In der Vergangenheit spielten Dromedare (Camelus dromedarius) und Trampeltiere (Camelus bactrianus) eine wichtige Rolle in der Landwirtschaft, der Logistik des Römischen Reichs sowie bei mittelalterlichen Ritualen und hinterliessen archäologische und kulturelle Spuren in ganz Europa. Nach einem Rückgang im Mittelalter waren Kamele weitgehend auf exotische Sammlungen beschränkt.
Bis 6000 Kamele
In den letzten Jahrzehnten hat die Kamelzucht jedoch einen Aufschwung erlebt, der in erster Linie auf den Tourismus und die Nachfrage nach Kamelmilch zurückzuführen ist. Schätzungsweise 5’000 bis 6’000 Kamele leben heute in Europa. Trotz ihrer Anpassungsfähigkeit an raue Klimabedingungen und ihrer ernährungsphysiologischen Vorteile stehen die Tierhalter vor Herausforderungen wie «kleine Populationsgrössen, zersplitterte und geografisch weit verstreute Zuchtbemühungen und das Fehlen eines auf Kamele zugeschnittenen Rechtsrahmens», sagt Studien-Co-Autorin Pamela Burger vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Veterinärmedizinische Universität Wien.
Hinzu kommen das Fehlen von Zuchtorganisationen, Zuchtregistern und genetischen Bewertungssystemen sowie eine geringe Reproduktionsleistung und ein gegenwärtig schlechtes Reproduktionsmanagement dieser Arten.
Potenzial in Nutztierhaltung
Andererseits haben Fortschritte im Bereich der Genomik neue Möglichkeiten für das genetische Management von Kamelen in Europa geschaffen. Gerade diese Erkenntnisse geben jedoch auch Anlass zur Besorgnis, und zwar über die geringe genetische Vielfalt der in Europa beheimateten Tiere. «Um diese Probleme zu lösen, sind koordinierte internationale Anstrengungen, eine standardisierte Erfassung von Phänotypen und verbesserte Tierschutzrichtlinien erforderlich», hält Pamela Burger fest.
Angesichts des Klimawandels und der zunehmenden Wüstenbildung in Europa werden laut Burger die Anpassungsfähigkeit der Kamele an trockene Umgebungen sowie ihre besonderen Verhaltensmerkmale, ihre Milchzusammensetzung und ihre funktionellen Eigenschaften deutlicher zutage treten und auch vermehrt geschätzt werden.
Hier sieht Burger ein interessantes Potenzial als nachhaltiges Nutztier: «Zwar wird die Kamelzucht in Europa in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich nicht die Bedeutung der bekannten, grossen Nutztierarten erlangen. Aufgrund seiner besonderen Eigenschaften könnte das Kamel aber interessante Möglichkeiten zur Diversifizierung in der Tierhaltung bieten, und zwar auch aus dem Blickwinkel der Rentabilität.»