«Schweizer Bauer»: Wie viele Pferde gibt es in der Schweiz, und wie viele davon sind Zuchtpferde?
Salome Wägeli: In der Schweiz gibt es rund 110’000 Pferde. Die Anzahl Zuchtpferde kann man kaum sagen. Es gibt auch keine wirkliche Definition von Zuchtpferd.
Welche Bedeutung hat die Pferdezucht heute in der Schweiz?
Die Geburtenzahl hat in der Schweiz rasant abgenommen. Laut Publikation Haras national um ungefähr 21%. Die Schweizer Pferdezucht gewinnt jedoch daher auch an Bedeutung. Jedes Fohlen wird wichtiger – auch um die Nachfrage bzw. den Bedarf decken zu können.
Welche Bedeutung hat die Pferdezucht heute für die Landwirtschaft?
Die Freibergerzucht ist immer noch klar in bäuerlicher Hand und teilweise auch ein sehr wichtiges Betriebsstandbein, natürlich vor allem im Jura. Obwohl vielleicht bei den anderen Pferderassen es nicht mehr der Landwirt per se ist, welcher Pferdezucht betreibt, findet die Pferdezucht nach wie vor in der Landwirtschaft statt. Das heisst, die Zuchtstuten stehen auf Landwirtschaftsbetrieben in Pension, die Fohlen kommen dort auf die Welt und werden auf Fohlenweiden grossgezogen, die in der Regel ebenfalls Landwirtschaftsbetriebe sind. Die Pferdezucht in der Schweiz ist durch die starke Verbundenheit zum Grünland, sprich Flächengebundenheit, unweigerlich an die Landwirtschaft gebunden. Dadurch wird die Pferdezucht in der Schweiz immer ein Teil der Schweizer Landwirtschaft sein.
Salome Wägeli ist Vize-Präsidentin des Verbands Schweizerischer Pferdezuchtverbände (VSP).
Jacqueline Graber
Wie hat sich die Pferdezucht in den letzten Jahrzehnten entwickelt?
Die Anzahl an Fohlengeburten nahm in der Schweiz drastisch ab. Die hohen Kosten der Pferdezucht, von der Haltung und Besamung der Stuten bis zur Aufzucht der Fohlen, können oftmals durch den Verkauf der Tiere nicht gedeckt werden – das ist sicherlich einer der Hauptgründe. Aber auch das Umfeld für die Pferdezucht ist nicht einfacher geworden – die rechtlichen Rahmenbedingungen, sei es Tierschutz oder auch Raumplanung, sind in der Schweiz eine Herausforderung. Viele ältere Züchter und Züchterinnen hören derzeit mit der Pferdezucht auf und haben keinen Nachwuchs. Wir sind mitten in einem Generationenwechsel.
Wie ist die Pferdezuchtbranche organisiert?
In der Schweiz gibt es zahlreiche Pferdezuchtorganisationen bzw. Rassenverbände. Oftmals kümmert sich eine Organisation um eine Rasse, wie zum Beispiel der Schweizerische Freibergerverband oder der Schweizer Verband für Berberpferde. Wenige, wie zum Beispiel der SVPK, der Schweizerische Verband für Ponys und Kleinpferde, haben mehrere Rassen unter sich. Im Falls des SVPK sind es über 30 Rassen. Nicht alle Zuchtorganisationen sind durch das Bundesamt für Landwirtschaft als offizielle Equiden-Zuchtorganisation anerkannt. Das müssen sie aber auch nicht sein, um eine bestimmte Pferderasse züchten zu können. Zum Teil sind Pferdezuchtorganisationen auch hervorragend international organisiert. Als Beispiel nenne ich hier immer die Islandpferdevereinigung, welche aber auch in der Schweiz offiziell anerkannt ist als Tierzuchtorganisation. Derzeit sind 13 Zuchtorganisationen offiziell durch das BLW anerkannt. Der VSP ist der Dachverband der Schweizer Pferdezuchtorganisationen. Bei uns sind Zuchtorganisationen, aber auch Interessensgruppen, welche die Schweizer Pferdezucht stärken möchten, Mitglied. Unsere Mitglieder decken mittlerweile über 90% aller Fohlengeburten in der Schweiz ab.
