Mit dem eigenen Freibergerpferd als Trainsoldatin in der Schweizer Armee: Anja Tschannen erzählt im Trainblog von ihren Erlebnissen während der Sommer-Rekrutenschule 2020. Wenn sie nicht gerade mit dem Trainpferd über Stock und Stein stampft, ist sie als Redaktorin beim «Schweizer Bauer» und als Landwirtin tätig. In diesem Teil geht es um die Überlebenswoche.
Die so genannte Überlebenswoche steht an. Während wir die Woche davor im Wallis auf der Verschiebung waren, hatten die Hundeführer bereits die Übung «Move» in der eine Art Überlebenswoche integriert war.
Schnell kamen uns deshalb die Gerüchte von wenig Schlaf und komisches Essen à la «Chili con carne», so gar nicht mein Ding, zu Ohren. In weiser Voraussicht habe ich deshalb via Feldpost kleine Ravioli-Dosen kommandiert.
36-Stunden-Übung angesagt
Mit reichlich Respekt und gespannt auf das nächste Abenteuer gehe ich also an die Woche 15 meiner Rekrutenschule heran. Unsere «Überlebenswoche» steht unter dem Stern der Übung «Gardia». Das Szenario ist in den Köpfen des Berufsmilitärs entstanden und laut Erzählungen stets eines ihrer Highlights der laufenden Rekrutenschulen. So quasi Geburtstag, Ostern und Weihnachten in einem.
Der Trainzug muss gemeinsam mit dem Hufschmiedezug die beiden Munitionslager des Waffenplatzes bewachen. Die Übung soll laut Angaben 36-Stunden am Stück dauern.
Wir werden in verschiedene Gruppen aufgeteilt. Als Patrouillenreiter besteht meine Aufgabe darin, gemeinsam mit meinem Binom hoch zuPferd einen Vorgegebenen Sektor zu überwachen und Auffälligkeiten via Funk und möglichst Ein-Weg-Kommunikation an den Kommandoposten zu melden.
Zwei Stunden Patrouille, zwei Stunden Ruhezeit, zwei Stunden Reserve
Der Einsatzplan sieht folgendermassen aus: Zwei Stunden Patrouille, zwei Stunden Ruhezeit, zwei Stunden Reserve und dann wieder von vorne. Haydo und ich sind zuerst in der Reserve eingeteilt. Doch schon wenige Minuten nach Übungsbeginn wird via Funk die Reserve ausgelöst. Eisen verloren. Wir müssen einspringen. Lasset das Spiel beginnen.
Solche Übungen sind nämlich dann am coolsten, wenn man sich ganz in einen Film versetzt und das Szenario richtig lebt. Spielen für Erwachsene halt und auf dem Weg zu unserem «Einsatzgebiet» frage ich mich: Wann und wieso man beim Erwachsen werden eigentlich mit dem Spielen aufgehört hat?
Gebiet querbeet durchkämmen
Wir treffen in unserem Überwachungssektor ein und verschaffen uns erst einmal eine Übersicht über unser «Territorium», indem wir zuerst die Grenzen abreiten und dann das Gebiet querbeet durchkämmen. Im Viertelstundentakt geben wir unseren Standort durch. Die ersten zwei Stunden vergehen wie im Flug. Dann beginnt die eigentliche Schicht.
Kurz nach 21 Uhr machen wir uns im orangen Licht der untergehenden Sonne, nach vier Stunden Einsatz auf den Weg zurück zum Patrouillienstall. Nun sind zwei Stunden Ruhezeit angesagt.
Die Pferde werden abgesattelt, gebürstet und in die Boxen gestellt und bekommen dort eine Heuration, dann sind wir an der Reihe. Zu meiner Erleichterung steht nicht etwa «Chili con carne», sondern eine deftige Rösti auf dem Menüplan. Wir bedienen uns.
Mit Nachtsichtgerät reiten
Zwei Stunden chillen, zum Schlafen ist es irgendwie noch zu früh. Um 23 Uhr beginnt unsere Reservezeit, mein Binom und ich holen unsere Pferde aus den Boxen in die Stände. Wer in Reserve ist, muss innerhalb kurzer Zeit am Einsatzort sein können, deshalb werden die Pferde gesattelt. Wir machen es uns im Heu gemütlich und warten.
