«Schweizer Bauer»: Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie hören, dass der Bund das Zuchtprogramm für Herdenschutzhunde per sofort stoppt?
Flavio Hug: Das Enttäuschende an der ganzen Sache ist, dass wir das über die Medien erfahren haben und alle Infos dort rauslesen mussten. Wir als Hundezüchter und auch der Verein Herdenschutzhunde Schweiz (HSH-CH) wurden nicht darüber informiert. Wir haben erwartet, dass etwas passieren wird, aber, dass es schnell geschieht, war mir nicht bewusst. Vor zwei Jahren hat der Bund der Agridea den Auftrag gegeben, sich um das Zucht- und Ausbildungsprogramm zu kümmern und 100 bis 120 ausgebildete HSH zu liefern, deshalb rechneten wir nicht so schnell damit. Die Zusammenarbeit mit der Agridea war teilweise herausfordernd.
Was meinen Sie damit?
Jeder Herdenschutzhund muss im Alter von 12 bis 15 Monaten eine Einsatzprüfung absolvieren. Die Agridea hat beschlossen, zweimal pro Jahr an fixen Daten die Prüfungen durchzuführen, ohne Berücksichtigung der Witterung oder beispielsweise der Läufigkeit bei Hündinnen. Man hat extrem gemerkt, dass das alles am Schreibtisch, ohne Rücksprache mit Praktikern, geplant worden ist.
Was ist die Problematik mit nur zwei Prüfungsdaten?
Aufgrund der fixen Prüfungsdaten war es teilweise so, dass die ausgebildeten Hunde fast sechs Monate länger auf den Zucht- und Ausbildungsbetrieben warten mussten und nicht abgegeben werden konnten. Gleichzeitig «schrien» die Alpbetriebe förmlich nach ausgebildeten Hunden. Ideal ist es, wenn die Hunde im Winter platziert werden können. So bleibt genügend Zeit, damit sie sich an die Herde gewöhnen und eine harmonische Einheit bilden. Ausserdem kann noch eingegriffen werden, wenn ein Hund umplatziert werden muss.
Flavio und Melanie Hug züchten auf ihrem Betrieb Herdenschutzhunde.
zvg
Bund stoppt Zucht von Herdenschutzhunden
An einer Sitzung wurde letzte Woche darüber informiert, dass der Bund das Zuchtprogramm für Herdenschutzhunde per sofort stoppt – und keine finanziellen Beiträge mehr leistet. Mehr dazu gibt es hier.
Wie geht es jetzt weiter?
Ich bin gespannt, wie schnell die Kantone ein funktionierendes System zu bieten haben. Der Verein HSH-CH ist bereit, Hand zu bieten. Vielleicht ist das jetzt auch eine Chance, wenn die Kantone übernehmen. Mein Wunsch wäre es, dass man mit der Basis zusammensitzt und nicht einfach Konzepte ausarbeitet und Pläne erstellt. Wir arbeiten mit Lebewesen, da funktioniert nicht alles stur nach Plan, und es braucht vielleicht verschiedene Ansätze. Es ist sehr viel Know-how vorhanden, und es wäre extrem schade, wenn das verloren gehen würde. Herdenschutzhunde zu züchten und auszubilden, ist eine grosse Herausforderung, wenn man es gut machen will, und es gibt wenige, die das können.
Wie wichtig ist die Zucht von Herdenschutzhunden für Ihren Betrieb?
Sehr wichtig – mit der Zucht steht und fällt der Schutz unserer Tiere. Finanziell gesehen ist es kein Standbein. Die Unkosten können mit den Geldern des Bundes gedeckt werden, der Zeitaufwand nicht.
Wieso haben Sie mit der Zucht begonnen?
In erster Linie, damit wir für uns selbst gute Hunde haben und ausbilden können. Unsere Motivation ist es, in der Schweiz gute Hunde zu produzieren, die wir an Landwirte verteilen können, die Hunde brauchen. Wenn man Freude an Hunden hat, bereit ist, etwas dazuzulernen, dann ist es eine wunderbare Aufgabe, so kleine «Knöpfe» auszubilden.
Wie viele Hunde haben Sie?
Zurzeit haben wir sechs Hunde. Zwei davon sind Zuchthunde, zwei sind in Ausbildung, und zwei sind Arbeitshunde.
Wie viele Hunde verkaufen Sie pro Jahr?
Grundsätzlich geht es nicht um den Verkauf von Hunden. Es geht darum, den Hunden auf meinem Betrieb eine möglichst lehrreiche Zeit zu bieten, bevor sie dann ihre Aufgabe in anderen Herden wahrnehmen. Wir geben pro Jahr zwischen ein bis zwei ausgebildete Hunde ab.
Die Herdenschutzhunde leben das ganzeJahr über in der Schafherde.
zvg
Wie wichtig war die Unterstützung des Bundes dabei?