Wie viele verschiedene Rassen werden in der Schweiz gezüchtet?
Das ist schwierig zu sagen. Ein Problem hier ist, dass zum Teil die Fohlen falsch auf Agate registriert werden. Sieht man sich die Geburten nach Rasse auf Agate an, dann kommen wir auf 90 verschiedene Rassen.
Welches sind die fünf wichtigsten Pferderassen in der Schweiz?
Wenn man nach Fohlengeburten geht, dann war das 2023: Freiberger, Schweizer Sportpferde (Warmblut), Shetlandponys, Islandpferde, Haflinger. Es muss jedoch erwähnt werden, dass zum Beispiel bei den Ponys nicht immer klar die Rasse definiert wird oder eben zum Teil auch falsch deklariert wird – insgesamt wird eine verhältnismässig grosse Anzahl an Ponys in der Schweiz gezüchtet.
Kann man von der Pferdezucht leben?
Es gibt nach wie vor erfolgreiche Züchter in der Schweiz, die das durchaus können. Vor allem diejenigen, welche auch selbst die Ausbildung der Pferde übernehmen oder auf der anderen Seite diejenigen, die Tiere bereits im Fohlenalter zu guten Preisen verkaufen können, sind die wirtschaftlich Erfolgreichen. Die Mehrzahl kann es jedoch nicht – das ist leider die Realität. Ich muss jedoch auch betonen, dass dies mehrheitlich auch nicht mehr der Anspruch ist. Für viele Züchter ist die Pferdezucht ein Hobby.
In welchen Ländern hat die Pferdezucht heute noch einen grossen Stellenwert?
Die Pferdezucht hat in einigen Ländern immer noch einen sehr hohen Stellenwert – aber das heisst nicht, dass es dort unbedingt lukrativer ist. In traditionellen Pferdezuchtländern, wozu ich auch Deutschland und Frankreich zähle, ist die Bedeutung der Pferdezucht immer noch gross, sie kämpfen aber mit ähnlichen Problemen wie wir.
Wie ist der VSP organisiert?
Es gibt einen gewählten Vorstand, welcher sich um die Anliegen der Mitglieder kümmert. Derzeit sind es 20 Mitglieder. So viele wie noch nie seit der Gründung des VSP.
Wieso braucht es den VSP?
Die grosse Anzahl an Mitgliedern und auch Neumitgliedern in den letzten Jahren zeigt, dass das Bedürfnis für eine Dachorganisation gross ist bzw. steigt. Viele der Organisationen sind ehrenamtlich organisiert und haben keine Zeit, sich auch noch politisch für die Pferdezucht einzusetzen oder sich um strukturelle Probleme zu kümmern. Das sind die Aufgaben des VSP. Wir bringen alle Mitglieder an einen Tisch und diskutieren gemeinsame Probleme, welche alle betreffen bzw. rassenübergreifend sind. Unser Hauptziel ist, gute Bedingungen für die Schweizer Pferdezucht zu schaffen und uns dementsprechend auf politischer Ebene für sie einzusetzen. Wenn es Themen gibt, bei denen sich die Organisationen uneins sind, zum Beispiel beim Import, dann versuchen wir mit den verschiedenen Akteuren zusammenzusitzen und einen Konsens zu finden. Wie gesagt wird das Umfeld für die Schweizer Pferdezucht nicht einfacher, deshalb ist es wichtig, dass wir uns aktiv dafür einsetzen. Wir sehen das Problem übrigens nicht nur für die Schweizer Pferdezucht, sondern insgesamt für das Pferd in der Schweiz. Deshalb arbeiten wir auch eng mit anderen Organisationen zusammen – das gemeinsame An-einem-Strick-Ziehen empfinden wir als sehr wichtig und für die gesamte Pferdebranche als zielführend.
Beenden Sie die Sätze…
Pferdezucht ist… und bleibt immer ein Teil der Schweizer Landwirtschaft.
Landwirtschaft ist… mehr als nur Produktion.