Kurz vor 01 Uhr reiten wir los, es ist stockfinster. Vor dem Munitionslager warten die anderen Patrouillenreitgruppen auf die Ablösung. Wir bekommen Nachtsichtgeräte umgeschnallt. Ein komisches Gefühl so durch den Wald zu reiten.
Es herrscht abnehmender Mond, die Bäume stehen dicht und ohne Nachtsichtgeräte sieht man absolut nichts. Das Problem ist nur, dass man sich wie in einem Science-fiction-Film fühlt mit diesen Dingern vor den Augen, die Wahrnehmung ist verzehrt und nach einem Moment bekomme ich Kopfschmerzen. Also ohne Sicht weiter reiten.
Ohne Sicht verwundbar
Wir halten uns an den Grenzen unseres Sektors, welche durch breitere Waldwege markiert sind. Blind querbeet ein und mit dem Wissen, dass es teilweise Dornendickicht in unserem Gebiet und Löcher hat, scheint meinem Binom und mir zu riskant.
Immerhin ist es eine Übung und wir wollen nicht, dass sich unsere Pferde die Beine brechen. Logisch profitieren die «Angreifer» vom Schutz der Dunkelheit und starten einen «Bombenangriff» auf das Munitionslager. Nach dem Angriff folgt eine kurze Szenario Besprechung mit allen involvierten.
Erschreckend finde ich, dass wir mit unseren Pferden nur ein paar Metern neben den Angreifern vorbeigeritten sind und nichts bemerkt haben. Ohne Sicht sind wir verwundbar.
Ich weiss nicht mehr genau wie es gekommen ist, auf jeden Fall mussten wir kurz nach unserer Schicht gleich noch einmal in den Sattel. Trotz dem ganzen Kleidersortiment kriecht die Kälte bis auf die Knochen. Der Hintern schmerzt. Wir sehen nichts, sind müde und frieren.
Wie in Trance lassen wir unsere Pferde durch den Wald streifen. Platzieren uns auf einer Anhöhe und warten, dabei Kämpfen wir gegen den Schlaf. Ich beuge mich über den Hals von Haydo. Das Gewicht des Kampfhelmes drückt schwer auf meinen Kopf. Meine Augen fallen zu.
Hühnereier im Wasserkocher
Irgendwann ist der härteste Teil des Einsatzes überstanden. Beim Morgengrauen werden wir abgelöst. Die Ruhezeit verbringe ich in Vollmontur, eingerollt in eine Pferdedecke im Heu. Immerhin zum Frühstück gibt es frische, hartgekochte Eier, von den RS-Hühnern unserer Wachtmeister, die seit einigen Wochen eine freie Pferdeboxe bewohnen und zur Unterhaltung von Berufs- und Milizkader beitragen.
Übrigens die Eier wurden im Wasserkocher des Kaders zubereitet. Wusste gar nicht, dass man das kann, das wird unter der Kategorie «Nützlicher Lifehack» abgespeichert.
Alles im allem war die Übung «Gardia» eine tolle Erfahrung. Allerdings habe ich mir eine «Überlebenswoche» irgendwie härter und anders vorgestellt.
So à la «Ausgesetzt» im Wald, ohne Kontakt zur Aussenwelt. Nun gut, dann halt eben die Softversion und Hauptsache Ende Woche treffen sechs Dosen Ravioli ein.
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Bisherige Einträge:
Teil 16: Militärpferde: Endlich Patrouillenreiter – Schweizer Bauer
Teil 15: «Meine grösste Angst: Nicht auf das Pferd zu kommen»
Teil 14: Endlich, die Militärpferde kommen
Teil 13: Vier Wochen ohne Militärpferde
Teil 12: Das eigene Pferd auf den Militärdienst vorbereiten
Teil 11: Ich kaufe Haydo zurück
Teil 10: Armeepferde: Start ins Militärleben
Teil 9: Schlusstest für künftige Militärpferde
Teil 8: Militärpferde auf Inspektion vorbereiten
Teil 7: Trainpferde: Karren ohne Kutscher ziehen
Teil 6: Militärpferde auf das Podest stellen
Teil 5: Trainpferde müssen auch Holz ziehen
Teil 4: Die Königsdisziplin der Trainpferde
Teil 3: NPZ bildet die jungen Militärpferde aus
Teil 2: Sein eigenes Pferd der Armee verkaufen
Teil 1: Mit dem eigenen Pferd in die Armee