Die Strategie des Bundes, den übermässigen und unsachgemässen Einsatz von Antibiotika einzudämmen, stösst auf breite Zustimmung. Widerstand kommt einzig aus Tierschutzkreisen, die die Massnahmen für «Symbolpolitik und unnötige Patentrezepte» halten.
Immer mehr Infektionen lassen sich nur noch schlecht oder gar nicht mehr therapieren. Nach Schätzungen sterben in der EU jedes Jahr 25'000 Menschen an antibiotikaresistenten Bakterien.
Der Bund möchte der tödlichen Gefahr durch antibiotikaresistente Bakterien mit einem Kulturwandel entgegenwirken. In der «Strategie Antibiotikaresistenzen» (StAR) geht es weniger um Verbote, sondern mehr um Prävention, Aufklärung und Beratung.
Dieser Ansatz wird von Spitälern, Bauern und Kantonen begrüsst. Der Entwurf des Bundesrats habe die «richtige Stossrichtung», lautet der Tenor in der am Sonntag zu Ende gehenden Anhörung.
Fehler im System
Anders sieht dies der Schweizer Tierschutz (STS). Die vom Bundesrat in der Tiermedizin angedachten verbindlichen Richtlinien, unter welchen Bedingungen kritische Antibiotika eingesetzt werden dürfen, seien überflüssig, schreibt die Organisation. «Aus Sicht des STS braucht es kaum neue Richtlinien, Standards, Labels oder Tiergesundheitsbeiträge.» Vielmehr müssten die bereits bestehenden, brauchbaren Regelwerke auf die Eindämmung der Resistenzen ausgerichtet werden.
Für die Tierschützer ist der übermässige präventive Antibiotikaeinsatz in der Tiermedizin teilweise ein «systembedingtes Problem». Es fehle am Konsens, gesunde Tiere in überschaubaren, gut gehaltenen Beständen zu halten. «Die heutige Agrarpolitik fördert mit verschiedenen Vorschriften und Massnahmen Massentierhaltung und Tierfabriken.»
Deshalb verkommen neue Verbote und Zielvorgaben aus Sicht des STS zur «Symbolpolitik, welche die Bevölkerung in falscher Sicherheit wiegt». Vielmehr müsse der Verbrauch von Antibiotika «genau und permanent» erfasst werden, bevor - gestützt darauf - Massnahmen erlassen würden.
Landwirtschaft am Ball
Weniger kritisch äussern sich die Bauern zur Strategie des Bundes. Positiv reagiert der Schweizer Bauernverband (SBV), «weil wirksame Antibiotika auch aus der Optik des Tierwohls zentral sind». Ein rascher und gezielter Einsatz von Antibiotika im Krankheitsfall bei Tieren sei auch eine Frage des Tierschutzes.
Das Problem durch Resistenzen könne nur gelöst werden, wenn Veterinär- und Humanmedizin gemeinsam einen Beitrag zu deren Verringerung leisteten, schreibt der SBV. Die Landwirtschaft sei schon heute auf einen sorgsamen Einsatz von Antibiotika sensibilisiert.
Nach eigenen Angaben ist deren Einsatz in der Nutztiermedizin seit 2008 um über einen Viertel zurückgegangen. Trotzdem seien weitere Anstrengungen notwendig.
Spitäler erkennen Handlungsbedarf
Auf uneingeschränkte Zustimmung stossen die Massnahmen in der Humanmedizin, welche die StAR vorsieht. Die Verringerung und Vermeidung von Antibiotikaresistenzen als übergeordnetes Ziel sei richtig und wichtig, schreibt etwa der Spitalverband H+ in seiner Anhörungsantwort.
Vorbehalte äussern die Spitäler nur bei der Datenerhebung: «Die zusätzlichen behördlichen Anforderungen in der Administration bedingen mehr Personal und Infrastrukturen und führen zu bedeutenden Mehrkosten.» Zwar werden heute schon Daten zur Überwachung von Vertrieb, Verschreibung und Einsatz von Antibiotika sowie der Bildung von Resistenzen erhoben. Für die vom Bund geplante umfassendere Überwachung muss aber ein Netz von Referenzlabors aufgebaut werden.
Die Spitäler verlangen denn auch, dass die konkreten Massnahmen «gut begründet, präzise, praktikabel und effizient» werden. Zwar seien Antibiotikaresistenzen ein wichtiges Thema für die Spitäler und Kliniken, doch gebe es sehr viele andere Themen, «deren Bedeutung gleichermassen hoch oder noch höher einzustufen ist».
Ehrgeiziges Ziel
Ein dramatischeres Bild zeichnet die Fachkommission für biologische Sicherheit (EFBS): Antibiotikaresistenzen sei die grösste Gesundheitsbedrohung in der Schweiz. Falsche Anwendungen von Antibiotika bei Mensch und Tier seien für die rasante Ausbreitung der Resistenzen verantwortlich.
Deshalb unterstützt die Kommission die nationale Strategie des Bundes. Konkret sollen Antibiotika so wenig wie möglich und nur gezielt eingesetzt werden. Zudem solle der Zugang kontrolliert werden. «Wir streben als Fernziel eine Antibiotika-freie Landwirtschaft an.»sda