Virtuelle Zaunsysteme sind für Rinder, Schafe und Ziegen kommerziell erhältlich, aber aufgrund von Tierschutzbedenken in der Schweiz nicht erlaubt. Negativer Stress für die Tiere, die Anwendbarkeit und Zuverlässigkeit sind offene Fragen. Dies schreibt Agroscope zu der Ende Januar publizierten Studie.
Agroscope hat demnach ein virtuelles Zaunsystem sowohl im Tal an laktierenden Milchkühen als auch im Berggebiet an Rindern getestet. Das Resultat sei positiv: Die Kühe lernten nach durchschnittlich acht elektrischen Reizen korrekt an der virtuellen Grenze zu reagieren. Dies ist unter den jeweiligen Versuchsbedingungen mit früheren Studien vergleichbar.
Im folgenden Video ist zu sehen, wie der virtuelle Zaun funktioniert:
Die meisten Tonsignale und Stromimpulse traten in den ersten drei Tagen auf, so Agroscope. Danach sei die Anzahl der Stromimpulse gering geblieben und sei schliesslich auf null gesunken, auch wenn die Kühe in eine andere Koppel mit neuer Zaunlinie gewechselt wurden.
So funktioniert’s
Jede Kuh trägt ein GPS-Halsband, welches über Mobilfunk mit einer Smartphone-App gekoppelt ist. Dank deren Informationen kann eine Herde auch aus der Ferne überwacht werden. Per App wird die virtuelle Weidegrenze festgelegt. Sobald sich die Kuh der Grenze nähert, ertönt ein akustisches Signal als Warnung. Überschreitet sie die Grenze, folgt ein leichter elektrischer Impuls.
Das akustische Signal in ansteigender Tonfolge macht den elektrischen Impuls für die Tiere vorhersehbar. Die Abfolge von Tonsignal und elektrischem Impuls wird an der virtuellen Grenze bis zu dreimal wiederholt. Überschreitet die Kuh alle drei Warnzonen, werden die Reize automatisch deaktiviert und der Besitzer per Smartphone alarmiert. Die aktuelle Position der entlaufenen Kuh ist jederzeit per App abrufbar.
Im Versuch von Agroscope wurden die Aussengrenzen des Weidelandes zur Strasse hin weiterhin mit einem herkömmlichen Zaun gesichert. Es wurden jedoch keine Ausbrüche der Kühe aus ihren virtuell definierten Weidebereichen registriert, schreibt Agroscope.
Milder als herkömmlicher Zaun
Der Stromimpuls am Halsband ist ca. fünfundzwanzigmal schwächer als der eines herkömmlichen Elektrozauns. Zudem ist der Hals eine Körperstelle, die weniger schmerzempfindlich ist als die Nase, die üblicherweise beim ersten Kontakt mit einem Elektrozaun getroffen wird. Auch Zaununfälle werden für Wild- und Weidetiere reduziert. Hindernisfrei können Wildtiere laut Agroscope ihre Lebensräume durchqueren.
Tierwohl bei Elektro- und virtuellem Zaun vergleichbar
Um die Stressreaktion der Tiere während des Lernprozesses zu bewerten, erhoben die Agroscope-Forschenden verschiedene Indikatoren wie das Aktivitäts- und Liegeverhalten, der Futterverzehr, das Körpergewicht oder die Milchleistung. Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Kühen in traditioneller Umzäunung und jenen mit virtuellem Zaun.
Ebenso waren die in der Milch gemessenen Werte des Stresshormons «Kortisol» in beiden Gruppen vergleichbar. Wie erwartet gab es zu Beginn des Lernprozesses Reaktionen auf den elektrischen Impuls, wie z.B. das hastige Entfernen vom virtuellen Zaun. Dieses Verhalten wurde gemäss Agroscope nach dem Lernerfolg der Tiere jedoch nicht mehr beobachtet.
Einfache Handhabung mit vielen Vorteilen
Mit ein paar Klicks ist der Zaun verschoben, was laut Agroscope im Vergleich zum herkömmlichen Zaun eine grosse Zeitersparnis erlaube. Das Weidemanagement sei unkompliziert. Präzis werden die Kühe in Weiden mit passendem Pflanzenstadium geführt und so bedarfsgerecht gefüttert.
Ebenso einfach könnten vernässte Stellen oder Gebiete mit Giftpflanzen ausgezäunt werden. Das Risiko von Weideparasiten oder Leberschäden könne so gesenkt werden. Je nach Wetter seien steile und erosionsgefährdete Flächen rasch ausgeschieden und empfindliche Flächen vor Bodenverdichtung bewahrt. Unkräuter könnten durch die Weideführung zurückdrängt werden, schreiben die Forschenden.
Auch im Berggebiet mit kleinräumig wechselnder Topografie bewährte sich das virtuelle Zaunsystem. Hier ist aber wegen den für Tier und Technik anspruchsvollen Bedingungen eine sorgfältige Platzierung der virtuellen Grenze besonders wichtig.
Die Studien wurden im Sommer 2021, 2022 und 2023 durchgeführt. Das Projekt wurde vom Schweizerischen Landmaschinen-Verband (SLV) finanziell unterstützt. Die Studie kann hier gefunden werden (in englischer Sprache).
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