Letztes Jahr rückten die Feuerwehren im Kanton Bern 36-mal zur Grosstierrettung aus. Dabei retteten die Einsatzkräfte 37 Tiere aus einer misslichen Lage. Im Jahr zuvor waren es 40 Einsätze und 55 gerettete Tiere. Denn im Jahr 2021 stürzte eine ganze Gruppe Mastschweine in eine Jauchegrube.
Hansueli von Arx, Fachspezialist Feuerwehr beim Feuerwehrinspektorat des Kantons Bern, sagt, dass die Feuerwehren am häufigsten Rinder retten müssten. Und das meist, weil diese in die Güllegrube gefallen seien.
Drei Institutionen spannen zusammen
Seit jeher halfen die Feuerwehren im Kanton Bern nach bestem Wissen und Gewissen bei der Rettung von Rindern, Pferden und Schweinen. 2016 begann die Zusammenarbeit der Gebäudeversicherung Bern, die mit dem Feuerwehrinspektorat die unmittelbare Aufsicht über die Feuerwehren im Kanton hat, des Nationalen Pferdezentrums und der veterinärmedizinischen Fakultät der Uni Bern zur Grosstierrettung.
Ihr Ziel ist es, tierschutzkonforme Rettungsaktionen durchzuführen und die Sicherheit der Rettungskräfte zu verbessern. Von Arx ist stolz auf das gemeinsame Wirken in den vergangenen Jahren und sagt: «Es ziehen alle am gleichen Strick.»
Gurt, Netz oder Schweif
Das tun auch die sieben Teilnehmer der dreitägigen Fachdienstausbildung Grosstierrettung. Es sind Mitglieder der Milizfeuerwehren Eggiwil BE und Aarberg BE sowie zwei Mitarbeiter eines Grosstierrettungsdienstes aus Deutschland. Am letzten Kurstag erhalten sie auf dem Ausbildungsgelände von Schutz und Rettung Bern, der Berufsfeuerwehr Bern, die Aufgabe, ein Pferd aus einem umgekippten Pferdeanhänger zu bergen.
Zwar handelt es sich beim Pferd um ein Plastikdummy, dennoch wirkt der Schauplatz mit dem auf der Seite liegenden Anhänger authentisch. Die Kursteilnehmer stehen zusammen und besprechen, wie sie die Rettung angehen wollen. Während der Ausbildung haben die Feuerwehrmänner gelernt, wie sie den Tieren die Netze und Tragegurte richtig anlegen, damit diese mithilfe eines Krans oder gar eines Helikopters aus einer prekären Lage befreit werden können.
Die Teilnehmenden der Ausbildung besprechen, wie sie das Dummy-Pferd aus dem gekippten Anhänger retten wollen.
Bettina Kiener
Sicherheit geht vor
Im Theorieteil zur Anatomie der Tiere haben sie unter anderem erfahren, dass die Schweifrübe beim Pferd einiges an Spannung aushält und dass das Pferd darum für eine kurze Distanz am Schweif gezogen werden kann. Dieses neu erworbene Wissen machen sie sich nun zunutze und bergen so das Pferd aus dem Anhänger.
Hätte es sich beim verunfallten Tier nicht um eine Kunststoff-Pferd gehandelt, wäre es vor der Rettung sediert worden. Kursdozent und Tierarzt Beat Wampfler sagt: «Nach meiner Erfahrung verhalten sich die Tiere meist ruhig, wenn sie sich in einer ausweglosen Situation befinden.» Das könne sich nach oder sogar noch während der Rettungsaktion aber rasch ändern und der Tierarzt betont: «Die Sicherheit aller Beteiligter geht vor.»
Die Mehrheit der an der Ausbildung teilnehmenden Milizfeuerwehrmänner sind Landwirte, und einer der Bauern sagt, dass er sich zwar nicht darum gerissen habe, diese Ausbildung zu absolvieren, dass er es aber sinnvoll finde, dass sich Personen in der Grosstierrettung ausbilden liessen, die sich den Umgang mit den Tieren gewohnt seien.
Die Rettung einer 700-Kilo-schweren Kuh kostet die Besitzerin im Kanton Bern Fr. 600. (Bild: zvg)
zvg
Feuerwehr und Tierarzt
Verunfallt auf dem eigenen Betrieb zum Beispiel ein Rind, Pferd oder Schwein, sollte man als Landwirt zuerst die Feuerwehr (118) anrufen und möglichst auch die Hoftierärztin informieren.
So können die Fachpersonen zusammen die Rettung planen. «Es braucht eine gemeinsame Lösung im Sinne des Tieres», sagt Markus Wegmüller, Ausbildner beim Feuerwehrinspektorat Bern.
Kosten je nach Gewicht
Im Kanton Bern wird die Rettung eines Grosstieres nach Gewicht verrechnet. Für ein Tier, das leichter als 200 Kilo ist, liegt die Pauschale bei 600 Franken. Bei einem Gewicht zwischen 200 bis 800 Kilo sind es 1’200 Franken und bei einem über 800 Kilo schweren Tier betragen die Kosten 1’500 Franken.
Die Hälfte des jeweiligen Betrags muss der Tierbesitzer übernehmen, den Rest übernimmt die Gebäudeversicherung Bern im Rahmen der nachbarschaftlichen Hilfeleistung. Die Rettung einer Kuh mit einem Gewicht von rund 700 Kilo kostet die Besitzerin also 600Fr.
Im Laufe des Kurstags werden die Feuerwehrmänner nebst dem Pferd im Anhänger auch noch eine Dummy-Kuh aus einer Güllegrube retten sowie ein Dummy-Pferd, das in einem Sumpf feststeckt.
Im Video der Berner Gebäudeversicherung können Sie eine solche Grosstierrettung mitverfolgen: