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«Tierschutz bei Nutztieren: Besser als der Ruf»

Bezüglich des Tierrechts bestünde in der Rechtswissenschaft eine riesige Lücke, sagt der Berner Rechtsprofessor Peter V. Kunz. Mit seinem im August erscheinenden Buch «Tierrecht der Schweiz» will er dazu beitragen, diese Lücke zu füllen. In einem Interview erzählt er, wie es um die Gesetzgebung für Nutztiere in der Schweiz steht und wieso die Landwirtschaft diesbezüglich eine Chance vergibt. 

ats/ome |

Der  Professor für Wirtschaftsrecht und Rechtsvergleichung der Universität Bern kennt sich auch mit dem Verbandsrecht aus. Dem Schweizerischen Bauernverband empfiehlt er, eine Selbstregulierung für Landwirte mit dem Fokus Tierschutz zu schaffen. Angelehnt an die Regulierung von economiesuisse empfiehlt er für die Landwirtschaft ein «Code of Best Practice for Animal Welfare».

Ähnlich der Banken- und Versicherungswelt, in der es solche Regulierungen bereits gibt, würde sich für die Schweizer Landwirtschaft dadurch auch eine Chance ergeben, ihr Image zu verbessern, meint Kunz.

«Schweizer Bauer»: Was hat Sie dazu bewegt ein 800-seitiges Buch über das Tierrecht in der Schweiz zu schreiben?

Peter V. Kunz: Es besteht eine riesige Lücke in der Rechtswissenschaft im Hinblick auf Tiere. Juristen beschäftigen sich insbesondere mit zwei Themen: mit Tierschutzrecht und mit Tierethik. Doch das Tierrecht ist viel umfassender, indem etwa auch die Eigentumsgarantie oder die Wirtschaftsfreiheit zu berücksichtigen sind. Ich gebe nun den ersten einigermassen umfassenden Überblick über die fast zahllosen Tierrechtsnormen in allen Rechtsgebieten. Hätte ich alles vertieft behandeln wollen, hätte ich 8'000 Seiten schreiben müssen.

Mit welcher Absicht, welchen Zielen haben Sie dieses Buch verfasst?

Das Buch richtet sich eigentlich an jedermann, der sich für Tiere und für das Recht interessiert, also: Landwirte und sonstige Tierhalter, Behörden (z.B. Landwirtschaftsämter sowie Veterinärdienste) und Gerichte, Politiker und die Zivilgesellschaft. Trotzdem werden das Buch primär Juristen lesen, weil es kein Ratgeberbuch à la «Beobachter», sondern ein juristisches Fachbuch ist. Mein zentrales Ziel ist, unsere Gesellschaft stärker zu sensibilisieren für rechtliche Themen im Zusammenhang mit Tieren – wer denkt schon daran, dass Tiere z.B. eine wichtige Rolle bei Scheidungen oder beim Erben spielen?

Tierschutz – als Anreiz für produzierende Landwirte – funktioniert am besten übers Portemonnaie.

Professor Peter V. Kunz.

Wenn der Wolf ein Schaf reisst, ist er in der Schweiz – unter bestimmten Bedingungen - geschützt. Sehen Sie da eine Rechtsungleichheit hinsichtlich des Schafes?

Wir müssen etwas aufpassen, dass wir Tiere nicht gegeneinander «ausspielen»: der «böse» Wolf gegen das «arme» Schaf. Eine Rechtsungleichheit besteht für Schafe heute ohnehin bereits gegenüber Wölfen, die rechtlich speziell geschützt werden. Dies geschieht mittels eines völkerrechtlichen Vertrags, der «Berner Konvention», die aus Gründen des Artenschutzes wandernde Wildtiere (Wölfe, Bären etc.) schützt. Ich denke aber, dass eine faktische «Waffengleichheit» hergestellt werden kann. Gefordert ist aber primär der Alpbauer mit Schutzmassnahmen gegen Wölfe, aus ökonomischem Eigeninteresse.

Ist die Gesetzgebung für Nutztiere in der Schweiz ausreichend? Wo sähen Sie Verbesserungsmöglichkeiten?

Ja, ich denke der gesetzliche Nutztierschutz ist durchaus ausreichend, gerade auch im internationalen Vergleich, wobei selbstverständlich an «Schräubchen» für einen erhöhten Schutz immer gedreht werden könnte. Persönlich hatte ich durchaus Sympathien für die «Massentierhaltungsinitiative», doch sah das Volk dies im letzten Jahr anders. Das zentrale Problem ist nicht in erster Linie die Gesetzgebung, sondern deren Vollzug. Skandale, wie etwa der «Fall Hefenhofen», sind nicht nur traurig, sondern erweisen sich zusätzlich als schlecht für die Landwirtschaft im Allgemeinen, die dadurch negativ reflektiert wird ( Der «Schweizer Bauer» hat ausführlich über den «Fall Hefenhofen berichtet > Schlagwort «Hefenhofen» in Suchmaske ).

Was braucht es, mehr Kontrollen, strengere Vorschriften (zum Bespiel nur noch nach Bio- oder gar Demeter-Richtlinien produzieren)?

Landwirte sollten möglichst freie Unternehmen bleiben, deshalb bin ich als Liberaler nicht für allzu intensive staatliche Vorgaben. Aber ich hoffe darauf, dass Landwirte aus eigener Überzeugung und damit freiwillig, vermehrt «Bio»- und «Labelfleisch» produzieren, nicht zuletzt ökonomisch motiviert. Wir Konsumenten müssen natürlich auch bereit sein, die entsprechenden höheren Preise zu bezahlen, doch das geht in Ordnung: Tierschutz – als Anreiz für produzierende Landwirte – funktioniert am besten übers Portemonnaie.

Was kann der Landwirt tun, damit seine Tiere rechtlich besser geschützt sind?

Ich bin wundere mich seit Jahren, dass der SBV nicht längst eine Selbstregulierung für Landwirte erlassen hat, mit dem Fokus Tierschutz – die Bankenwelt hat dies seit Jahrzehnten, mit dem Fokus Kundenschutz, vorgemacht. Die Landwirtschaft verpasst eine tolle Chance, auch was das eigene Image anbelangt. Im Übrigen ist jeder Landwirt eigenverantwortlich gefordert. Ich hoffe, dass Landwirte bestmöglich für die eigenen Tiere schauen: aus ökonomischen und aus emotionalen Gründen, aber ebenso als Beleg der eigenen Humanität.

Welchen Bezug haben Sie zu Heim- und Nutztieren?

Ich habe auf Seiten meiner Mutter einen bäuerlichen Hintergrund. Einen nicht unwesentlichen Teil meiner Kindheit und frühen Jugend habe ich im Luzernischen in Ställen verbracht, insbesondere bei Schweinen und bei Kühen. Seit einem halben Jahrhundert lebe ich ausserdem stetig mit Heimtieren zusammen. Bei mir stehen Katzen im Vordergrund, denen übrigens auch mein Buch «Tierrecht der Schweiz» gewidmet ist.

Hamster, Kaninchen, etc., werden oft hinter verschlossenen Türen gehalten. Wie steht es um den rechtlichen Schutz dieser Heimtiere?

Es ist bei Heimtieren zwischen legalem «Schein» und faktischem «Sein» zu unterscheiden. Während das Gesetz – wie bei Nutztieren – durchaus ausreichend erscheint, dürfte die Realität nicht selten tragisch aussehen. Anders als in der Landwirtschaft gibt es in diesem Bereich nämlich grundsätzlich keine Kontrollen, ausser vielleicht durch einen neugierigen Nachbarn. Es existiert also nicht einmal eine Prävention. Ich vermute, dass der Schutz von Heimtieren tatsächlich wesentlich schlechter funktioniert als der Nutztierschutz.

Essen Sie Fleisch und andere tierische Produkte?

Ja, ich bin weder Veganer noch Vegetarier. Der Entscheid, auf Fleischkonsum zu verzichten, ist ein persönlicher. Es gibt für mich nicht einfach «richtig» oder «falsch», und insbesondere lehne ich die apodiktische (Anm. = keinen Widerspruch duldende) Position ab, ein Verzicht sei ethisch begründet. Ich esse gerne Fleisch, doch schaut meine Frau sehr genau, woher es kommt, und wie es um die Tierhaltung steht. Wir bevorzugen lokale und «Bio»-Produktionen und meiden Fleischimporte. Es ist uns bewusst, dass entsprechendes Schweizer Fleisch sicherlich teurer ist, doch sind wir ohne weiteres bereit, die entsprechenden «Aufpreise» zu bezahlen.

Für Lukas Ackermann aus Neukirch-Egnach TG sei es selbstverständlich, dass nur gut gehaltene und gesunde Tiere hochwertige Milch geben. Er sagt, das Schweizer Tiergesetz sei bereits jetzt das strengste der Welt, und das sei gut so.

Darf man Ihrer Meinung nach noch Nutztiere halten und Land- und Alpwirtschaft betreiben?

Ich sehe keine ernsthaften Probleme, zumindest wenn die Tierhaltung und die Schlachtung möglichst tiergerecht erfolgen, beispielsweise durch Hof- bzw. Weidetötungen. Die Nutztierhaltung gerät jedoch seit einiger Zeit in zunehmenden Konflikt mit anderen gesellschaftlichen Interessen, insbesondere mit den Klimainteressen, die seitens der Landwirtschaft nicht unterschätzt werden sollten. Trotzdem erachte ich z.B. den kürzlichen Entscheid von Irland, 200'000 Kühe vor diesem Hintergrund zu töten, ebenso wenig zielführend wie im Jahr 2020 die Tötung von 17 Millionen Nerzen durch Dänemark.

Wenn Sie von Tierrechten sprechen? Würden Sie einem Goldfisch dieselben Rechte zugestehen, wie einer Kuh oder einem Pferd?

Bitte verstehen Sie mich richtig: Das Einräumen von subjektiven Rechten an Tiere ist ein Randthema für mich – ich bin weder Politiker noch Tieraktivist, sondern Wissenschaftler, der sich für das Rechtsthema «Tier» interessiert. Es scheint mir aber möglich, Tiere nicht nur als Objekte, sondern auch als Subjekte von Rechten vorzusehen.

Selbstverständlich müsste differenziert werden, einerseits nach den Tieren und andererseits nach den konkreten Rechten – dieselben Rechte wie bei Menschen kämen sicherlich nicht in Frage, weil der Mensch nebst Rechten ebenfalls Pflichten hat, was bei Tieren schlicht unmöglich wäre.

Die Durchsetzung solcher eingeschränkter subjektiven Tierrechte könnte in der Praxis durch Dritte erfolgen, wie dies etwa die KESB für urteilsunfähige Menschen macht. Der Kanton Zürich hat früher wertvolle Erfahrungen mit dem «Tierschutzanwalt» gemacht.

Beenden Sie die Sätze…

Das Tierrecht in der Schweiz ist… ein Rechtsbereich, der von den meisten Menschen unterschätzt und von den Universitäten sträflich vernachlässigt wird…

Der Tierschutz in der Nutztierhaltung ist… besser als der Ruf, der insbesondere durch die «Massentierhaltung» negativ geprägt wird, wobei in jedem Fall der Vollzug durch die kantonalen Veterinärdienste verbessert werden müsste …

Landwirtschaft ist… ein menschliches Grundbedürfnis und Ursprung der gesellschaftlichen Entwicklung überhaupt, doch verschiedene Interessen befriedigt werden müssen: nicht zuletzt Tierinteressen…

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