Tierschützer aus der Schweiz und Deutschland prangern Missstände auf isländischen Pferdefarmen an. Filmaufnahmen zeigen, wie trächtigen Stuten unter tierquälerischen Bedingungen Blut abgezapft wird. Daraus wird in Hormonpräparat für die Schweinezucht hergestellt, das auch in der Schweiz angeboten wird. Suisseporcs will mit einem Vorstoss dafür sorgen, dass das Präparat nicht mehr eingesetzt wird.
Auf über 100 Blutfarmen in Island wird rund 5000 trächtigen Stuten Blut abgezapft für die Produktion des Fruchtbarkeitshormons PMSG (Pregnant Mare Serum Gonadotropin), wie der Tierschutzbund Zürich (TSB) und die in Deutschland ansässige Animal Welfare Foundation am Dienstag mitteilten. Auftraggeber der Blutfarmen ist gemäss TSB das isländische Pharmaunternehmen Isteka.
Neu 600’000 Liter
Die PMSG‐Produktion in Island steigt rasant, schreiben die Tierschützer. Bis 2019 hat sie sich innerhalb weniger Jahre verdreifacht. Nun erhielt Isteka von der isländischen Umweltbehörde die Genehmigung, die Produktion nahezu zu vervierfachen, von derzeit 170’000 Liter Blut auf 600’000 Liter. «Das würde bedeuten, dass in Island bis zu 20'000 Stuten, also bis zu 30% aller in Island lebenden Stuten im Blutgeschäft eingesetzt werden würden. Um diese Anzahl Pferde zu halten, bedarf es einer Fläche, die dreimal so gross ist wie die Hauptstadt Reykjavik», so Sabrina Gurtner, Projektleiterin beim TSB Zürich.
Für die halbwilden Pferde sei die Blutentnahme eine Tortur, es komme dabei zu «massiver Tierquälerei». Filmaufnahmen zeigen, wie die Tiere unter anderem mit hupenden Autos und bellenden Hunden zusammengetrieben, und anschliessend mit Stockschlägen in die Boxen getrieben werden, wo sie für die Blutabnahme fixiert werden. Gemäss einer Expertin ist die Verletzungsgefahr für die Tiere dabei erheblich. Es komme zu heftigem und potenziell gefährlichem Abwehrverhalten.
Fünf Liter pro Abnahme
«Diese Blutentnahme bedeutet für ein halbwild lebendes und nicht menschengewohntes Fluchttier höchste Bedrohung und Unfähigkeit, den angeborenen Fluchttrieb auszuleben», sagen Iris Bachmann (Leiterin der Forschungsgruppe Equiden von Agroscope) und Anja Zollinger (Verantwortliche Beratungsstelle Pferd) nach Konsultation der Aufnahmen.
Das Setzen der einen halben Zentimeter dicken Kanüle verursache trotz Lokalanästhesie Schmerzen und Angst. «Die Pferde wollen mit aller Macht der Zwangssituation entkommen, geraten in Panik, manche rutschen auf dem matschigen Untergrund aus und liegen in der Box fest, aufgehängt am Kopf», schildert Sabrina Gurtner die Blutabnahme. Bis zu fünf Litern Blut sollen pro Entnahme abgezapft werden. Dies einmal pro Woche während zwei Monaten.
TSB
«Haben uns von Blutfarmen getrennt»
MSD/Intervet vertreibt das fertige PMSG‐Präparat P.G. 600 auch in der Schweiz. Über die Blutentnahme hat auch der «Kassensturz» auf SRF berichtet. Die Konsumentensendung konfrontierte Präparate-Herstellerin MSD zu den Vorwürfen. Das Unternehmen antwortet schriftlich, dass das Tierwohl für MSD einen hohen Stellenwert habe.
Es sei eine Untersuchung durchgeführt worden. Das Unternehmen hat sich nach eigenen Angaben von Blutfarmen getrennt, die die Tierschutz-Standards nicht einhielten. «Bei diesen Betrieben hat es sich um Einzelfälle gehandelt, die nicht repräsentativ für den Gesamtbestand sind, wie uns unser Lieferant versichert hat», so MSD.
Schnell wachsendes Geschäft
Die Hormon-Präparate werden von verschiedenen Pharmakonzernen vertrieben, auch in der Schweiz ist laut Mitteilung mindestens eines davon erhältlich. Die Tierschützer fordern nun ein europaweites Produktions- und Importverbot für PMSG. Dafür zuständige wäre die EU-Kommission.
Die Präparate, die vorwiegend in der Schweinezucht zum Einsatz kommen, ermöglichen den Züchtern eine zeitgenaue Planung der künstlichen Befruchtung und der Geburten. Alternative Methoden dazu, die ohne PMSG auskommen, sind vorhanden. Gemäss TSB handelt es sich um hormonfreie Methoden, sogenannte zootechnische Massnahmen, welche die Brunst der Muttersauen zum Beispiel durch Lichtmanagement und Ebernähe auslösen können. Es gibt auch synthetische Alternativpräparate, die die Fruchtbarkeit der Sauen steuern.
Suisseporcs will PMSG nicht mehr einsetzen
Es ist nicht zum ersten Mal, dass Pferdehormon-Präparate ins Visier der Tierschützer geraten. 2015 sorgten ähnliche Bilder aus südamerikanischen Farmen für Empörung. Suisseporcs, der Branchenverband der Schweizerischen Schweinehalter, forderte Schweinezüchter und Tierärzte damals dazu auf, auf den Einsatz solcher Präparate künftig zu verzichten.
Gegenüber «Kassensturz» sagte nun Meinrad Pfister, Zentralpräsident von Suisseporcs: «Wir werden im Zentralvorstand von Suisseporcs am 16. Februar den Vorschlag machen, dass wir zuhanden von Suisse Garantie den Antrag stellen, dass das Hormon PMSG nicht mehr eingesetzt wird. Von diesen Bildern, die wir jetzt gesehen haben, müssen wir uns distanzieren, und wir warten nicht auf die Politik. Ich gehe davon aus, dass der Zentralvorstand dem Antrag folgen wird.»
Pfister sagte weiter, der Verband können keine Verbote erlassen. Deshalb rufe man die Schweinehalter auf, auf den Einsatz des Präparats zu verzichten. Im Gegensatz zum Ausland werden das Medikament in der Schweiz nur in der Zucht eingesetzt.
In der Antwort auf einen Vorstoss im Nationalrat zum Thema antwortete der Bundesrat im Dezember 2015, dass PMSG-Präparate in schätzungsweise 10 Prozent der Schweizer Schweinezuchtbetriebe eingesetzt werde. Heute sind es noch rund 1 bis 2 Prozent.