Sehr wichtig. Die Zucht und die Ausbildung von guten Herdenschutzhunden verursacht sehr viele Kosten – allein das Futter, viermal Entwurmen pro Jahr, alle Impfungen, Prüfungsgebühren. Und natürlich fällt ein riesiger Zeitaufwand seitens des Züchters und der Ausbilder der Hunde an. Die Hunde werden permanent im Stall gehalten und aufgezogen. Sie müssen sozialisiert werden, den Umwelteinflüssen ausgesetzt werden. Man muss ihnen zeigen, was es in dieser Welt alles gibt und wie sie damit zurechtkommen können. Es ist ein riesiger Aufwand, den man betreibt, wenn man gute, stabile und soziale, autonom arbeitende und zuverlässige Herdenschutzhunde züchten und ausbilden will.
Müssen Sie jetzt den Preis pro Hund erhöhen?
Es war ein grosses Plus, dass die Preisregelung bisher durch den Bund erfolgte. Trotz extrem grosser Nachfrage war der Preis für Herdenschutzhunde nicht extrem hoch. Bisher zahlte der Bund für die Haltung der ausgebildeten Hunde 100 Franken pro Monat. Für die Ausbildung von Welpen pauschal 2’400 Franken. Ohne die Unterstützung des Bundes werden gut ausgebildete Hunde auf einmal zwischen 5’000 bis 7’000 Franken kosten. Dann braucht es immer zwei Hunde, sprich, dann sind wir bei 10’000 Franken. Das kann und will vermutlich kein Betrieb zahlen. Wenn die Preise ins Unermessliche steigen, ist das sehr kontraproduktiv. Die Konsequenzen daraus sind, dass im Ausland günstige Hunde gekauft werden. Im schlechtesten Fall nicht einmal aus Arbeitslinien und sehr schlecht ausgebildet. Die Probleme sind damit vorprogrammiert.
Wie geht es für Sie weiter bezüglich der Hundezucht?
Bezüglich des Finanziellen heisst es im Moment abwarten und Tee trinken. Wir werden die Hundezucht sicher nicht aufgeben. Unsere Hunde sind gut und arbeiten gut. Durch den Verein haben wir eine gute Zusammenarbeit und ein gutes Netzwerk. Die aktuelle Situation tut mir extrem leid für andere Landwirte, die noch keine Hunde haben oder Ersatzhunde brauchen. Für die weiss ich nicht, was die Zukunft bringen wird.
Es ist ein riesiger Aufwand, den man betreibt, wenn man gute, stabile, und soziale, autonom arbeitende und zuverlässige Herdenschutzhunde züchten und ausbilden will.
zvg
Wie viel kann der Herdenschutz mit Hunden tatsächlich bewirken?
Durch den richtigen Einsatz von Herdenschutzhunden, Zäunen und Bejagung können Risse auf ein Minimum reduziert werden. Auch Herdenschutzhunde schützen nicht zu 100 Prozent, aber durch fähige Hunde kann die Risszahl stark reduziert werden. Dort, wo Schutzhunde eingesetzt werden, wird man nie solche Blutmassaker sehen wie bei ungeschützten Herden.
Beenden Sie die Sätze …
Der Stopp des Zuchtprogramms für Herdenschutzhunde ist … sehr schade, aber gleichzeitig auch eine Chance, um die schwierige Zusammenarbeit mit Agridea zu beenden und vielleicht neue Wege zu finden.
Herdenschutzhunde sind … extrem selbstständig arbeitende Hunde, die von vielen Leuten falsch eingeschätzt werden, und deshalb entstehen Konflikte.
Landwirtschaft ist … unser Leben. Wir finden es wunderschön, Nahrung zu produzieren, Landschaften zu pflegen und vor dem Einwachsen des Waldes zu schützen und in Einklang zwischen Natur und Tier zu arbeiten.
Betriebsspiegel Sculmserhof
Fläche und Lage: 41ha LN, Bergzone III im Safiental.
Produktionsform: Bio
Betriebszweige: Schafhaltung, Mutterkühe, Ziegen, Legehennen, Direktvermarktung, Agrotourismus und Ausbildung von Herdenschutzhunden.
Arbeitskräfte: Melanie und Flavio Hug, in Spitzenzeiten Aushilfe durch Schwiegervater. ats
Die Ausbildung und Zucht von Herdenschutzhunden setzt viel Leidenschaft und Liebe für das Tier voraus.
zvg
Es ist einfach unterste Schublade wie die Schweiz mit den Wölfen umgeht!
Die Wildtiere in der Schweiz stehen allgemein unter ständigem Druck.
Man muss sich wirklich schämen Schweizer zu sein!
ABER: wir Schweizer sammeln ja für Alles, also wieso zieht der Verein nicht ein grosses Samnel Regime auf?
Und unterstützt die Züchter und Halter auf diese Weise???
Mir scheint das wäre eine Lösung, auch zum Schutz des Wolfes!!
Was meint ihr??