankheit, die durch eine genetische Mutation, auch Gendefekt genannt, verursacht wird. Das betroffene Pferd produziert ein wichtiges Enzym im Fettstoffwechsel nicht mehr richtig. Ohne dieses Enzym können die aufgenommenen Fette nicht verarbeitet werden, was zu einer schädlichen Anhäufung von Fett im Blut führt.
Sprich, den Fohlen fehlt das entsprechende Enzym, und es reichert das mit der Muttermilch aufgenommene Fett im Blut an. Dies führt unweigerlich zu einer akuten Entzündung der Bauchspeicheldrüse und in der Regel zum Tod des betroffenen Fohlens in den ersten Lebenswochen. Typische Symptome sind laut Isme Appetitlosigkeit, Durchfall, Fieber und Apathie.
25-prozentiges Risiko
«Wenn beide Eltern des Tieres Träger der Genvariante sind, besteht ein 25-prozentiges Risiko, dass das Fohlen den Gendefekt sowohl vom Vater als auch von der Mutter erbt», schreibt Isme. Ob Zuchttiere Träger sind und den Gendefekt weitervererben, kann nun ermittelt werden. Im Eiltempo haben die Forscher einen Gentest entwickelt, der seit Anfang Monat verfügbar ist.
Stimmen aus der Pferdewelt
- Olivier Camal, Züchter und Hengsthalter in Moutier, sagt gegenüber «TeleBielingue»: «Es scheint sich nicht um eine häufige Krankheit zu handeln. Im Moment wissen wir nur, dass mehrere Züchter ohne ersichtliche Ursache Fohlen verloren haben.» Und weiter meint er: «Man kann nicht alle Träger dieser Mutation ausmerzen, denn das würde die genetische Vielfalt reduzieren und am Ende die Population schwächen.»
- «Wenn ein Hengst Träger ist, wird er wohl an Marktwert verlieren», befürchtet ein Züchter, der nicht namentlich genannt werden möchte im «Bieler Tagblatt».
- «Wir haben die Informationen gerade erst erhalten. Die Erkenntnisse sind neu für uns. Wir werden die Situation zuerst analysieren, bevor wir Entscheidungen treffen», sagt Pauline Queloz, Geschäftsführerin des Schweizerischer Freibergerverbandes (SFV).
- Queloz relativiert: «Wir leben seit über 30 Jahren mit diesem Gen. Der Defekt wird den Fortbestand der Freiberger nicht gefährden.» Angesichts der Population von rund 18'000 Exemplaren in der Schweiz sei die Zahl der dokumentierten Fälle gering. «Die Rasse kann mit dieser Anomalie weiterleben. Es geht nur darum, Risikoverpaarungen von zwei Anlageträgern zu vermeiden», so Queloz gegnüber dem «Bieler Tagblatt».
Der neue Gentest bietet eine zuverlässige Möglichkeit, betroffene Tiere zu identifizieren. Mithilfe einer Blutprobe kann festgestellt werden, ob ein Pferd die genetische Mutation trägt, die für die Krankheit verantwortlich ist. Der Test kostet 80 Franken (zuzüglich der Blutentnahme durch den Tierarzt) und stellt eine kostengünstige Lösung dar, die Verbreitung von HIP in der Freibergerpferdezucht zu verhindern.
So sinkt Risiko
Züchter können den Test verwenden, um ihre Zuchtentscheidungen gezielt zu treffen. Wenn ein Pferd als Träger der defekten Genvariante identifiziert wird, können Züchter vermeiden, es mit anderen Trägern zu paaren, wodurch das Risiko sinkt, dass erkrankte Fohlen zur Welt kommen.
Ist ein Pferd Anlageträger für HIP, so hat es zwar selbst keine gesundheitlichen Auffälligkeiten, kann jedoch den Gendefekt an die Nachkommen weitergeben. In der Zucht sollten Anlageträger-Pferde nur mit HIP-freien Pferden verpaart werden. Das Fohlen wird in diesem Fall nicht an HIP erkranken, jedoch mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent selber Anlageträger sein.
Achtung bei Verpaarung
Wird ein Anlageträger-Pferd mit einem anderen Anlageträger verpaart, besteht ein 25-prozentiges Risiko, dass das Fohlen an der schweren und meistens tödlich verlaufenden Störung des Fettstoffwechsels erkranken wird. Gemäss Schweizer Tierschutzgesetzgebung ist die bewusste Verpaarung von zwei Anlageträgern verboten, weil damit gerechnet werden müsse, dass dem Fohlen erblich bedingt Schmerzen, Leiden oder Schäden entstünden, schreibt Isme.
Mitte Februar war noch nicht bekannt, wann die gekörten Freiberger-Zuchthengste auf HIP getestet werden. Nun aber lässt der Freibergerverband (SFV) gegenüber dem «Bieler Tagblatt» verlauten, dass demnächst alle Hengste des Schweizerischen Nationalgestüts getestet werden. Für private Züchter bleibe die Lösung offen.
Pauline Queloz, Geschäftsführerin des SFV erklärt ausserdem, dass man des Gentest in das Auswahlverfahren für Hengste integrieren wolle, ohne jedoch einen Gebrauch vorzuschreiben. Den Züchtern wird indes von Isme empfohlen, ihre Zuchttiere testen zu lassen und Verdachtsfälle von an HIP erkrankten oder verstorbenen Fohlen zu melden.
HIP-Gentest für Pferde
Das Institut für Genetik empfiehlt, sowohl Hengste als auch Stuten zu testen – jedoch vor allem dann, wenn die Tiere in der Zucht eingesetzt werden sollen. Züchterinnen und Züchter können so vor einer geplanten Verpaarung sicherstellen, dass wenigstens eines der beiden Elterntiere frei von dem Gendefekt ist. Solange mindestens eines der beiden Elterntiere frei ist, können keine HIP-Fohlen geboren werden. Die ganze Summe der Verpaarungen zu erfassen sei aber schwierig, da viele Pferdewirte die Hilfe von lokalen Tierärzten in Anspruch nehmen würden, wie die Berner Wissenschafter im «Bieler Tagblatt» erklären.
Für einen HIP-Gentest braucht es 5 bis 10 ml Blut des zu testenden Tieres sowie den ausgefüllten Untersuchungsantrag mit einer tierärztlichen Bestätigung der Tieridentifikation und einer Kopie des Stammbaums. Das Resultat des Gentests wird nach ein bis drei Monaten per E-Mail oder schriftlich mitgeteilt. Im Hinblick auf die anstehende Decksaison wird das Institut im ersten Quartal 2025 versuchen, die Verfahren zu beschleunigen.


